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befreite mich aus ihrer Umarmung und schenkte ihr ein dankbares, wenn auch gequältes Lächeln.

      „Danke, Sue. Wirklich – ich weiß nicht, wie ich die letzten Wochen ohne dich überstanden hätte. Du bist die Beste.“

      „Wir Mädels müssen doch zusammen halten. Vergiss die miesen Kerle. Wer braucht die schon?“

      „Ja“, sagte ich leise lachend. „Wir sollten ein Kloster gründen.“

      „Ausgezeichnete Idee“, stimmte Sue lachend zu. „Aber nur, wenn der Gebrauch von Vibratoren erlaubt ist. Ein Mädchen hat schließlich Bedürfnisse und wir sind absolut in der Lage, uns selbst zu behelfen.“

      Sue zwinkerte und ich lachte. Sie hatte es wirklich geschafft, mich aus meinem dunklen Loch heraus zu holen und zum Lachen zu bringen. Ich wusste, es würde wahrscheinlich nicht lange anhalten, doch ich war froh, meinen Schmerz wenigstens für eine Weile beiseite schieben zu können.

      „Komm! Ich fahr dich nach Hause“, bot Sue an.

      „Ich will eigentlich noch nicht nach Hause“, sagte ich leise.

      Zuhause würde ich Jace über den Weg laufen und ich war noch nicht bereit, ihm gegenüber zu treten.

      „Dann gehen wir ins Pink Cloud“, schlug Sue vor.

      „Gute Idee. Ich werde mir den größten Eisbecher bestellen, den sie haben.“

      Als ich kurz vor dem Abendessen nach Hause kam, stand Jaces Wagen nicht in der Auffahrt. Entweder war er seit dem Kuss noch nicht nach Hause gekommen, oder er war bereits wieder gegangen. Offenbar wollte er mir aus dem Weg gehen. Gut! Um so besser! Ich wollte ihm wirklich nicht über den Weg laufen. Ich wollte ihn nie wieder sehen, doch da wir im selben Haus wohnten und zu derselben Schule gingen, war es schwer ihm komplett aus dem Weg zu gehen. Ich hatte sogar in Erwägung gezogen, meine Pflegefamilie zu verlassen, doch wer wusste, wohin man mich dann stecken würde? Die Longtons waren die einzige gute Pflegefamilie die ich seit Ewigkeiten gehabt hatte. Jenny und Marcus waren nett und versuchten wirklich alles, damit ich mich in ihrer Familie zuhause fühlte. Und das wichtigste war, dass Marcus nie versucht hatte, mich anzufassen. Nach allen negativen Erfahrungen mit vorherigen Pflegevätern, die ihre schmutzigen Finger nicht bei sich behalten konnten, war es eine Erleichterung zu wissen, dass Marcus nur Augen für seine Frau hatte. Er war ein guter Mann. Vielleicht der einzige gute Mann den ich kannte. Selbst Jace hatte sich als Arschloch entpuppt.

      „Hey. Wie war die Schule?“, grüße mich Jenny, als ich in die Küche kam.

      „Okay“, sagte ich, mit den Schultern zuckend.

      „Setz dich, Hayley. Ich denke, wir müssen uns unterhalten“, sagte Jenny freundlich, doch bestimmt.

      Mein Herz begann zu rasen und Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Ich konnte mir gut vorstellen, worüber sie mit mir reden wollte. Sie wollte wissen, was sich zwischen Jace und mir abgespielt hatte. Ich wollte nicht darüber reden müssen, doch ich wusste, dass ich Jenny nicht länger mit Ausflüchten und Halbwahrheiten abspeisen konnte. Seufzend nahm ich am Tisch Platz. Jenny stellte ein Glas Wasser vor mich, dann setzte sie sich mir gegenüber.

      Ich starrte auf den Tisch vor mir. Ich konnte und wollte Jenny nicht in die Augen sehen. Ich wollte nicht über das reden was zwischen mir und Jace vorgefallen war. Es war zu intim und zu beschämend. Würde Jenny mich für ein leichtes Mädchen halten wenn sie erfuhr, dass ich mit Jace geschlafen hatte?

      „Ich habe seit Wochen versucht herauszufinden, was hier los ist“, begann Jenny. „Ich weiß, dass etwas zwischen dir und Jace vorgefallen sein muss, und ich hab da auch schon eine Idee in welche Richtung es geht, doch Jace will genauso wenig darüber reden wie du. Nun, normalerweise würde ich sagen dass es eure Angelegenheit ist und ich mische mich ungern ein, doch was immer vorgefallen ist, hat eine schlechte Stimmung ins Haus gebracht und das muss sich ändern. Wenn du und Jace nicht in der Lage seid, die Dinge zwischen euch zu bereinigen, dann bleibt mir nichts anderes übrig als einzugreifen. Was immer geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen, doch wir können darüber reden und die Dinge bereinigen.“

      Mein Magen hatte sich bei Jennys Ansprache verknotet und das Blut rauschte laut in meinen eigenen Ohren. Ich wusste, dass sie recht hatte, doch ich wusste nicht, wie die Dinge jemals bereinigt werden könnten. Konnte ich Jace jemals verzeihen was er mir angetan hatte? Konnte ich ihn jemals wieder ansehen, ohne diesen Schmerz, diesen Verrat zu spüren?

      „Hast du mit Jace geschlafen, Hayley?“, fragte Jenny unerwartet und mein Herz fing an wild gegen meinen Brustkorb zu schlagen. „Bitte denke nicht, dass ich dich verurteilen würde. Jace ist ein gut aussehender Junge und er kann charmant sein, wenn er will. Ich weiß, dass er ein Herzensbrecher ist. Ist es das, was geschehen ist? Hat er dein Herz gebrochen?“

      Ich nickte, als Tränen aus meinen Augen quollen. Ich würde Jenny nichts von der Wette erzählen. Sollte sie ruhig denken, dass ich einfach nur traurig war, weil Jace und ich unsere kurze Romanze abgebrochen hatten.

      Jenny legte ihre Hand auf meine und drückte leicht.

      „Vielleicht interessiert es dich zu wissen, dass Jace ebenfalls ziemlich gebrochen zu sein scheint. Ich denke, dass es ihm leid tut – was immer er falsch gemacht haben sollte. Ihr solltet euch in Ruhe aussprechen. Vielleicht könnt ihr reparieren was gebrochen ist. Oder zumindest vergeben und darüber hinweg kommen.“

      Ich schniefte. Jenny hätte recht, wenn es um einfache Beziehungsprobleme gegangen wäre. Doch das was Jace getan hatte war nicht zu reparieren. Nur konnte ich Jenny dies nicht erklären ohne zu berichten, was genau vorgefallen war, doch das kam nicht infrage.

      „Ich will dich nicht zu sehr aufregen“, sagte Jenny, meine Hand erneut drückend. „Ich lass dich erst einmal, dass du über das nachdenken kannst, was ich gesagt habe.“

      Ich konnte nicht mehr als nicken. Meine Hand ein letztes Mal drückend ehe sie los ließ, erhob sich meine Pflegemutter von ihrem Platz und verließ die Küche. Meine Tränen flossen in stetem Strom über meine Wangen, als ich blicklos vor mich hin starrte. Ich fühlte mich leer und erschöpft. Irgendwann riss ich mich aus meiner Lethargie und stand auf. Auf weichen Beinen erklomm ich die Stufen zum Obergeschoss und verschwand in meinem Zimmer. Wie ein Zombie schlurfte ich zum Bett und ließ mich kraftlos auf die Matratze fallen. Meine Augen brannten vom Weinen, also schloss ich sie und irgendwann fiel ich in den Schlaf.

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