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Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer
Читать онлайн.Название Werwolfsgeheul
Год выпуска 0
isbn 9783847650645
Автор произведения Melanie Ruschmeyer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der salzige Hauch des Meeres berührte meine nackte Haut, die in ein weißes Kleid gehüllt war. Meine Hände ruhten auf dem Balkonsims. Ich hatte sie in seidige Stoffhandschuhe gehüllt und betrachtete die helltürkisen Blumenverzierungen darauf. Der Silvesterball an dem ich sie zu dem wunderschönen, türkisen Kleid getragen hatte, war schon lange her. Alexander, das wusste ich, war noch immer auf der Suche nach einem sehr guten Schneider. Dieser sollte mir ein neues Abendkleid nähen; eines, was das Andere noch übertraf. Dennoch glaubte ich nicht, das irgendjemand diesen Schatz ersetzten oder gar übertreffen konnte. Zu unser beider Leidwesen hatten wir uns gezwungen gesehen, es während der Flucht hierher zurückzulassen.
Meine Fingerspitzen, die durch einen seidigen Stoff geschützt waren, zogen den diamantenbesetzten Ring an meiner Silberkette nach und ich musste unwiderruflich lächeln.
Und als hätte meine Geste seine Aufmerksamkeit erweckt, vernahm ich ihn. Den Klang seiner umwerfenden Lippen, die auf einer Mundharmonika spielten und die frohe Botschaft seiner Rückkehr einläuteten. Die Möwen brachen ihren Flug abrupt ab und schwenkten in die entgegengesetzte Richtung. Einstimmig krähten sie im Rhythmus der mir so bekannten Melodie. Schnell bemerkte ich, wie ich in das Lied mit ein stimmte. Mein Rumpf surrte, als ich zu summen begann.
Ich suchte den Strand ab und fand einen kleinen Punkt im Westen. Immer größer formte sich eine Silhouette und wenn ich mich genau anstrengte, konnte ich ihn bereits erkennen.
Die warmen Sonnenstrahlen schienen ihn zu begrüßen und griffen nach seiner Umgebung. Wie eine magische Hülle kündigten sie seine Ankunft an und zauberten glitzerne Diamanten auf das Meer, die sich auf der hellen Haut zu spiegeln begannen.
Vom Wind erfasst flatterte sein offenes, weißes Hemd und entblößte den perfekten, muskulösen Oberkörper. Er saugte die Wärme in sich auf und genoss jede Sekunde.
Die Jeanshose hatte er hochgekrempelt, damit er mit seinen blanken Füßen durch das Wasser waten konnte. Das Wellenspiel erfasste seine Knöchel und tauchte sie ein.
Mittlerweile war er dem Haus so nahe, dass ich seine emotional, geschlossenen Augen und das vom Wind zerzauste, dunkelbraune Haar erkennen konnte.
Etliche Vögel waren seinem Klang gefolgt und hüpften über den Sand. Wie kleine Zuschauer legten sie verständlich die Köpfe schief und piepsten ihm zu. Es war wie ein Orchester ohne großen Aufwand, nur mit einer kleinen Mundharmonika und dem Gesang von Waldleben.
Alex blieb vor dem Balkon stehen und brach sein Lied plötzlich ab, jedoch ohne das Instrument von seinen wundervollen Lippen zu nehmen. Die Tierwelt, die er damit immer in Begeisterung für sich vereinnahmte, verschwand. Tier um Tier. Manche Möwen krähten verärgert. Sie verlangten eine Zugabe und flatterten wild um ihn herum. Doch er regte sich nicht. Wartend verharrte er wie eine Fels im Sand, bis auch das letzte Tier aufgab. Seine Lieder waren für sie wie eine Droge. Sie zogen sie an und brachten eine Freude in ihr Herz, die sie nur schwer loslassen konnten.
Dann öffnete er seine roten Katzenaugen und blickte zu mir auf. Langsam nahm er die Mundharmonika aus seinem Gesicht und lächelte sein mir so bekanntes, schiefes Lächeln.
Es waren lange Minuten in denen sich unsere Blicke innig verhakten. Keiner wollte die stille Konversation unterbrechen und das Knistern der emporsteigenden Gefühle vernichten. Wir liebten diese Momente des Wiedersehens. Sie schmeckten so süß wie Honig, verklebten den Mund und riefen nach Mehr! Uns war beiden klar, dass man der süßen Versuchung nicht lange widerstehen konnte.
››Oh, Julia!‹‹, rief er und breitete seine Arme weit aus. Ich kicherte über diese Aussage, stimmte mit ein: ››Oh, Romeo!‹‹
Mit einem Atemzug hatte er sein Instrument in der Hosentasche verstaut und sprang zu mir herauf. Anmutig hielt er sich am steinernen Balkon fest und beugte sich zu mir. Sein angenehmer Atem erfasste meine Wangen und seine Stirn drückte sich sanft an meine. Liebevoll hauchte er mir ein paar Worte zu: ››Hast du mich vermisst?‹‹
Ich kam nicht umher eine Braue hochzuziehen. ››Meine Faust hat dich sehr vermisst.‹‹
Alex lachte. ››Ach stimmt, ich kann ja was erleben, wenn ich wieder nach Hause komme.‹‹ Sein schiefes Grinsen konnte ihn jetzt auch nicht mehr helfen. Mir war nur zu gut bewusst, dass er jedes Wort verstanden hatte und er wusste genauso wie ich, das es der puren Absicht gegolten hatte.
››Wäre es dir lieber gewesen meinem Werwolfrute in die Farbe zu tunken?‹‹
Nachdenklich verzog ich meinen Mund. ››Verführerische Vorstellung!‹‹, gab ich zu und er lachte wieder.
Er legte ein Knie auf den Geländersims und drückte sich weiter an mich. Eine Hand umfasste meinen Nacken und seine gierigen Lippen berührten die meinen. Es war nur eine so kurze Zeitspanne gewesen, in der ich ohne ihn verharrt hatte. Eine Vollmonddauer, die uns beide getrennte hatte. Trotzdem erlag ich jedes Mal aufs Neue dem Glauben, dass mir erst dieser Kuss den wahren Schmerz offenbarte. Wie ein gestrafftes Gummiband, welches sich ruckartig in meine Richtung zurückzog, traf es mich ins Herz. Es kam mir fast so vor, als wenn mein Verstand mich daran erinnerte wie hart es ohne ihn gewesen war. Fast so, als würden die Gefühle rückwirkend ausbrechen und in Zeitlupe, wie die letzten Sekunden eines Lebewesens, durch mich hindurch strömen. Bei seiner Abwesenheit fehlte ein Teil, ein so wichtiger Teil! Stetig war mir dies bewusst, doch danach, wenn sich das wichtige Puzzleteil wieder in das Gefüge der Vollkommenheit einbrachte, war es seltsam. Es kam einer Sucht gleich, die ich liebte und hasste.
Leicht fuhren meine Fingerspitzen über seine nackte Brust. Wie so oft machte ich mir Gedanken darüber, wie es sich wohl anfühlen musste, wenn sein Körper wegen der Verwandlung anfing zu beben und zu explodieren. Wenn seine Hülle eine Veränderung vollzog, die in so direktem Gegensatz zu einem Vampir stand, dass es noch immer etwas Unfassbarem glich.
Einmal hatte ich es bereits gesehen, wie seine makellose Haut dem struppigen Fell Platz gemacht und sein eigentliches Ich verdrängt hatte. Nie wieder wollte ich dieses Wesen in ihm sehen, so wollte Alex es jedenfalls. Er hatte damit nicht ganz Unrecht. Mir war bewusst, dass er eine Gefahr zu dieser Zeit des Mondstandes bedeutete und ich verband so gar nichts mit seinem anderen Ich. Aber irgendwie hatte es auch etwas Reizvolles. Die natürliche Macht des Ungewissen und vielleicht auch ein bisschen der Spieltrieb, den es in mir erweckte, kitzelten immer wieder in mir. Allerdings wurden diese Gedanken stets vom einem lauten Knurren und Brummen in meiner Brust verdrängt. Mein zweites Ich fand diese Vorstellung bei weitem nicht so interessant, wie ich es tat. Mittlerweile war ich sogar der Ansicht, dass sie Alexanders Anziehungskraft auf mich zu hassen begann. Sie schien ihn überhaupt nicht als Vampir zu sehen, eher als den Feind im Schafspelz verkleidet. Oder etwa wie das trojanische Pferd, dass die Nacht abwartete, um seine Luken zu öffnen und der Heimtücke, wofür es erbaut worden war, freien Lauf zu lassen.
Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er sich auf den Sims gesetzt und meinen Körper an sich heran gezogen hatte. Sein Atem wanderte zusammen mit seinen zarten Lippen an meinem Hals entlang und ich spürte mein Herz extrem schnell schlagen. Noch immer war es mir ein Rätsel, was es in meine leeren Venen pumpte, doch glaubte ich, dass es eine Art Energie beinhaltete, die meinen ganzen Körper erfasste und ihn auf die Situation einstimmte.
Irgendwie wollte die Stimmung nicht so recht in mir auflodern. Das heiße Feuer in mir kämpfte gegen die Erinnerung aus Wut und Frust an. Stets aufs Neue gewann es die Oberhand, aber nur für kurze Augenblicke. Mein Gemüt hatte sich nach ihm verzehrt, kam aber dennoch nicht über alles hinweg.
Mit wenigen Worten, die in meinem Gedächtnis fest verankert waren, brach ich die Stimmung: ››Du sollst dich übrigens bei Li melden.‹‹
Abrupt brach er ab und hielt seltsam inne. Es war nur eine Sekunde seiner Körperanspannung, die ihn verriet und mich umso aufmerksamer werden ließ. Ich blinzelte kurz zu ihm herüber, doch sein Gesicht blieb mir verwehrt, da er sich zu sehr über meine Schulter gelehnt hatte.
››Alles klar, dann tue ich das mal lieber gleich. Du kennst ihn und seine Geduld ja.‹‹
Er drehte den Kopf zu mir und legte das übliche Pokergesicht