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am anderen Ende der Leitung.

      „Nein, nein, alles beim Alten. Und dazu kommt, dass Flora schon einmal eine Geburt hatte, damals ging alles glatt.“

      „Also ist sie keine Anfängerin mehr.“

      „Genau“, bekräftigte die Pflegerin vom Amalienhof. „Ich mache mir Vorwürfe. Haben wir irgendetwas falsch gemacht? Ich bin nur kurz rausgegangen, weil ich mich um die kürzlich operierte Hündin kümmern musste. Ich bin heute alleine hier und sie hat so laut gebellt.“

      „Aber nein“, unterbrach sie die Kollegin. „Hör´ mal, wir tun alle, was wir können. Aber mit so vielen Ehrenamtlichen und noch dazu, wo wir auf Spenden angewiesen sind. Wir können nicht überall gleichzeitig sein.“

      „Ich ruf´ mal bei unserem Tierarzt an, vielleicht weiß der etwas.“

      Die Kollegin seufzte. „Wenn du meinst, aber glaub´ mir: Du hast alles richtig gemacht. Sei doch froh, dass der Kater sich des kleinen Wesens angenommen hat.“

      „Das ist allerdings wahr“, antwortete die Tierpflegerin und lachte erleichtert. „Seit über zehn Jahren bin ich hier, aber so etwas habe ich noch nicht gehört, geschweige denn erlebt. Was für ein Glück, dass er es nicht tot gebissen hat.“

      Die Tierpflegerin sprach mit dem Tierarzt des Amalienhofes. Doch weder der noch sein Kollege konnten sich die Frühgeburten und das ungewöhnliche Verhalten der Katze Flora erklären.

      Die Pflegerin hielt dem Kätzchen wieder einen Milchfinger vor das Maul. Der kleine Schwarz-Weiße drehte seinen Kopf zur Seite. Robin nahm ihn ins Maul und legte ihn so, dass er mit der Nase an den Finger stieß. Der Welpe schnaubte und begann, an dem Finger zu nuckeln.

      Robin hatte schon viele Geburten gesehen, doch noch nie hatte er eine Katze erlebt, die sich nicht um ihre Jungen kümmerte. Das war nicht normal.

      Von Freund zu Feind

      Mit steifen Beinen stand er auf dem Bürgersteig. Vor ihm versperrte Mankowski den Weg nach Hause. Robin sah ihn nicht oft. Aber wenn er ihn sah, endete es jedes Mal mit einer Flucht seinerseits in das nächste Gebüsch oder auf den nächstbesten Baum. Der Mann hob seinen Gehstock und schimpfte:

      „Da bist du wieder, du Biest. Ihr grabt meine Beete um, ihr bepinkelt und verätzt meine Rosen, ihr jault nachts, und ich kann nicht schlafen!“

      Robin machte einen Buckel und stellte seinen Schwanz steil auf. Dann sträubte er seine Haare entlang des schwarzen Haarstreifens auf seinem Rücken und seinen grau-schwarz getigerten Schwanz machte er buschig wie einen Staubfeudel. Er knurrte. Mit diesen Drohgebärden hatte er bisher jeden Rivalen in die Flucht geschlagen.

      „Was? Willst du etwa frech werden?“ Der Alte schrie auf Robin ein und ging einen Schritt auf ihn zu. Kein anderer Kater, den Robin kannte, hielt so lange einem schreienden Menschen stand. Als der alte Mann mit erhobenem Stock auf Robin zukam, war es auch ihm zu viel. Er machte aus dem Stand einen Sprung, drehte sich um 45 Grad in der Luft und rannte in weiten Sätzen auf den großen Kastanienbaum zu, der in dem Garten des Hauses stand, das seit einiger Zeit sein Zuhause war. Mit einem gewaltigen Satz landete er einen Meter hoch an dem dicken Stamm und kletterte bis zum ersten Ast. Seine Vorderbeine hatte er dabei breit ausgefahren, als wollte er den Stamm umarmen. Mit den Hinterbeinen stieß er sich immer wieder kräftig ab. Dann sprang er von Ast zu Ast, bis er auf den Balkon des vierten Stocks springen konnte. Vor der Balkontür setzte er sich hin, hob die rechte Vorderpfote und klopfte an.

      Durch die Scheibe sah Robin, wie Johanna Schöning mit einem Geschirrtuch über der Schulter aus der Küche kam. Sie lächelte, als sie ihn erblickte und öffnete die Balkontür. Robin wollte in die Küche laufen. Da fiel ihm ein, dass er sich noch nicht gedrückt hatte. Drücken mochten seine Besitzer besonders gerne. Also lief er zurück und drückte sich an Johannas Beine. Sie beugte sich hinunter und streichelte über seinen Rücken. Das wiederum mochte Robin gerne. Er buckelte der streichelnden Hand entgegen.

      Das Telefon klingelte. Johanna lief in den Flur, Robin in die Küche. Es war Zeit fürs Abendessen. Er spähte in die Ecke hinter der Tür, wo seine Fressnäpfe normalerweise standen. Nichts. Robin hob den Kopf und schnüffelte. Er roch Fisch. Johannas Stimme kam immer noch aus dem Flur. Es war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, auf die Arbeitsplatte zu springen. Nicht, dass es zu hoch wäre. Es war verboten. Deshalb tat er es nur, wenn niemand seiner Besitzer in der Nähe war. Sein Magen war leer, die Maus war ihm vorhin entwischt. Zwar hatte er sie schon zwischen seinen Zähnen, schlaff hing sie in seinem Maul, der Kopf zur einen Seite heraus, der Schwanz zur anderen. Doch als er sie absetzte, um ihr den Kopf abzubeißen, war sie plötzlich auf und davon geflitzt.

      Mit einem Satz war Robin auf der Holzplatte. Dort lagen drei Forellen auf einem Teller. Der Kater schnappte sich eine und wollte mit ihr unter dem Tisch verschwinden.

      „Oh nein!“, rief Johanna, die just in diesem Moment in die Küche kam. Sie schwenkte das Geschirrtuch.

      „Gehst du da runter!“, rief sie noch lauter, als Robin nicht von dem Fisch lassen wollte. Das Tuch sauste auf sein Hinterteil nieder. Es tat nicht weh, aber es war unangenehm. Er ließ den Fisch Fisch sein, sprang von der Arbeitsplatte und setzte sich in die Mitte der Küche. Er hatte Hunger und Johanna war sauer. Wenn sie sauer war, gab es kein Futter. Also musste er Johanna versöhnen, damit er sein Abendessen bekam. Er begann zu schnurren. Johanna ignorierte ihn und spülte die Fische unter dem Wasserhahn ab. Robin ging zu ihr und presste sich an ihre Beine. Johanna schob ihn zur Seite und trocknete den Fisch mit einem Papiertuch ab. Robin war einen Schritt weiter. Wäre sie noch sehr ärgerlich, würde sie ihn aus der Küche verbannen. Er warf sich auf den Küchenfußboden, der dank der Fußbodenheizung warm war, und rollte sich hin und her. Dann streckte er sich und miaute auffordernd. Johanna grinste. Robin hatte gewonnen. Zum Abendessen gab es für ihn Forelle mit Gartenkräutern.

      Eine Stunde später saß Robin drei Stockwerke unter der Wohnung von Schönings in der Braunfelsschen Wohnung im Flur. Hier hoffte er auf einen Nachschlag. Weil Johanna meinte, er sei zu dick, bekam er gerade so viel, dass der ärgste Hunger gestillt war.

      „Ich weiß nicht, Jens“, sagte Elke Braunfels gerade in der Küche.

      „Wieso denn nicht?“, fragte Jens. „Überleg mal: Es ist nicht nur so, dass wir uns um sie kümmern müssen. Sie kümmern sich auch gewissermaßen um uns.“

      „Katzen?“ fragte Elke mit erhobener Stimme. „Wie sollten sich Katzen um uns kümmern?“

      Jens seufzte. „Hör´ mal, meinst du, ich merke nicht, wie du seit … seit damals traurig bist?“

      „Ich kann nichts für die Fehlgeburt“, sagte Elke mit schriller Stimme. „Ich …“

      „Das habe ich doch auch gar nicht gesagt! Mein Gott, schon so oft haben wir darüber gesprochen und jedes Mal enden wir am selben Punkt.“

      Robin ging zur Küche, blieb auf der Türschwelle sitzen und beobachtete das Paar. Jens und Elke bemerkten ihn nicht. Sie schwiegen. Saßen steif am Tisch und starrten sich an. Sie mussten in Kampfstimmung sein, dachte Robin. Wenn er einen Artgenossen derartig anstarrte, lag Spannung in der Luft.

      „Du hast selbst gesagt, dass du dich manchmal alleine fühlst“, sagte Jens in beruhigendem Tonfall. „Gerade mittags, wenn du aus der Blumenhandlung kommst und hier niemand ist, in der Wohnung, meine ich.“

      „Glaubst du, dass mir Katzen Gesellschaft leisten könnten?“ Elke schaute vom Fenster zur Tür. „Ach, wo kommst du denn her?“, sagte sie überrascht und Jens folgte ihrem Blick. Er lachte. „Wenn man vom Kater spricht.“

      „Bestimmt hast du wieder die Balkontür im Wohnzimmer nicht richtig zugemacht“, sagte Elke schnippisch. Jens antwortete nicht, sondern ging zum Kühlschrank und goss Katzenmilch in eine Schale. Robin trank. Die Milch war zwar kalt, aber sie füllte den Magen.

      „Vielleicht hast du recht“, sagte Elke und beobachtete ihrerseits den Kater. „Er hat etwas Beruhigendes. Und wie er mich anschaut. Als ob er verstehen würde, was

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