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Ich konnte nur hoffen, dass er nicht wirklich durstig war, denn seine dünne Tür würde ihn wohl niemals zähmen können.

      ››Irgendwann schmeiße ich ihn hochkannt raus‹‹, grummelte Gray.

      ››Ich glaube das bringt nichts, der findet auch eine andere Möglichkeit um uns zu nerven‹‹, stimmte Li mit ein und lehnte sich zurück. Genussvoll schwenkte er sein Glas und schien sich bei der Betrachtung des Blutes seinen Gedanken hinzugeben. Erneut fluchte ich innerlich. Ich glaubte die selben Bilder wie er zu sehen, die sich in seinem Glas reflexartig zu materialisieren begannen. Blaue und rote Lichter, die aufeinander prallten und mit dem blutroten Inhalt eins wurden.

      Meine Hand umklammerte das Glas fester und ich rang mit ruhigen Atem nach Beherrschung es nicht zu zersplittern. Der letzte Schluck sollte die Wut überschwemmen und ersticken.

      Kurz darauf ließen wir unsere blutbesudelten Gläser verschwinden. Jeder huschte auf sein Zimmer und setzte sich seine Sonnenbrille auf. Josy tat es Marc gleich und schloss ihr Zimmer ab. Sie redete auf Alestor und Shila ein, dass sie leise sein sollten, um gegenüber dem Besuch unglückliche Fragen zu vermeiden. Bei den Welpen machte sie sich überhaupt keine Sorgen. Diese fiepten nur leise und würde kein Aufsehen erregen. Die anderen Vampirwölfe rannten aus dem Haus und vergnügten sich im angrenzenden Wald. Sie würden auf die Jagd gehen und ihren tierischen Durst stillen.

      Sonnenbrillen im Frühjahr und gerade keine Sonne in Sicht. Sie wurde von einer erst kürzlich entstandenen, dünnen Wolkendecke verdrängt und nur schemenhaft schaffte sie es hindurch zu brechen. Irgendwie traf Marie allzeit die Tage, an denen es ziemlich paradox war sich vor schädlichen Strahlen zu schützen. Marie war es gewohnt. Von Flora hatte ich bereits erfahren, dass sie mehrere Male nachgefragt hatte, warum wir solche Brillenfanatiker waren. Sie hatte versucht Marie davon zu überzeugen, dass wir der Mode unterworfen waren.

      Alexander und ich schauten aus dem Fenster und beobachteten die Straße. Wir befanden uns auf dem großen Flur im unteren Bereich. Dieser wurde von einer langen Garderobe gesäumt. Sorgfältig hingen die unterschiedlichsten Jacken an ihren Haken und wenn man die Personen dieses Hauses einigermaßen gut kannte, konnte man jede ihrem Besitzer zuordnen.

      Der Herr konnte nicht still halten. Er bewegte sich unruhig auf und ab und machte mich verdammt nervös. Seine sonst so lautlosen Schritte waren nicht verschwunden. Die Sohlen quietschten und es war ihm sichtlich egal.

      Während ich auf den Besuch wartete, setzte er immer wieder an etwas zu sagen. Alexander blieb stehen, öffnete seine Lippen und hob andeutend seine Hand. Nur wenige Sekunden darauf seufzte er und lies die Hand fallen. Das Spiel begann von neuem. Ohne den Blick von der Straße abzuwenden, verdrehte ich die Augen, damit er es nicht sah. Seit ich ihn kennengelernt hatte, war im Hinblick des Vampirdaseins nur wenig Zeit verstrichen. Trotzdem kannte ich ihn besser, als viele Andere. Es war so offensichtlich wie eine ohrenbetäubende Sirene, dass ihm etwas auf dem Herzen lag und er wieder einmal nicht über seinen Schatten springen konnte.

      Um ehrlich zu sein, anfangs hatte es mir Vergnügen bereitet ihn wie ein Fisch am Haken zappeln zu lassen. Auch wenn ich es nicht wollte, verdaute mein Magen das Gespräch von vorhin immer noch nicht. Aber jetzt wurde sein Trampeln langsam lästig.

      ››Ich weiß es bereits, du brauchst dir nicht einen abquälen‹‹, sagte ich ruhig und besänftigend. Langsam drehte ich mich zu ihm herum und lächelte.

      Alex stand stocksteif wenige Meter von mir entfernt und musterte mich fragend. Sein Kopf war auf die Seite gerutscht und er schien nicht wirklich zu wissen, worauf ich hinaus wollte. Ehe er nachfragen konnte, war ich mit einer geschickten Bewegung bei ihm und legte meine Finger auf seine Lippen. ››Celest hat es mir gesagt. Sei ihr nicht böse, sie wollte mich nur darauf vorbereiten, damit ich nicht allzu bestürzt bin.‹‹

      ››Dann wirst du mich nachher begleiten?‹‹, nuschelte er zwischen meinen Fingern hindurch.

      Ich nickte zaghaft. ››Ich bin mir deiner Trauer bewusst und sicher ist der Weg zu ihrem Grab jedes Jahr aufs neue eine Herausforderung für dich und dieses Mal sollst du nicht alleine gehen.‹‹

      Er grinste mich fad an und ich küsste meine Finger, die noch immer auf seinen Lippen ruhten. Es kam einer kleinen Folter gleich, den Kuss in meiner Nähe und doch noch zu weit entfernt zu wissen. Sehr langsam glitten meine Finger herunter und zogen seine Unterlippe sachte mit.

      Mir war klar, warum er sich so gegen die Aussprache dieser Worte sträubte. Alexander hatte Angst. Er konnte nicht wissen, wie ich darauf reagieren würde. Wusste nicht, wie er selbst auf mich wirkte. Es war Neuland für ihn. Etwas, was er sich wünschte, aber so auch wusste, dass er einen weiteren Vorhang vor mir verlor.

      Nun erschlafften seine angespannten Muskeln und er schlang seine Arme um meine Taille. Er war heilfroh und übertrug all seine Zufriedenheit in diese Berührung.

      ››Ich wusste nicht wie du darauf reagieren würdest. Nach allem was dir widerfahren ist, konnte ich nicht wissen, ob du mich zu

       meiner

      Mutter begleiten würdest.‹‹

      Mit seiner Nase zog er meine Wangenknochen nach.

      ››Es ist okay.‹‹ Es sollte leidenschaftlich klingen, doch meine Stimme versagte dabei fast. Seine Mutter hatte ein Grab in der Nähe, welches man besuchen konnte. Meine Mutter jedoch...

      Dann hörte ich einen Wagen. Die letzten Meter rollte er langsam aus und es quietschte, als die Handbremse angezogen wurde.

      ››Sie sind da‹‹, merkte ich an, als er meine rechte Wange küsste. Jetzt nachdem etwas ausgesprochen worden war, womit er ein enormes Problem gehabt hatte, schien er die Ankunft zu verfluchen. Der verschobene Mundwinkel war unverkennbar. Die Zweisamkeit fand abrupt ihr Ende. Mir machte es rein gar nichts aus, mir war nicht so recht nach Liebeleien, denn das heutige Magengeschwür wühlte mich auf.

      Ich zupfte meine blonden Haare und meine Sonnenbrille zu Recht, die Alexander durch seine zärtliche Nähe leicht verschoben hatte. Tänzelnd suchte ich mir den Weg über den Flur und öffnete einladend die Eingangstür.

      Flora warf gerade die Tür ihres silbernen Audi A3s zu, als Marie uns schon freudig begrüßte. ››Hallo Sarah, hallo Alex!‹‹

      Der Duft von menschlichem Blut erfüllte die Luft. Das Hämmern ihrer beiden Herzen war Musik in meinen Ohren und ich spürte den klebrigen Speichelfluss. Ich fühlte mich wie ein Fels in der Brandung, während jeder Herzschlag wie eine Flutwelle über mich hereinbrach. Auch wenn ich getrunken hatte, würde ich die Reflexe wohl nie abstellen können. Ich war, was ich war.

      Flora rief bei mir so etwas nicht hervor, sie kannte ich zu gut und hatte sie in mein Herz geschlossen. Marie mochte ich auch sehr, aber war sie noch immer sterblich und in gewisse Weise meine Beute. Eine Beute, die ich nicht so sehr liebte wie Flora.

      Marie war ein Mädchen mit schulterlangem, braunem Haar. Sie war etwas dicklicher, aber mit ihren siebzehn Jahren schon ziemlich groß. Doch heute war irgendetwas anders, als sonst. Verzweifelt begann ich in ihrem Mondgesicht zu suchen, was mich stutzig machte und prompt meine Aufmerksamkeit zu erlangen schien.

      ››Hey, brauchst du keine Brille mehr, Marie?‹‹ Alex hatte es mal wieder haarscharf erkannt. Die Brille, die sonst ihr Gesicht leicht entstellte, weil sie viel zu dick war, saß nicht mehr auf ihrer Nase.

      ››Ich habe mir Kontaktlinsen besorgt, sieht erstens viel besser aus und ich kann wesentlich besser gucken‹‹, sagte sie überglücklich. ››Erst habe ich mir überlegt, ob ich mir nicht farbige besorgen soll, aber eigentlich ziemlich albern, oder?‹‹

      ››Also ich finde deine Augenfarbe total toll. Ich hätte gerne so ein giftgrün wie du‹‹, sagte Flora.

       Das ist doch die Idee!

      Die Stimme zischte wie eine aufgescheuchte Schlange durch mein Unterbewusstsein. Als zustimmende Reaktion nickte ich und zuckte prompt im selben Augenblick zusammen. War es aufgefallen? Auch wenn ich keine Selbstgespräche führte, war es

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