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Treppe hinunter gefallen ist.“

      „Das kann schon sein“, meinte der Kommissar, „dann war es ein Unfall. Vielleicht hat aber auch jemand nachgeholfen und dann wäre es Mord. Zuerst müssen wir die Ehefrau finden. Agente, rufen Sie alle Verwandten und Freunde der Familie an. Vielleicht haben wir ja Glück und sie ist dort irgendwo.“

      Und zu dem anderen Beamten sagte er: „Und Sie gehen dem Gerücht nach, was den Sohn aus der vorehelichen Beziehung betrifft.“

      Die Männer salutierten und traten ab.

      Und zu Rosa gewandt sagte er: „Danke für Ihre Hilfe, Señora. Sie können jetzt gehen. Aber halten Sie sich bitte weiterhin zu unserer Verfügung, falls wir noch Fragen haben sollten.“

      Quiz 1: Wie ist Senor Ramos zu Tode gekommen? War es...

      a) Selbstmord?

      b) Mord?

      c) ein Unfall?

      Kreuzen Sie jetzt bitte an!

      Erster Tag

      Kommissar Stefan Winner saß auf der Terrasse unter dem großen Gummibaum und blinzelte in die Sonne. Ja, so wollte er es: Kein Handy klingelte, kein Polizeifunk plärrte, kein Kollege nervte mit dummen Fragen und auch der Chef kam nicht vorbei um nach dem neusten Stand der Ermittlungen zu fragen.

      Er gab sich ganz diesem angenehmen Gefühl hin. Nur wenige Geräusche erreichten sein Ohr. Die Autos auf der Hauptstraße machten allerdings einen außergewöhnlichen Lärm. Während man in Deutschland an Flüsterasphalt arbeitete fuhr man hier auf Lanzarote zwischen Guatiza und Mala auf einer Straße, die so aussah, als habe man vergessen die obere feine Asphaltschicht aufzutragen. Aber das war für Winner kein echtes Problem. Die Hauptstraße, die zwischen Guatiza und Arriette durch Mala führte war weit entfernt und das Geräusch, das trotz Nordwind zu ihm herüberdrang, klang eher wie fernes Meeresrauschen. Etwas anderes waren die Hunde. Spanier schienen Hunde zu lieben. Fast jedes Haus hatte einen oder zwei, meist so kleine Kläffer und oft eigenartige Promenadenmischungen. Irgendwo im Ort kläffte immer ein Hund, dachte Winner, daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.

      Während Winner seinen heißen Kaffee schlürfte dachte er darüber nach, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass er jetzt hier saß. Litt er unter einem Burn-out? War es die Midlife-Crisis oder war er schlicht und ergreifend nur überarbeitet gewesen, dass ihm der letzte Fall so entglitten war? Drei ungeklärte Fälle lagen auf seinem Schreibtisch und vom vierten hatte sein Chef ihn abgezogen, weil alles schiefgelaufen war, was nur hatte schieflaufen können.

      Der Polizeiarzt hatte ihm geraten mal Urlaub zu machen. „Bis zu Ihrer Pensionierung müssen Sie schon noch ein paar Jahre durchhalten“, hatte er gesagt. Und sein Hausarzt hatte ergänzt „Am besten, Sie fliegen irgendwo hin, wo Sie keiner kennt und keiner weiß, wo Sie wohnen. Und lassen Sie ja Ihr Handy daheim. Sonst rufen garantiert ihre Kollegen dauernd an und wollen irgendetwas wissen.“

      Wie soll das denn gehen hatte er sich gefragt. Spätestens bei der Passkontrolle am Flughafen würde er erkannt werden. Und wenn er unter seinem Namen ein Hotelzimmer buchte, dann wäre sein Aufenthalt durch seine Kollegen leicht auszumachen. Darum fasste er einen verrückten Plan: Er hatte vor kurzem einen Ganoven verhaftet, eigentlich war es nur ein kleiner Fisch. Er war als Strohmann für einen schwerreichen Kunstliebhaber aufgetreten und hatte alle möglichen Antiquitäten aufgekauft, vor allem alte Bilder und Gemälde. Sie hatten ihn schon lange in Verdacht gehabt, bei der Gelegenheit Geld zu waschen, aber sie hatten ihm nichts nachweisen können. Doch dann war er aufgeflogen, weil er bei einer Auktion für eine altes Gemälde eine größere Summe in bar bezahlt hatte. Bei der Überprüfung der Scheine durch die Beamten des Betrugsdezernats hatte sich herausgestellt, dass einige Scheine gefälscht waren, also Blüten. Die waren zwar gut gemacht, aber trotzdem entdeckt worden. Bei seiner Festnahme und der anschließenden Hausdurchsuchung hatte man außer weiterem Falschgeld auch noch drei gefälschte Personalausweise auf die Namen Ronny Berg, Dominik Krause und Sebastian Sommer gefunden. Auch diese Fälschungen waren gut gemacht und kaum zu erkennen. Die Kollegen hatten schon gescherzt und gesagt: „Winner, das könnte glatt dein Bruder sein, aber eben ohne Bart. Und das Alter kommt auch hin. Lass dir deinen Bart abnehmen und dann hast du drei neue Identitäten.“

      Daran hatte er sich erinnert als er über seine „Flucht“ nachdachte. Und er hatte entschieden, sich nicht den Bart abnehmen zu lassen. Gerade der Bart konnte noch ein paar Unterschiede vertuschen. Er hatte sich für den Ausweis mit dem Namen Sebastian Sommer entschieden, weil der seiner Meinung nach noch in keiner Fahndung aufgetaucht war.

      Hauptkommissar Winner war vor Jahren in der Schulung junger Kollegen eingesetzt worden. Dieser Tatsache hatte er den Spitznamen „Falke“ zu verdanken, da er in seinen Vorlesungen gerne Falken als Beispiele benutzte.

      „Sie müssen wie ein Falke sein“, sagte er z. B. „hoch über den Dingen schweben, dabei immer das Ganze sehen, mit scharfen Augen alles genau beobachten, jede, und sei es auch nur die kleinste Bewegung oder Veränderung sofort registrieren und in die Ermittlungen einfließen lassen. Und Sie brauchen viel Geduld. Beobachten Sie mal, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, wie lange ein Falke über seiner Beute schwebt. Er wartet auf die günstigste Gelegenheit. Jeder Fehlversuch könnte das endgültige Ende seiner Observation sein. Und dann, im richtigen Moment, stößt er zu, aus großer Höhe, mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Zugriff! – Na ja, auch bei einem Falken ist nicht jeder Zugriff von Erfolg gekrönt. Seien Sie deshalb nicht zu sehr enttäuscht, wenn mal etwas misslingt. Überlegen Sie stattdessen, was Sie falsch gemacht haben und versuchen Sie es beim nächsten Mal besser zu machen.“

      Jetzt, da er den falschen Ausweis in der Hand hielt, wusste er, dass alles schnell gehen musste. Der „echte“ Sebastian Sommer saß in Untersuchungshaft. Und das konnte lange dauern. Man wollte ja eigentlich gar nicht ihn, sondern den reichen Magnaten, der ihn nur benutzte und hinter dem man den Kopf einer Fälscherbande vermutete.

      Winner erinnerte sich an einen alten Bekannten, einen Holländer, Jan de Fries. Dem hatte er mal den Sohn zurückgebracht, der ausgerissen war und ihm zufällig in die Hände fiel. Damals hatte Jan der Fries gesagt: „Wenn du mal Urlaub machen willst – ich habe ein Haus auf Lanzarote. Das steht meistens leer. Also, wenn du mal richtich utspannen willst, dann sachst du Bescheid.“

      (Wie es sich bei Holländer so anhört, wenn sie versuchen Hochdeutsch zu reden.)

      Winner griff zum Telefon und rief an. Jan de Fries zierte sich nicht lange und sagte: „Na klar, alter Junge, natürlik kannst du das Haus haben. Es ist cherade nicht bewohnt. Du cheest einfach zu Ramona und holst dir den Schlüssel. Sie wohnt chleich nebenan und kümmert sich ein bischen um das Haus, wenn niemand darin wohnt. Sie lüftet ab und zu mal und chießt die Planten. Ich ruf sie an, dann weiß sie chleich Bescheid. Also viel Spaß und chute Erholung.“

      Winner hatte nur einen kleinen Koffer gepackt. Nicht mehr als das, was man eben so braucht, wenn man ein paar Tage Urlaub machen will. Und da es auf Lanzarote immer schön warm sein soll, brauchte er ja auch keinen dicken Pullover mitzunehmen. Um sein Inkognito nicht zu gefährden, aber auch, um sich im Zweifelsfall ausweisen zu können, hatte er seinen Führerschein, seinen Dienstausweis und seine Krankenkarte in das Futter seiner Jacke eingenäht. Dann hatte er im Internet ein Last - Minute - Angebot für einen Flug und einen Urlaub auf Lanzarote gebucht: Zehn Tage in einem Hotel in Costa Teguise für 499 Euro. Das fand er in Ordnung. Und das Hotel würde ihn kaum suchen lassen, wenn er dort einfach nicht erschien. Bei den Tausenden an Gästen würden sie einen Einzelnen wohl noch nicht einmal vermissen – dachte er. Schließlich war das Zimmer bezahlt. Und das war sicher die Hauptsache.

      Schon am nächsten Tag um elf Uhr ging der Flug. Er hatte sich nicht großartig abgemeldet, sondern nur einen Zettel auf dem Schreibtisch hinterlassen auf dem stand: Bin unterwegs. Und das war ja noch nicht einmal gelogen. Bis seine Kollegen dahinterkommen würden, dass er sie ausgetrickst hatte, war er sicher schon weit weg und nicht mehr erreichbar.

      Bei der Gepäckkontrolle gab es keine Probleme. Nur bei der Passkontrolle meinte der Beamte nach

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