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Vernunft predigen oder trickreich motivieren müssen? Vertrauen stärken (statt Kontrolle), dass Menschen auf für sie passenden Wegen sich gerne und freiwillig fortbewegen, ihnen dabei mit Freude zusehen dürfen, ihre (Fort-)Schritte beobachten, das wäre wie Tauwetter nach einem strengen, lange andauernden „pädagogischen Winter“. Dennoch gilt: kein Aufbruch ohne Zielvision – zu frühe, ungeduldige Blüten halten dem Frost nicht stand oder bringen keine Frucht hervor. Ein „erfolgreicher Frühling“ braucht gutes Timing und bedarf der entschlossenen, couragierten, mitverantwortlichen und demokratischen Beteiligung aller Blüten.

      Die Demokratie bejahen, heißt davon Gebrauch machen und machen lassen. Eine von durchgängiger Reglementierung und autoritärer Verordnung von Bildungskonzepten geprägte Bildungs-„Kultur“ hat mit demokratischen Verhältnissen nichts gemein. Der Pädagoge, dem die Befähigung seiner SchülerInnen, demokratische Prinzipien anzuwenden und diese zu verinnerlichen, am Herzen liegt, muss diese zunächst einmal dazu anleiten, den eigenen Verstand zu gebrauchen. Wer schließlich beginnt, im Sinne demokratischer Erziehung zum kritischen Hinterfragen eingewachsener Strukturen und Muster zu ermutigen und eigenständige Denk- und Entscheidungsprozesse zu fördern, der kann am Ende des Tages nicht wieder zur alten Agenda übergehen. Erziehung zur Demokratie braucht das gelebte Vorbild, kein sinnentleertes, inhaltsloses Lehrstück, der bloßen Erkenntnis willen ohne Fortsetzung in einer reellen „Performance“.

      Im Vergleich

      „Der Vergleich macht Sie sicher“ – so lautete einst ein Werbeslogan. Der Vergleich dient der eigenen Standortbestimmung und wird, noch bevor wir ihn selbst praktizieren können, von anderen an uns vorgenommen. Er beginnt spätestens mit Eintritt in eine öffentliche Institution, meist jedoch schon früher. Da wir dazu neigen, uns „nach oben“ zu vergleichen, das heißt mit jenen, die mehr haben, können, sind usw., schneiden wir zwangsläufig schlecht ab. Für viele ist der Vergleich möglicherweise ein Ansporn für eine Steigerung oder Verbesserung von … was auch immer. Daraus zugleich eine Erhöhung der persönlichen Zufriedenheit abzuleiten, ist ein (Trug-)Schluss, der immer nur für den Augenblick gültig sein kann. Weil schon im nächsten Augenblick ein erneutes Vergleichen, diesmal auf noch höherem Niveau erfolgt, vermehrt sich schließlich nicht die Zufriedenheit, sondern das Leid. Damit ist der Vergleich für viele der Beginn lebenslangen Leidens, basierend auf der wiederholten Erfahrung des Nicht-Genügens, des Nicht-gut-genug-Seins, der Unzulänglichkeit und gefühlten Minderwertigkeit. Denn dass sich der Vergleich nur auf der „Haben-Seite“ gut anfühlt, steht wohl außer Frage. Und obwohl wir einzigartig und damit unvergleichlich sind, vergleichen wir uns so ziemlich in allem: Wissen, Können, Denken, Haben, Sein… – und gehen dabei meist von absoluten Vergleichsmaßstäben aus. Aber auch wenn wir in Relation setzen, werden wir anderen und uns selbst nicht gerecht. Am Ende des Schuljahres lobte ein Lehrer einen schwachen Schüler vor der Klasse, dass er, trotz mangelhafter Leistung, im Vergleich zu den Mitschülern die größten Fortschritte seit Schulbeginn gemacht hatte. Dieses durchaus ernst und gut gemeinte, als positive Verstärkung gedachte Lob zeigt, wie sehr uns die Überzeugung, man könne etwas nur mittels Vergleich angemessen würdigen, in Fleisch und Blut übergegangen ist. Bezugspunkt ist zudem ein Mangel, als Maß für den Erfolg gilt die Verringerung des Leistungsrückstands (genau genommen ein Relativieren „nach unten“, das weder den Gelobten noch die im Verhältnis weniger erfolgreichen „Vergleichsobjekte“ gut dastehen ließ, auch wenn dies bestimmt nicht die Absicht des Lehrers war.)

      Vergleich wirkt eher trennend als verbindend und entfacht Eifersucht und Neid. Als ob die Stärken anderer den Wert der eigenen Stärken mindern würden oder mit diesen konkurrieren müssten, enthalten wir einander nicht selten Anerkennung vor. Sich ehrlich zu freuen über Erfolge anderer, die Fähigkeiten anderer angemessen und vor allem neidlos zu würdigen, gelingt nur jenen, die sich in ihrem Anderssein wertvoll und gleichwertig fühlen. Unser Selbstwert steigt oder fällt, je nachdem wie wir, egal ob nach subjektiver Einschätzung oder „objektiven“ Vergleichskriterien, im Vergleich zu anderen abschneiden. In einem Umfeld, in dem Menschen permanentem Verglichen-Werden ausgesetzt sind, da stehen „Gewinner“ und „Loser“ einander gegenüber und gegenseitige Abwertung und Demütigung oft an der Tagesordnung. Die Folge ist: Wer klein gemacht wird und sich klein fühlt, macht zur eigenen Erhöhung andere klein – Fortsetzung folgt…

      In einer gewinn- und leistungsorientierten Vergleichsgesellschaft wird der Wert von Menschen am ökonomischen Nutzen bemessen das heißt, der „menschliche Marktwert“ orientiert sich an der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von Fähigkeiten. So verkommt die Aussage, dass jeder etwas gut könne, zur hohlen Phrase. Für jene, für deren Fähigkeiten man institutionell (Schule) oder ökonomisch (Arbeitsmarkt) keine Verwendung findet, ist das mitunter der Beginn einer Leidensgeschichte, die, wenn überhaupt, erst dann erkannt wird, wenn sich der Schmerz in Form von Wut nach außen hin entlädt und andere in Mitleidenschaft zieht (sh. Amoklauf, Fremdenhass/ Rechtsextremismus…).

      Worin also besteht die Sicherheit, die wir im Vergleich zu finden meinen und die uns so wichtig erscheint, dass wir nicht vom Vergleichen lassen können? Natürlich, der „Mainstream“ bietet Orientierung und im Trend oder Normbereich zu liegen vermittelt ein Gefühl der Zugehörigkeit. (Sich von anderen abzuheben und damit aus der „Norm“ zu fallen, findet bestenfalls Anerkennung im Rahmen bestimmter Ressorts, die der Allgemeinheit zugute kommen, wie Wissenschaft und Forschung oder Sport.) So können wir uns stets einordnen im Hinblick darauf, wo wir stehen und uns dabei an einem fiktiven Durchschnitt orientieren. Was ursprünglich zu unserer Sicherheit und Orientierung gedacht war, bedingt jedoch nicht selten eine soziale Anpassung und Angleichung um den Preis der Selbstverleugnung (Selbstverrat), Selbstaufgabe oder „Selbstreduktion“.

      Der in den Menschenrechten verankerte, oft missachtete Grundsatz der Gleichheit aller Menschen an Wert und Würde, würde erst mit dem Ende des vergleichenden Bewertens und einem Gleich-Würdigen aller Fähigkeiten zur gelebten Wirklichkeit. Wir mögen ehrlichen Herzens von Individualisierung reden und uns bemühen, dem einzelnen gerecht zu werden – solange wir Unvergleichliches sowie Unvergleichbare in Formen zwängen, um sie vergleichbar zu machen, betreiben wir Selektion auf höchstem „Niveau“. Solange wir einem System huldigen, das nach dem Prinzip besser – stärker – leistungsfähiger operiert und Standards zur Objektivierung ersinnt, beteiligen wir uns an einem Wettbewerb, der einige Gewinner, aber ebenso viele oder mehr Verlierer produziert. Mit dem Anlegen überdenkenswerter gesellschaftlicher Normen und Maßstäbe, versagen wir vielen ihre rechtmäßige soziale Teilhabe und Zugehörigkeit. Und nachdem immer alles für alle gilt, beschneiden wir uns damit auch selbst in unseren Entfaltungsmöglichkeiten und verwehren einander das Recht auf Individualität. (Wie viele von uns wären möglicherweise in anderen Berufen gelandet, hätte man uns schon in der Schule freie Entfaltung all unserer besonderen Fähigkeiten zugestanden?)

      Nachsatz:

      Es wäre bestimmt illusorisch zu meinen, wir könnten den Vergleich aus unserem Leben verbannen und im sozialen Umfeld vollkommen auf uns selbst bezogen bleiben. Dies ist auch gar nicht nötig. Die Medaille hat wie immer eine – in diesem Fall positive – Kehrseite: Da, wo der Vergleich motiviert durch echtes Interesse an anderen zustande kommt und sich mit der Bereitschaft verbindet, von ihnen zu lernen, dient er eher einem beziehungsförderlichen Austausch als konkurrenzverhaftetem Bewerten. Anderen konkurrenz- und neidlos in die „Töpfe“ zu schauen, um dazuzulernen oder gar zu kooperieren, hat eine soziale Orientierungsfunktion und Kommunikationswert und ist damit Teil einer „bekömmlichen“ Persönlichkeitsentwicklung.

      Spiegelbild und Schattenspiel

      

      „Was geschieht, bist du.“ F. Dürenmatt

      Als ein Schuldirektor in einer Konferenz, in der sich einige Kollegen über das als inakzeptabel bewertete Verhalten einiger Schüler Luft machten, meinte „Unsere Schüler spiegeln uns!“, reagierten manche mit stiller Betroffenheit, andere mit lauter Empörung. Aber wie wir es auch empfinden:

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