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seines Apfels und die Brotkante zu genießen. Er war mit sich und der Welt zufrieden. Leise wünschte er Jakob einen guten Schlaf, was der in seiner angenehm dunklen Stimme erwiderte. Die Nacht verging sehr ruhig, es war erstaunlich friedlich, das Schnarchen blieb in Grenzen, wahrscheinlich, weil für alle im Zwischendeck der Alkohol verboten war. Ab und zu schlurfte jemand durch den engen Korridor, tastete sich an den Betten entlang, um den Abtritt zu finden. Cornelius kümmerte es nicht, wie viele Kojen belegt, noch wer die Insassen waren. Die Raumtemperatur und der Mief bleiben erträglich, trotz der vielen Insassen und geschlossenen Türen. Die großen Ventilatoren verfehlten nicht ihre Wirkung und ergossen viel Frischluft.

      Sobald das Licht am nächsten Tag aufleuchtete, begann das Leben wie in einem Hühnerstall. Cornelius schlief wie alle in seinen Kleidern, manche sogar mit Mantel und Hut oder Kappe auf dem Kopf. Die Cleveren liefen schnell zur Toilette und zum Waschplatz. Für die vielen Leute gab es nur wenige Fazilitäten und bald begann ein Meutern unter den Wartenden. Zum Glück hatte es Cornelius nicht eilig. Stattdessen machte er sich mit seinem Blechnapf und Teesäckchen auf die Suche nach der Kombüse. Er fand sie mittschiffs zwischen dem Quartier für die Familien und seiner Behausung. Dort gab es auch einen winzigen Essraum mit ein paar grob gezimmerten Tischen und Bänken. Alles sah sehr provisorisch aus, die Einrichtung hier, wie auch die Bettgestelle. Er konnte sich denken, dass es auf der Rückfahrt von Amerika keine Auswanderer mehr gab, ein Grund, das ganze Mobiliar abzuschlagen, um Raum für Cargo zu schaffen.

      Zu seinem Entsetzen herrschte ein riesiger Andrang, ein echtes Tohuwabohu in der Küche. Körper an Körper standen Frauen mit Kochgeschirr in Händen. In einem Herd loderte bereits ein Feuer, das jemand entfacht hatte und um den sich jetzt die Weibsleute schubsten und mit den Ellbogen versuchten ihre Pfanne oder den Topf auf die heiße Platte zu stellen, obwohl überhaupt kein Fleckchen mehr frei war. Ein Mann war bemüht sich mit einem Korb voller Holzscheide einen Weg zum Herd zu bahnen. Nach einigem Zögern und sein Unterfangen erkennend, wurde er durchgelassen. Er war keine Konkurrenz an der Herdplatte. Cornelius sah die Gelegenheit, dicht hinter den Mann gedrängt, sich mit nach vorne zum Wasserkessel zu schieben. Er kümmerte sich nicht um das Gemaule, goss sich schnell sein Gefäß mit heißem Wasser voll, verbrannte sich beinahe die Hände, umschloss mit seinem Taschentuch den heißen Becher und versuchte so schnell wie möglich den lauten Raum wieder zu verlassen. Wenigstens hatte er jetzt seinen heißen Tee. Für das spätere Nachfüllen plante er ab und zu in der Küche nachzusehen, ob vielleicht irgendwann zwischen den Mahlzeiten weniger Betriebsamkeit herrschte, auch um seine Pellkartoffeln zu kochen. Er konnte sie ja später kalt essen. Auf dem Weg zurück erhaschte er noch einen schnellen Blick in den Gemeinschaftsraum der Familien. Er war schockiert. Die Kojen waren zwar etwas größer als die seine, aber offensichtlich für eine ganze Familie bestimmt. In einer balgten vier Halbwüchsige, die gute Gelegenheit wahrnehmend, dass gerade einmal die Eltern nicht da waren. Überall krochen die kleinen Kinder herum und schrien. Bis auf den Gang hinaus roch der Unrat. Da war ihre Junggesellenkammer ja noch die reinste Superabsteige.

      Irgendwann am Tag tauchte der Quartiermeister auf. Er baute sich, mit den Armen in die Hüften gestützt, wichtigtuerisch im Mittelgang auf und verkündete mit lauter, alles übertönender Stimme: »Männer, alle mal herhören, ich sag’s nur einmal. Also, in diesem Raum keinen Alkohol, keinen Tabak, keine Karten, keine Würfel. Es ist verboten eure Kleider zu waschen und hier im Raum zum Trocknen aufzuhängen. Keine Waffen, wer welche hat, abgeben. Er bekommt sie bei der Ankunft wieder zurück. Einer meiner Leute wird nachprüfen, dass meine Anordnungen befolgt werden, sonst .....« Er ließ offen, was er mit „sonst“ vorhatte.

      »Ich erwarte, dass jeden zweiten Tag euer Boden mit Wasser und Seife von euch gesäubert wird. Teilt euch selbst dafür ein. Das gilt auch für die Toiletten und den Waschraum. Fragt nach Eimern und Putzzeug.«

      Er war auf dem Weg nach oben, als er sich noch einmal umdrehte. »Ach ja, wir haben eure Kojen alle vor dem Ablegen von einem Kammerjäger säubern lassen. Wir sind ein reinliches und komfortables Schiff. Sollte es Läuse oder Wanzen geben, sind die von euch, dann habt ihr das mit euch selbst auszumachen. Findet den Übeltäter. Und da wäre noch etwas ganz Wichtiges. Vor einigen Wochen war auf einem anderen Postdampfer mitten auf dem Atlantik Cholera ausgebrochen. Ich kann euch versichern, das war eine verdammt schlimme Seuche, eine furchtbare Krankheit. Ihr müsst unbedingt melden, wenn einer von euch nicht mehr von der Latrine weg kommt und kotzt. Das hat nichts mit Seekrankheit zu tun. Also alles Auffällige sofort an den Kapitän!«

      Er sprach nur Deutsch, unverkennbar mit hamburgischem Akzent. Es war wohl für ihn selbstverständlich, dass jeder an Bord seine Sprache verstand. Dabei waren alle europäischen Nationen vertreten; na ja, so ziemlich alle im Einzugsbereich der Deutschen Lloyd. Neben den Deutschen waren es vor allem Skandinavier, Polen und Tschechen, neben ein paar Schweizern, die sich der deutschen Schifffahrt anvertrauten. Natürlich waren da auch noch die Franzosen, die in Le Havre zugestiegen waren.

      Schon in der Nacht wachte Cornelius auf. Das Schiff rollte bedenklich. Instinktiv hielten seine Hände links und rechts die Matratze umklammert. Er verkroch und presste sich in die weiche Mulde und fühlte sich plötzlich in seinem, wie er noch vor kurzem dachte sehr eigenartigen Bett sicher und geborgen. In der Dunkelheit wirkte das Ganze noch bedrohlicher. Um ihn herum hörte er Stöhnen und Jammern. Ein unerträglicher Gestank verbreitete sich im Raum. Er konnte sich denken, woher der kam, was die Lage auch nicht angenehmer machte. Ihm war zwar auch nicht besonders wohl, aber doch einigermaßen befindlich, denn viel hatte er seit dem letzten Tag nicht in den Gedärmen, außer etwas Brot, einem Apfel, Tee und viel Wasser, das es umsonst gab.

      Die See hatte sich am nächsten Tag einigermaßen beruhigt, aber die meisten blieben in ihren Kojen, umgeben von ihrer nächtlichen 'Orgie'. Die es am übelsten getroffen hatte, waren so apathisch, dass sie das Desaster um sich herum kaum wahrnahmen. Die Übrigen hatten um so mehr darunter zu leiden.

      Ein Matrose schaute in den Raum und stellte zwei große Eimer Sägespäne an die Tür. »Stinkt ja fürchterlich hier! Da, verteilt das Holzmehl auf dem Boden und in euren Kojen. Das saugt alles auf und ihr könnt es danach zusammenfegen. Ist ein probates Mittel, das könnt ihr mir glauben. Wenn ihr noch Kalk zum desinfizieren braucht und um den Gestank hier schneller weg zu bekommen, dann meldet euch.« Damit drehte er sich um und überließ sie ihrer Misere.

      Am Heck des Schiffes gab es ein paar Meter, wo man ins Freie treten und frische Luft schnappen konnte. Von einem Promenadendeck war keine Rede. Aber man konnte dem Mief der Unterkunft für eine Weile entkommen und hoffen, dass irgendwann die großen Ventilatoren erfolgreich waren. Cornelius trat nach draußen und musste sich sofort an der Reling festklammern, so heftig blies der Wind. An den zwei Masten blähten sich die Segel, der Wind half Kohle zu sparen. Er atmete tief ein und aus und beobachtete die hohen Wellen, die sich im Kielwasser hinter dem Schiff aufbäumten. Unbemerkt war jemand hinter ihn getreten und legte den Arm um seine Schultern. Eine solche Vertrautheit war Cornelius nicht gewohnt. Es war Jakob. Er hatte einen Regenmantel an und eine ausladende Kappe fest über die Ohren auf den Kopf gezogen. Er war besser für das Wetter gerüstet als Cornelius, der sich zitternd gegen den Wind stemmte.

      »Du solltest lieber wieder hereinkommen, du kriegst noch eine Lungenentzündung. Hast du nichts Wärmeres dabei?« Cornelius war noch immer nicht bereit seinem neuen Bekannten zu eröffnen, dass er eigentlich auf dem Weg in die Tropen war und überhaupt nicht in Erwägung gezogen hatte, dass es zwischen Abreise und Ankunft auch brachial kalt werden konnte.

      »Komm, lass uns in die Kantine gehen, vielleicht finden wir Platz auf einer Bank. Ich glaube, im Augenblick sind nicht zu viele Leute unterwegs. Die meisten sind seekrank. Es wird kaum jemandem der Kopf danach stehen, sich den Bauch vollzuschlagen. Du kannst deinen Tee trinken und ich warmes Wasser. Wenn ich nur meine Schwester auch zu uns bitten könnte, aber man lässt mich nicht zu ihr durch.«

      Ein Topf mit noch heißem Wasser stand tatsächlich auf dem bereits erloschenen Herd. Cornelius teilte selbstverständlich seinen Teeaufguss mit Jakob. Jemand hatte ein paar Stückchen Zwieback auf dem Tisch liegen lassen, den sie sich großzügig einverleibten. Jakob schien die raue See auch nichts anzuhaben.

      Cornelius fand es an der Zeit und eine gute Gelegenheit, mit seinem Kojen-über-den-Gang-Nachbarn etwas zu schwatzen. »Also du bist Gärtner? Ein echt

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