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Das Gefühl, man muss anderen Menschen wehtun, obgleich man keinen Gewinn daraus zieht. Das Gefühl man entfremdet sich seiner Familie, man lässt Gefühle erkalten, meint, man fühlt sich nur noch in sich selber wohl. Und man weiß trotzdem, dass es eine Irreführung ist.

      Die Ohnmacht, Machtlosigkeit, Hilflosigkeit einem selbst gegenüber, das unbedingte Sich-Beweisen-Wollen, die Perfektion – und das Scheitern daran.

      Ich lebe im Hier und Jetzt, aber mehr noch im Damals, lebe tief in mir drin, lebe in anderen, fühle mit den Hilflosen, fühle mich aber selbst dabei hilflos. Und ich fühle mich immer wieder wertlos. So wertlos.

      Ich weiß, es gibt Menschen, die versuchen, mir dieses Gefühl zu nehmen. Menschen, die nicht aufgeben, die ich immer wieder verletze, die trotz allem nahe bei mir sind. Mich verstehen wollen und können.

      Ich weiß, dass nicht jeder von Euch dieses Glück hat, solche Menschen zu kennen. Umso mehr möchte ich mit diesem Buch einen Weg aufzeigen, eine Richtung vorgeben, eine Idee weitergeben und eine – noch nicht abgeschlossene – Geschichte erzählen, wie es aussehen könnte:

      Wie ein Leben aufrechterhalten werden kann. Wie man in den ganz kleinen Dingen Mut finden kann, wie schön es sein kann Dankbarkeit zu empfinden. Genauso findet ihr hier auch die größten Abgründe, die Todesgedanken, das Aufgeben. Ich möchte Euch bitten, mit dabei zu sein, wenn es in diesem Buch um mein Leben geht. Vielleicht könnt ihr euer Leben dadurch um dieses oder jenes bereichern.

      Mein unendlicher Dank gilt hierbei Giorgio, meinem damaligen Schutzengel, meinem Bewahrer (oft vor mir selbst), meinem Behüter, meinem ehrlichen (immer wieder von mir ungehörten, oft unbequemen) Ratgeber. Ich wünsche einem jeden von euch diesen Schutz, diese Obhut.

      Desgleichen gilt mein Dank meinem Sohn und meinem Lebensgefährten. Für die endlose Geduld, die sie mit mir hatten und haben, und für ihre mich stabilisierende Bodenständigkeit. Ihr beide seid mein Leben, seid meine Prellböcke für die ewigen Borderliner-typischen Stimmungsschwankungen. Sollte ich einen von Euch mal verletzt haben, bitte ich um Vergebung. Ich liebe Euch!

      Hier muss ich nun noch einige Menschen erwähnen, die mir in den bisher schwierigsten Phasen meines Lebens zur Seite standen und zum Teil noch stehen:

       Dr. Christiane K. (Psychotherapeutin):

      Sie sind die wunderbarste Frau, der ich je begegnet bin. Ich bin froh und unendlich stolz, Sie kennengelernt haben zu dürfen. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, Sie einmal in einer vielleicht anderen Lebenssituation zu treffen. Sie haben meinen Respekt und auch meine Liebe, solang man diese nach einer solch kurzen Zeit in einem Patient-Therapeuten-Verhältnis so bezeichnen kann. Sie sind ganz besonders! Sie sind erstaunlich!

       Dr. Boris K.(Oberarzt Psychotherapie):

      Der ewige Junge, der emotional so agile und intensive Therapeut. Die Sitzungen bei Ihnen habe ich, trotz Angst, immer sehr genossen.

      Sie konnten mich verstehen, haben mich wirklich ernst genommen und alles in Ihrer Macht stehende getan. Ich danke Ihnen, auch für die unterhaltsamen Momente. Und bitte, verzeihen Sie mir den 11. Januar 2011. Bitte. Ich musste Ihnen doch beweisen, was man aus Liebe tun kann... tun muss... manchmal...es tut mir leid...

       Dr. Martin H.(Assistenzarzt):

      Sie sind ein sehr intensiver Mensch. Sie waren noch voller Optimismus, voller Freude für den Dienst am kranken Menschen. Sie waren so motiviert; Sie hatten Ihre eigene Welt, in der Sie Menschen wie uns helfen würden. Ich habe von Anfang an geglaubt, dass Sie das können. Ich bin überzeugt davon, dass Sie an das Gute im Menschen glauben. Ich danke Ihnen, dass Sie mein Herz und meine Seele berührt haben. Ich danke für Ihr Vertrauen und wünsche mir von ganzem Herzen, Sie noch einmal wiedersehen zu dürfen!

       Dr. Michael S. (Dipl.-Psych., Arzt für psychologische Psychotherapie):

      Ich weiß, dass Sie mich verstehen und es gab mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass Sie mich zu 100% ernst nehmen. Wichtig war mir Ihr Handschlag. Er tat mir gut und war eine Art Verbindung zur äußeren Welt für mich. Was soll´s, Sie sind ein hervorragender Psychotherapeut. Jedoch bekam ich nicht mehr die Chance, weiterhin mit Ihnen zu arbeiten. Also bin ich wieder auf der Suche...

      Barbara B. (Suchttherapeutin):

      Sie tauchten auf zu einer Zeit, in der ich haltlos und müde war. Bis dato sprechen Sie mit mir, geben mir Gelegenheit, mich auszusprechen, während ich auf die Langzeittherapie warte.

      Ich danke Ihnen so sehr für Ihr Engagement und Ihre Zugewandtheit!

      Ihr alle habt meinen Respekt und meinen endlosen, tief empfundenen Dank.

      Ohne Euch wäre dieses Buch nie geschrieben worden.

      - 01. Januar 2015 -

      Der Versuch einer Einführung

      „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen...“ Antoine de Saint Exupéry

      Es ist ein grauer, verregneter Nachmittag. Kalt und ungemütlich.

      Luna startet ihren PC. Das dauert eine längere Zeit, während dieser sie sich einen dreifachen Cognac eingießt und in einem Zug herunter kippt. Mit den Fingern trommelt sie ungeduldig auf den Schreibtisch. Sie fühlt eine extreme Unruhe in sich, ein Unwohlsein, das sie so nicht kennt.

      Mit der Maus wandert sie die Favoriten-Leiste entlang, bis sie den Doppelklick auf das Angstforum macht. Sie loggt sich ein mit einem Nick, den sie für sich selbst sehr lieb gewonnen hat. Gestern hat sie sich noch ein zweites E-Mail-Account eingerichtet. Nur vorsichtshalber. Um chatten zu können. Sie hat Giorgio allerdings gesagt, dass sie nicht chattet, kein Verlangen danach hat. Sie findet es unnötig und unbefriedigend. Trotzdem, nur zur Sicherheit, hat sie dieses Konto aktiviert. Es ist unmöglich, dass auf diesem Account Mails für sie angekommen sind, denn keiner kennt diese Adresse bisher. Aber sie möchte es sich trotzdem ansehen. Ein wenig angstvoll erwartet sie die Frage nach dem von ihren gewählten Benutzernamen und gibt ihn dann schnell ein:

      Sorella di Luna. Schwester des Mondes.

      Dieser Name geht weit zurück, als Luna 13 Jahre alt war. Sie hat die Platten der Gruppe Supertramp rauf und runter gehört. Sie hat viele Lieblingslieder, eines davon ist „Sister Moonshine“. Giorgio machte daraus „Sorella di Luna“.

      Luna ist in Gedanken bei Giorgio, der das wohl mehr als eine weitere Möglichkeit der Kommunikation vorgeschlagen hatte, ohne Verpflichtung zur Benutzung, nur als Angebot. Und sie ahnt die Tragweite nicht, weiß noch lange nicht, was in ihr tief verschüttet ist, wohin sie dieser Name, den sie gewählt hat, führt: Sorella di Luna.

       Luna schreibt:

      „Ich habe ihn verachtet. In den Tiefen meiner Seele. Er passte nicht im Entferntesten zu den ethischen Maximen meines Empfindens. Ich habe es genossen, missbraucht zu werden, habe das Dunkle, die Zweifel, das Schlechte genossen. Habe es genossen schlecht zu sein, wenn ich ihn im Schlechten unterstützt habe. Habe die Brutalität, das Falsche, die Gewalt genossen. Habe sie gebraucht. Er war Aidan, er kam aus Irland.

       Daraus habe ich Empfindungen gezogen, Inspiration, SEIN!

       Weißt Du jetzt, warum ich Schuldgefühle habe? Ich bin nicht besser als er. Habe alles missachtet, was ich mir selber aufgezwungen habe, was ich immer für richtig und wertvoll hielt. Ich habe MICH SELBER verraten.

       Weißt Du jetzt, warum ich schuldig bin? Weißt Du es JETZT?“

       Giorgio antwortet:

      „Nein, ich weiß überhaupt nichts von Dir, ich habe überhaupt nichts von Dir erfahren! Was Du mir da sagst, ist doch gequirlte Scheiße! Entschuldige den harten Ausdruck, aber der ist hier wirklich angemessen...

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