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      (5.) Im Rahmen des Festivals Theater der Welt 2010 in Mülheim und Essen. Für dieses Festival lud die Kuratorin Frie Leysen ca. 30 Produktionen aus verschiedenen Nationen ein. Im Fokus der Recherche steht hier vor allem das Tanzstück Nijinsky Siam von Pichet Klunchun, einem thailändischen Tänzer, der sich in diesem Stück mit den Einflüssen einer thailändischen Tanzgruppe auf den Tänzer Vaslav Nijinsky im Jahr 1910 auseinandersetzt. Ich habe Pichet Klunchun und seine Kompanie während des Aufenthaltes in Mülheim an der Ruhr betreut und war bei den Endproben im Theater an der Ruhr anwesend.

      (6.) Im Rahmen des Festivals InTransit am Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Das Festival in seiner 2011-Ausgabe beschäftigte sich mit dem Thema spectator, also mit dem Zuschauer. Hier habe ich meine Perspektive eher breit angelegt und das gesamte Festivalprogramm als Forschungsgrundlage angeschaut.

      Diese Projekte stellen somit die Grundlage dieser Arbeit dar und ich werde mich im gesamten Verlauf der Studie auf Situationen aus den Forschungssequenzen rückbeziehen.

      Themenstellungen wie „Migration“ oder „Interkulturalität“ operieren mit Konzepten zu verschiedenen Kulturen und haben als Grundlage, so mein Argument, immer Vorstellungen von Welt und ihrer Ordnung. Sie bewegen sich in Spannungsfeldern wie hier-dort, fremd-vertraut, Nähe-Distanz, Aneignung-Abgrenzung. Damit einher geht zudem immer ein In-Bezug Setzen einzelner Teile von Welt zueinander. Dieses In-Bezug-setzen verstehe ich als einen Herstellungsmechanismus, denn indem Teile von Welt identifiziert und aufeinander bezogen werden, ergeben sich Weltkonstitutionen, die (aus postkolonialer Perspektive) auf ganz verschiedene Arten und Weisen reflektiert werden können.

      In den ethnographischen Beispielen beschäftige ich mich damit, welche Teile von Welt identifiziert werden können und wie diese Teile zusammenhängen. Ausgangspunkt aller Projekte, die ich als Beispiele verwende, ist, dass Räume und Grenzen festgestellt werden können (beispielsweise national oder kulturell markiert) und Bewegungen über diese Grenzen hinweg geschehen (beispielsweise durch einen Auslandsaufenthalt der ProjektinitiatorInnen oder durch Gastspiele). Damit lassen sich die Beispiele mit Kategorien wie Austausch, Kontakt und Bewegung in Verbindung bringen. Deswegen verorte ich die in dieser Studie vorgestellten Projekte in Diskursen zu Globalisierung, sprich in Diskursen von Welt, die über Bewegung und Mobilität vernetzt und verbunden ist.

      Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf das Konzept der Globalität (im Gegensatz zum oftmals im Sinne eines „Sachzwangs“ oder „Naturgesetzes“ verwendeten Konzept der Globalisierung). Hier unternehme ich keine Analyse, die von „objektiven“ oder „messbaren“ weltweiten Bewegungsströmen ausgeht, sondern eine Analyse, die untersucht, wie tanzschaffende Schlüsselpersonen und Institutionen in Deutschland Welt wahrnehmen, klassifizieren und durch Praktiken jeweils spezifische Weltkonstitutionen vollziehen. Globalität bestimme ich als eine imaginative Kategorie, die den Bezugsrahmen herstellt, der durch Diskurse zu Globalisierung geformt ist, auf den sich dann wiederum einzelne Akteure, Situationen, Phänomene über Praktiken beziehen und eine spezifische Form von Welt performativ herstellen.

      Meine theoretisch-methodologische Herangehensweise ist dabei praxeologisch und körperorientiert. Praxeologisch, weil ich den Blick auf Herstellungsprinzipien von Globalität über Praktiken richte, beispielsweise auf Körpertechniken, Probenstrukturierungen, institutionelle Vorgaben und den Entstehungsprozess der Stücke ins Zentrum meiner Analyse stelle. Körperorientiert, weil ich Globalität als (mit)konstituiert durch Kategorien wie beispielsweise Körperpraktiken, Körperdiskurse und Affekt denke.

      Um diese Herangehensweise theoretisch und methodologisch zu fundieren und zu entwickeln, habe ich das von dem cultural anthropologist Arjun Appadurai vorgelegte Globalisierungsmodell der scapes aufgegriffen, das Globalisierung als ein Gefüge verschiedener perspektivischer Landschaften denkt, die jeweils einen eigenen Schwerpunkt haben (beispielsweise mediascapes oder financescapes).{14} Dieses Modell habe ich um die Kategorie der bodyscapes erweitert, um Körper als Kategorie theoretisch zu verankern.{15}

      Appadurais scape Modell operiert mit Bewegung als theoretischer Grundkategorie. Hierin liegt auf theoretischer Ebene das Potential begründet, Statik und Fixiertheit aufzubrechen. Ich möchte mich in dieser Arbeit von einer theoretischen Ausrichtung abgrenzen, die ihren Ausgangspunkt bei einer Analyse von fixierbaren Räumen oder Entitäten nimmt und sie von ihrer „Beschaffenheit“ her denkt. Vielmehr möchte ich den Blick auf Praktiken lenken, die Räume und Ordnungen hervorbringen.

      Indem ich Bewegung als zentrale analytische Kategorie einsetze, lenke ich den Blick auf die Herstellungspraktiken von Globalität.

      Alle „interkulturellen“ Konstellationen werfen immer erst einmal Dichotomien auf, gehen sie doch immer von Entitäten aus, die miteinander in Beziehung stehen. In meiner Forschung bin ich so beispielsweise auf viele Situationen gestoßen, die durch rigide Grenzziehungen zwischen solchen Räumen ausgezeichnet waren, beispielsweise durch die Postulierung von Nationen die miteinander in Bezug gesetzt wurden („Japan“ und „Afghanistan“, „China“ und „Deutschland“), durch Visumsverweigerungen, durch separierte und ethnisch markierte Räume im Bühnenbild oder durch die Herstellung der Kategorien „schwarzer“ und „weißer“ Körper auf der Bühne in Form kontrastiver Gegenüberstellung.

      Hier, so möchte ich argumentieren, entstehen aus den Konstellationen disparater Räume jeweils spezifische Weltkonstitutionen. Ich lenke aber nicht den Blick auf eine Analyse der Räume, sondern stelle über die Verwendung von Bewegung als analytischer Kategorie die Herstellung dieser Räume in den Vordergrund. Bewegung verwende ich hier also im Sinne einer performativen Kategorie und gehe davon aus, dass spezifische Strukturiertheiten von Bewegung spezifische Räume herzustellen. Gleichzeitig reagiert Bewegung auf eine gewachsene Raumkonstellation. Bewegung denke ich so in einem Wechselverhältnis zwischen der Beantwortung von gewachsenen Räumen und Grenzen durch Bewegung einerseits und andererseits einem Verständnis davon, dass Bewegung spezifische Räume performativ hervorbringt.{16}

      Bewegung ist dabei keinesfalls nur auf tänzerische Bewegung bezogen, vielmehr verwende ich sie als analytische Kategorie, die sich auf die verschiedensten Praktiken anwenden lässt – beispielsweise Reisebewegung, Wahrnehmungsbewegungen oder Bewegungen im Bühnenraum.

      Bewegung als analytische Grundkategorie zu verwenden ist aber auch zwiespältig. Zum einen ermöglicht sie ein theoretisches Vorgehen, das nicht mit fixierten Kategorien operiert. Zum anderen muss aber auch der Begriff der Bewegung befragt werden in Hinblick auf eurozentrische oder neoliberale Verortungen. Ich lege in dieser Arbeit einerseits den Fokus auf Bewegung als Herstellungsmoment von Globalität und reflektiere andererseits die spezifische diskursive Verortung von Bewegung mit: Damit einher geht auch, dass ich keinen ontologischen Bewegungsbegriff verfolge, sondern vielmehr situationsspezifisch schaue, welche Form von Bewegung als analytische Kategorie bei den einzelnen Beispielen angewendet werden könnte. In dieser Arbeit verwende ich eine Bewegungstypologie, an der sich die Gliederung meiner Beispiele ausrichtet. Die Typologie umfasst die Kategorien „Lineare Bewegung“, „Stillstand, Stillstellung und Leerstellen“ und „Emergente Bewegungen“. Auch diese Kategorisierung reflektiere ich durch eine genaue Analyse der Beispiele aus meiner Forschung immer auch kritisch mit und lenke dadurch den Blick auf wissenschaftliche Diskurse zu Bewegung und deren mögliche eurozentrische, koloniale Verankerung.

      Ich nehme in dieser Arbeit also eine postkoloniale Perspektivierung vor, die sowohl Herstellungsmechanismen von Welt und ihre potentiellen hierarchischen, kolonial konnotierten Wirkungsweisen in den Blick nimmt, als auch wissenschaftliche Diskurse kritisch beleuchtet.

      Entlang der Bewegungstypologie beleuchte ich, welches Bewegungsprinzip sich in einzelnen Momenten meiner Forschung zu Grunde legen lässt und was das im jeweiligen Kontext bedeutet. Welche Räume ergeben sich durch die jeweilige Bewegungsstrukturierung? Auf welche vorgelagerten Räume wird mit welcher Bewegung geantwortet? Welche Grenzen werden gezogen? Wer zieht diese Grenzen? Wer überquert die Grenzen? In welche Richtung? Warum? Auf welche Art und Weise? Wer überquert sie nicht? Warum nicht?

      Über diese Fragen lassen sich die Projekte in Bezug setzen zu existierenden Diskurs- und Praxisfeldern. Ich kann situativ bestimmen, ob beispielsweise eine Art der Grenzüberquerung koloniale Konnotationen aufweist, ob historisch

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