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Schutz nahm und sich über jede unbotmäßige Äußerung Dorothees erregte.

       Frances war für Fanny wirklich das Kind der Liebe. Der Anblick des Mädchens weckte in ihr alle Erinnerungen an die Wiedersehens-Nacht mit Charles. An die Nacht, die für sie zum Schicksal wurde. Alles, was sie an Liebe, an Sinn für das Schöne und Gute, an Willen und Kraft in sich fühlte, hatte sie diesem Kind mitgegeben.

       Sie wußte, daß Charles bisweilen ungehalten war, weil sie Frances offensichtlich bevorzugte. Mitunter warf er ihr vor, daß sie das Mädchen nicht nur den beiden anderen, sondern auch ihm vorzöge. Derartige Anwürfe ärgerten Fanny; sie revanchierte sich dann prompt mit der Behauptung, daß er seinerseits den kleinen Edward verhätschelte. Lediglich Mrs. Cole verteile ihre Gunst auf alle drei Kinder gleichmäßig.

       Zu diesem stereotypen, halb ernsten, halb scherzhaften Wortwechsel kam es an diesem Abend nicht. Charles Blicke ruhten auf der Erscheinung seiner eifernden Frau, die zu einer reifen Schönheit erblüht war. Selbst nach vierzehnjähriger Ehe übermannte ihn immer wieder das Bild ihrer makellosen Weiblichkeit, ihrer Mütterlichkeit, einer stets geschmackvollen Robe, ihrer Freude an schönen Dingen und ihr verhaltener Zorn, der ein tiefes Rot auf ihr Pfirsichgesicht hauchte.

       So stand sie vor ihm: Lässig in der Gebärde, doch straff in der Haltung. Eine Haltung, die ihr ein fester Körper verlieh, der des Mieders kaum bedurfte.

       Charles ging auf sie zu. Langsam löste er das Brusttuch, barg sein Gesicht im festen, strotzenden Quell der Mütterlichkeit, küßte und liebkoste ihn zärtlich-liebevoll.

       Dann zog er sie auf die Ottomane. Die Wogen des Verlangens und der Lust schlugen zusammen und trugen sie fort in das Land, das Erfüllung verheißt. Stilles Kerzenlicht umspielte die orgiastische Szene.

       Als Fanny und Charles ihre Kleider geordnet und den Salon verlassen hatten, huschte hinter der Portiere vor dem Alkoven ein ungebetener Zeuge elterlicher Intimitäten hervor. Mit bleichem Gesicht, die Hände zu Fäusten geballt, stahl sie sich aus dem Salon — Frances.

       „Cochons”, murmelte sie, „Cochons!“

       „Sie sehen wie immer reizend aus, meine Liebe!“ Lächelnd beugte sich Lord Douglas über Fannys Hand. Dabei streifte sein Blick das tiefe Dekollete, dessen freizügiger Ausschnitt von einem Kragen aus feinster Brüsseler Spitze eingefaßt war und weitgehend zarte Rundungen sehen ließ. Die entblößten Schultern wölbten sich in weichem Schwung zu einem schmalen Nacken, über dem sich dichte, dunkelbraune Locken kräuselten. Ein Paar kostbare, diamantene Ohrgehänge unterstrichen Fannys schönes, ausdrucksvolles Gesicht.

       In diesem Augenblick: trat Sir Anthony Hood, ein alter Freund des Hauses, auf die Gruppe zu, um die Gastgeber der Soiree zu begrüßen.

       Lebhaft wandte Fanny sich dem Ankömmling zu. Lord Douglas genoß auf diese Weise den nicht minder reizvollen Anblick des freigebig entblößten Rückens, dessen zarte, weiße Haut im Licht der vielen Kerzen, die die Halle festlich erleuchteten, matt schimmerte. Wären sie allein gewesen, er hätte der Versuchung, diesen köstlichen, glatten Samt mit den Lippen zu berühren, kaum widerstehen können.

       Als Charles sich ihm zuwandte, gab sich der Lord jedoch den Anschein, als blicke er teilnahmslos in die Halle. Diese war mit Gästen jeden Alters, meist Kaufleuten mit ihren Damen, bekannten Künstlern und einigen Adligen gefüllt — ein buntes Gewimmel. Die Damen waren, bis auf wenige Ausnahmen, stark dekolletiert — die Herren steckten durchweg in reichlich mit Gold bestickten Jacken. Außer zwei Malern und einem Dichter, die mit einer Schauspielerin vom Königlichen Theater in heftigen Disput geraten waren, trugen alle Herren Perücken.

       Jeder in diesem Kreis kannte sich; so war allenthalben eine lebhafte Unterhaltung im Gang. In einer Ecke hatte Mrs. Whiteman, die Gattin eines Juweliers, das Gespräch an sich gerissen. Mit Schmuck überladen, wirkte sie hier deplaciert. Sie verkündete mit durchdringender Stimme, daß ihr Mann aufgehalten sei, weil er einem hochgestellten Kunden noch einen kostbaren Diamanten anzubieten habe.

       Lord Douglas liebte das Milieu dieses Hauses. Es war gediegen, zeugte von erlesenem Geschmack und nicht unbeträchtlichem Reichtum. Mit Charles verstand er sich ausgezeichnet. Fanny, die er für die Seele des Hauses hielt, verehrte er mehr, als seine Erziehung ihm eigentlich erlaubt hätte. Erziehung, dachte er — die Gedanken sind frei! Charles ging auf einen jungen Mann, den Sohn eines Handelsfreundes zu, der an einer Säule lehnte, die Fannys Portrait-Büste trug. Es war eine Meisterarbeit John Flaxmans, der es verstanden hatte, Fannys fein geschnittenem Gesicht wahrhaft klassische Züge zu verleihen.

       Fannys Blick folgte dem geliebten Mann. Ihr erschien er als der eleganteste des Abends. Die schwarze Samtjacke mit der schmalen Brokatborte und dem großen, weißen Kragen, eng anliegende Beinkleider, die in blendenweiße Strümpfe übergingen, und die mit silbernen Schnallen besetzten Schuhe verliehen ihm das Aussehen eines gediegen gekleideten Mannes von Stand und Rang.

       Charles nahm seinen jungen Freund am Ärmel des Jacketts und zog ihn zum Buffet, das an der Querwand der Halle aufgebaut war. Kostbares Geschirr barg die kulinarischen Genüsse einer extravaganten Küche. In silbernen Kannen leuchtete goldgelber Wein; schwerer Muskateller glutete tiefrot in geschliffenen Kristallkaraffen.

       Während Charles seinem Gast einschenkte, fuhr draußen eine Kutsche vor. Das Getrappel der Pferdehufe war kaum zu überhören. Die Gesichter der Anwesenden wandten sich der Eingangstür zu.

       Schon von hier aus hatte der Diener das Wappen am Wagenschlag erkannt, den er eilfertig öffnete. Der Ankömmling nahm eiligen Schritts die wenigen Stufen bis zum Portal und ließ dem Butler kaum Zeit, ihn anzumelden. Er trat bereits auf Fanny zu, die neben Lord Douglas stand und ihm erwartungsvoll entgegensah, als der Butler verkündete: „Seine Gnaden, der Herzog von D * * *!“ Der Lord übernahm die persönliche Vorstellung; Fanny zelebrierte einen tiefen Knicks.

       Lord Douglas, mit dem Herzog von D * * * eng befreundet, hatte oftmals von Fanny geschwärmt. Dennoch war der Herzog überrascht, in Madame eine wahrhaft ungewöhnliche Schönheit zu finden. Er huldigte ihr mit einer Verbeugung, die länger dauerte, als für seinen Stand notwendig gewesen wäre. Einige unverhohlene Komplimente folgten — dann kam die Frage nach dem Hausherrn.

       Mit einem Lächeln in den Grübchen wies Fanny ihn zum Buffet, wo Charles, ohne den neuen Gast bemerkt zu haben, in angeregtem Gespräch mit seinem jungen Freund stand und gerade genußvoll in das Schwanzstück einer Languste biß. Mit einem Kopfnicken wandte sich der Herzog zu dieser Seite der Halle.

       „Ich glaube, liebe Mrs. Burton,“ sagte Lord Douglas zu Fanny, „daß D * * * Ihrem Mann auf Grund seiner Beziehungen sehr behilflich sein kann.“

       „Ich würde mich freuen, Mylord, wenn Charles Erfolg in Canada haben würde. Nicht wahr, darum geht es doch?!“ „Sie wissen? . . ., aber lassen Sie sich Einzelheiten von Charles selbst erzählen.“

       Lord Douglas stand gänzlich unter dem Einfluß seines Freundes und Gönners, des Herzogs von D * * *. Beide hatten aus politischen Ambitionen und persönlichen Gründen Englands Ziele, die nordamerikanischen Kolonien ganz für sich zu gewinnen, unterstützt und erhebliche Gelder investiert, aber auch verdient.

       Der Streit um die nordamerikanischen Kolonien war immer wieder Anlaß zu Kriegen zwischen England und Frankreich gewesen; der letzte dauerte sieben Jahre, bis 1763 der Friede von Paris geschlossen und unterzeichnet werden konnte. Canada war damit endgültig dem britischen Empire zugefallen.

       Zwei Jahre zuvor, 1761, hatte König Georg III. den Staatssekretär William Pitt zu Gunsten seines unfähigen Günstlings Bute ausgeschaltet und versucht, den Einfluß des Parlaments zurückzudrängen. Die Whigs, Regierungspartei der alten Parlaments-Aristokratie, hatten nach Pitt’s Sturz sämtliche Zahlungen eingestellt, die der ehemalige Staatssekretär Friedrich II. von Preußen zur Unterstützung im Krieg gegen Österreich, das mit Frankreich verbündet war, aus der Staatskasse gezahlt hatte. Durch Pitt’s Manipulation waren die französischen Streitkräfte weitgehend in Europa gebunden worden. England hatte dadurch in Nordamerika freiere Hand gehabt.

       In der Folgezeit beschwor jedoch die Kronpolitik den Abfall des nordamerikanischen Staatenbundes herauf. Pitt sah diese Entwicklung voraus und versuchte, sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu

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