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Das Schöpfer-Gen. Alexander Reiter
Читать онлайн.Название Das Schöpfer-Gen
Год выпуска 0
isbn 9783750230552
Автор произведения Alexander Reiter
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„David Cole?“, fragte die Hübsche ohne Einleitung.
„Das wäre dann ich, Miss.“ Ich stand auf und reichte ihr die Hand. Konnte ja nicht schaden, höflich zu sein. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Paul am Tresen lehnte. Seine lässige Haltung konnte nicht über seine Anspannung hinwegtäuschen.
„Karen Stanley, Büro des Premierministers, Mr Harper wünscht Sie zu sprechen.“
„Im Ernst? Der Premierminister? Hatte er auch, wie hast du das genannt, Paul? Kopfkino?“
„Soweit unsere bisherigen Informationen es zulassen, können wir sagen, dass jeder Mensch auf diesem Planeten Sie sehen konnte, Mr Cole.“
Ich warf Paul einen hilflosen Blick zu. „Na heilige Scheiße, eins zu null für dich.“ Ich fummelte mir eine Zigarette aus der Hose, und Paul gab mir ebenso wortlos Feuer.
„Mr Cole, Sie kommen jetzt mit uns“, sagte einer der beiden Herren.
„Nehmen Sie mich fest?“, fragte ich und trat vorsichtshalber ein paar Schritte zurück, bis ich an einen Tisch stieß.
Die Assistentin des Premiers hob beschwichtigend die Hände. „Nein“, sagte sie. „Aber wir müssen herausfinden, was hier vor sich geht und was Sie damit zu tun haben.“
„Gar nichts!“, betonte ich, doch ich wusste, dass ich gegen die zwei Gorillas keine Chance hatte. Um nicht völlig das Gesicht zu verlieren, antwortete ich schnoddrig: „Also, Schätzchen, da es sich scheinbar nicht vermeiden lässt, würde ich Folgendes vorschlagen: Wir haben uns alle lieb, die beiden Men in Black lassen ein bisschen Luft aus dem Hemd, und wir fahren auf dem Weg zur Downing Street noch schnell beim nächsten Corner Shop vorbei. Ich brauch noch Bensons.“ Kaum hatte ich meine Rede beendet, wusste ich, dass ich übers Ziel hinausgeschossen war.
Die junge Dame trat auf mich zu, bis sie direkt vor mir stand. In ihren Augen funkelte es, als sie trocken erwiderte: „Die Zigaretten sind Nebensache. Jeder Mensch auf der Welt kennt jetzt Ihr Gesicht. Glauben Sie mir, Mr Cole, ohne uns kommen Sie momentan maximal zwei Blocks weit. Leisten Sie keinen Widerstand, oder ich setze Sie auf dem Trafalgar Square aus … Schätzchen.“
Paul begann schallend zu lachen. „Aua, das hat gesessen“, sagte er, als er wieder reden konnte, klopfte mir auf die Schulter und warf sich seine Lederjacke über. „Ich komme mal besser mit, irgendjemand muss ja auf dich aufpassen.“
Karen Stanley musterte ihn kurz und gab mit einem fast unmerklichen Nicken ihr Einverständnis. Ehrlich gesagt, war ich froh darüber. Mir zitterten nämlich immer noch die Knie. Im Gänsemarsch verließen wir das Lokal, Paul zog die Tür mit einem heftigen Ruck zu und schloss sorgfältig ab.
Die beiden Gorillas positionierten sich links und rechts der schwarzen Limousine. Davor und dahinter stand jeweils ein Streifenwagen mit blinkenden Lichtern. Vor dem Einsteigen zögerte ich dennoch. „Ich weiß, dass wir es irgendwie eilig haben, aber könnten wir wirklich nicht kurz halten? Nur zwei Päckchen… Es dauert nicht lange, bestimmt…“
Karen Stanley ignorierte mich einfach. „Wir haben eine Polizeieskorte bis zur Downing Street, meine Herren. Also steigen Sie schon ein.“ Sie setzte sich uns gegenüber, schlug die Beine übereinander – schöne Beine in hochhackigen Schuhen, wie ich nicht umhin konnte zu bemerken –, und fixierte mich. „Und nun Folgendes, Mr Cole. Das gilt auch für Sie, Mr Richards: Alles, was Sie ab jetzt hören, unterliegt der Geheimhaltung. Ich weiß, Sie haben damit Erfahrung. Haben Sie das verstanden?“
Wir nickten beide wie die Schuljungen.
„Wenn wir angekommen sind, werden Ihnen einige Mitarbeiter Fragen stellen und Sie einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Wir gehen davon aus, dass Sie kooperieren.“
„Ich auch?“, fragte Paul dazwischen.
„Nur wenn Sie darauf bestehen“, gab Miss Stanley ungerührt zurück. „Anschließend wird Mr Cole dem Krisenstab bitte erklären, was er über diese Sache weiß. Bei Fragen wenden Sie sich bitte ausschließlich an mich. Diese beiden Herren“ – sie wies auf die Gorillas – „werden sich um Ihre Sicherheit kümmern. Sie sind bis auf Weiteres als stark gefährdet eingestuft, Mr Cole. Falls Sie etwas aus Ihrer Wohnung benötigen, werden wir es holen lassen. Und wenn Sie mir bitte noch Ihr Handy aushändigen würden.“ Sie streckte die Hand aus.
Verdattert griff ich in meine Hemdtasche und gab ihr mein Telefon.
„Danke. Alles klar? Mr Richards, für Sie gilt selbstverständlich das Gleiche. Ihr Handy, bitte.“
Paul sah erst sie, dann mich mit hochgezogenen Brauen an. „In Ordnung, Madam“, sagte er dann, und es schwang etwas wie Anerkennung in seiner Stimme mit. Er reichte ihr sein Telefon, und Karen steckte es ein. „Wie gesagt, da Sie beide militärische Vorkenntnisse haben, sollten Ihnen die grundsätzlichen Abläufe ja vertraut sein.“
„Äh …“, murmelte ich. Ich hatte keine guten Erinnerungen an meine Zeit in der Armee. Zu viele Regeln, zu viele Idioten, die einem Befehle gaben.
Paul verpasste mir einen Rippenstoß. „Das wird dann wohl nichts mit meinem Fernsehabend auf der Couch mit einem schönen Film und ein paar Bier!“
„Du hast keinen Fernseher mehr, der ist kaputt“, erinnerte ich ihn.
„Aber nur, weil du Wichser ihn von der Wand gerissen hast.“
„Das war ein Versehen“, protestierte ich.
„Ein Versehen? Dass ich nicht lache, du warst stockbesoffen, Mann!“
Jetzt grinste ich. „Sieh es mal von der positiven Seite, so erlebst du endlich mal was.“
Paul lehnte seufzend den Kopf an die Lehne. „Du blöder Volltrottel. Das Ende der Welt mit dir, ein super Erlebnis, willst du mich verarschen? Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Miss Stanley.“
Karen hatte unserem Wortwechsel mit unbewegtem Gesichtsausdruck zugehört. Vor und hinter uns warfen die blinkenden blauen Lichter der Eskorte geheimnisvolle Muster auf die Polster. Wir passierten den St. James Park, doch hier war keine Menschenseele zu sehen. Hatten sich alle in den Häusern verkrochen?
Als wir so durch die Stadt fuhren, wurde mir langsam bewusst, dass das Ganze vielleicht doch größer war als ich mir eingestehen wollte. Dass für mich mehr auf dem Spiel stand, als ich noch vor einer halben Stunde geahnt hatte. Dieses Gefühl von völliger Auslöschung, Hilflosigkeit und Angst – und ich mittendrin. Ich lehnte meinen Kopf zurück und schloss die Augen. Der Geruch von frisch poliertem Leder stieg mir in die Nase. Neben mir spürte ich Paul. Seine bloße Anwesenheit samt seinem beißenden Humor verhinderten, dass ich der Panik in meinem Inneren nachgab und anfing zu schreien.
„Mr Cole, wir sind da. Downing Street.“
Ich zuckte zusammen und öffnete die Augen. „Entschuldigen Sie, ich war gerade etwas abwesend.“
„Das ist nachvollziehbar, Sir.“ Sie lächelte mir plötzlich aufrichtig zu; mit einem Lächeln, das ich aus meiner Kindheit kannte. Meine Mutter hatte immer auf dieselbe Weise gelächelt, vor allem, wenn sie wusste, dass sie mir nicht helfen würde oder konnte, weil ich mich mal wieder allein in irgendeinen Mist hineingeritten hatte, den ich selbst ausbaden musste. Ihr sanftes Lächeln hatte ich das letzte Mal an ihrem Sterbebett gesehen. Reiß dich zusammen, du Trottel, sonst fängst du noch an zu flennen, fuhr ich mich innerlich an, setzte mich auf und richtete den Blick aus dem Fenster.
Wir fuhren nicht durch die bekannten Eisentore der Downing Street, sondern nahmen die Auffahrt hinter dem Haus unweit des Imperial War Museums.
Paul, der bisher ebenfalls geschwiegen hatte, pfiff durch die Zähne. „Also wenn du dich da drinnen bitte wie ein zivilisierter Mensch verhalten würdest, wäre das echt super, Alter. Versuch um Himmels willen nicht, auf den Teppich zu pinkeln.“
„Du bist ein echter Freund, weißt du das?“ Als wir das Haus betraten, wurden wir von zwei weiteren Gorillas wie am Flughafen durchgecheckt. Anschließend schickte man mich in ein