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in meinem Forschungsbericht.

      Auch meine institutionelle Einbindung lässt meine Forschung und meinen Text politisch werden. So beeinflusst mein Ziel, aus dieser Forschung eine Doktorarbeit zu schreiben und mich damit im Feld der deutschen Tanzwissenschaft zu platzieren die Dringlichkeit, genug „Material“ zu sammeln, lenkt meinen Blick auf theoretische Anbindungsmöglichkeiten und kann dazu führen, dass ich Dinge ausgeklammert habe, die nicht zielführend wirkten. Ich bin Wissenschaftlerin und die Qualität meiner Arbeit hängt davon ab, dass ich eine Metaebene einnehme und meine Erfahrungen und Beobachtungen so strukturiere, dass sie sich an Diskurse und theoretische Fragestellungen anbinden lassen. Daraus resultiert ein bestimmter Forschungsblick. Außerdem bin ich durch Diskurse zu Tanz, Kultur und Ästhetik, die zu einem großen Teil dem „Westen“ zuzuordnen sind, geprägt. Darüber hinaus war ich selbst noch nie in Afghanistan und Japan, in China und der Elfenbeinküste.

      Auch meine Arbeitssprache ist politisch, ich schreibe auf Deutsch und schließe damit den Zugang einiger Personen, die an den Projekten beteiligt waren und um die es in dieser Arbeit auch geht, aus. In den Forschungsprozessen bin ich so nah wie möglich an alle Beteiligten in allen Projekten herangegangen, um Interviews und Gespräche zu führen. Durch Sprache, durch das Anknüpfen an die gleichen Diskurse oder durch ähnliche Ausbildungen fiel mir das meistens bei den in Deutschland lebenden Personen leichter: Oft hatte ich das Gefühl, nicht die richtigen Fragen zu stellen in Interviews mit PerformerInnen aus China oder der Elfenbeinküste.

      Auch die Auswahl meiner untersuchten Projekte muss sich einer kritischen Perspektivierung unterziehen: So habe ich nur Projekte ausgewählt, die ihren konzeptionellen Ausgangspunkt in Deutschland setzten. Das schließt Arbeiten aus, die in anderen Settings initiiert und produziert wurden. Neben dem forschungsökonomischen Gesichtspunkt, mich auf ein Feld, das mit ähnlichen Parametern operiert, einzugrenzen, entzieht sich die Wahl dieses Forschungsfeldes aber auch dem Diskurs der ethnographischen Untersuchung des „Anderen“ und bricht so mit einem kolonialgeschichtlich gefärbten Vorgehen der Ethnologie. Denn ich richte den Blick auf Mechanismen, Strategien, die einerseits meinen eigenen Wirkungskreis darstellen und sich auch im Feld derer bewegen, die diese Arbeit rezipieren.

      Um all diese Selbstpositionierungen, Grenzen und Verortungen mitlaufen zu lassen, reflektiere ich an den Stellen, an denen es mir sinnvoll erscheint darüber, wie ich zu welchen Forschungs- und Interpretationsschritten gekommen bin.

      An den Stellen, an denen es mir möglich ist, stelle ich offene Fragen danach, wie eine Interpretation woanders aussehen würde, das heißt danach, was wohl von den Projekten in verschiedene Regionen zurück verteilt wird, welche Bedeutungsverschiebungen, Statusveränderungen, Neuformierungen von Diskursen möglich wären. Nach vielen Kapiteln setze ich immer wieder ein Unterkapitel „Positionswechsel“, in dem ich jeweils die vorgehende Argumentation noch einmal von einer anderen Warte aus neu reflektiere oder erweitere.

      Ein Problem bei der Forschung in öffentlich präsenten Projekten ist, dass ich – wie es sonst in ethnographischen Arbeiten Brauch ist – meine InterviewpartnerInnen nicht anonymisieren konnte. Anonymisierung verhilft zu Unverfänglichkeit, auch delikate Zitate und Positionierungen können herangezogen werden, um Brüche und Widersprüche aufzuzeigen ohne einzelne Personen zu diffamieren oder bloßzustellen. Durch die öffentliche Präsenz und die Bekanntheit der einzelnen beteiligten Personen wäre Anonymisierung unmöglich. So gibt es viele Zitate, Beobachtungen etc., die ich in dieser Arbeit nicht ansprechen werde, weil sie mir beispielsweise zu persönlich erscheinen.

      2.3 Analyseschritte und Interpretation

      Für die Analyse und Interpretation der Datensätze habe ich verschiedene Methoden aus dem Kanon der qualitativen Datenanalyse kombiniert. Ich gehe bei diesem Prozess ganz grundsätzlich von einer Herstellung von Validitäten (im Gegensatz zu einer Validität) beim empirischen Forschen durch verschiedene methodologische Herangehensweisen aus. Die Kulturwissenschaftlerin Paula Saukko schlägt eine Kombination verschiedener methodologischer Zugänge vor: (1.) Das Bestimmen von Erfahrung einzelner Personen, (2.) eine dekonstruktivistische Perspektive, die bestehende Diskurse und Praktiken in Frage stellt und (3.) einen Fokus darauf, dass alle Phänomene der Forschung in größeren (sozialen, globalen) Zusammenhängen situiert sind.{69} Um mit den vielen verschiedenen Datensätzen zu arbeiten, habe ich mich für induktive Verfahren entschieden, die hauptsächlich aus dem Repertoire der grounded theory{70} stammen, um die jeweiligen Stimmen, Situationen und Erfahrungen, die mit den einzelnen untersuchten Projekten einhergingen, unterschiedlich zu lesen und zueinander in Bezug zu setzen. So konnte ich zum einen ihre jeweilige Spezifik herausarbeiten, zum anderen der Falle entgehen, meine eigenen Vorannahmen unhinterfragt in den Daten bestätigt zu sehen. Gleichzeitig habe ich Wege getestet, durch das Kombinieren der „Daten“ selbst ein Narrativ für diese Arbeit zu entwickeln. Hierfür habe ich meine Datensätze in drei Schritten bearbeitet. In einem ersten Schritt habe ich die Methode des open codings{71} angewandt, einer Technik bei der assoziativ die einzelnen Bestandteile der Datensätze in Kategorien eingeteilt werden. Hier geht es um einen Prozess des Experimentierens: Eine Kategorie, ein Code wird erstellt und kann wieder verworfen, neu kategorisiert oder aber mit anderen Kategorien zusammengeführt werden. Douglas Ezzy fasst den Prozess des codings folgendermaßen zusammen:

       “Coding is the process of disassembling and reassembling the data. Data are disassembled when they are broken apart into lines, paragraphs or sections. These fragments are then rearranged, through coding, to produce a new understanding that explores similarities, and differences, across a number of different cases. The early part of the coding process should be confusing, with a mass of apparently unrelated material. However, as coding progresses and themes emerge, the analysis becomes more organized and structured. Careful coding allows the researcher to move beyond preexisting theory to hear new interpretations and understandings present in the data.”{72}

      Dieses potentielle Ausweiten bestehender theoretischer Positionen und die hermeneutische Entwicklung und Verwerfung von Kategorien führte beispielsweise zur Entwicklung der Kategorie bodyscapes und zur Generierung der Bewegungstypologie.

      In einem weiteren Schritt setzte ich axial coding{73} ein, eine Methode, durch die vorhandene Kategorien unter Berücksichtigung ihres Kontextes, ihrer Strategien, Prozesse und Konsequenzen betrachtet werden. Hier fließt auch der Analysefokus mit ein, der eher aus dem Methodenbereich der Cultural Studies und besonders der Narrations- und Diskursanalyse herrührt.{74} Hier geht es darum, zu schauen, welche politischen Dimensionen in den Kategorien liegen und auf welche Arten und Weisen Wissen konstituiert wird. Es geht in diesem Analyseschritt also weniger um den Inhalt der Daten als vielmehr um die Strategien, mit denen diese Inhalte generiert werden und an welche Handlungen und Erfahrungen sie geknüpft sind. Gleichzeitig werden Machtgefüge, Interessen und die Situiertheit der InterviewpartnerInnen oder –situationen ebenso mitgedacht.{75}

      In einem weiteren Schritt schließlich setzte ich das theoretical coding{76} ein. In diesem Schritt ging es darum, die entwickelten Codes zueinander in Bezug zu setzen, die Kernerzählungen der Datensätze zu identifizieren und die daraus entstehenden Thesen mit bereits existierenden Theorien in Verbindung zu bringen.

      Diese Analyse fand nicht chronologisch statt, sondern als ein Hin und Her von Festlegungen, Testen und Verwerfen.

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