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       Niccy war wutentbrannt. Sie kochte. Sie explodierte.

       Sie rackerte sich Tag für Tag ihren Arsch ab, damit es ihrem Sohn auch nur halb so gut ging, wie er es verdiente, und Herr Bequem hatte nichts Besseres zu tun, als wie üblich spät in der Nacht betrunken nach Hause zu kommen und sich einen Dreck um sie beide zu kümmern, um seine Familie!

       Und damit nicht genug, er besaß die Frechheit sich mit einer Bierfahne stinkend neben sie zu legen und sie aus dem Schlaf zu reißen, indem er ihr in seiner besoffenen Geilheit an die Brüste grapschte! An Brandons Brüste! Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, wer er war? Sie war eine Frau, sie war doch genauso ein Mensch! Sie hatte genauso Gefühle! Sie könnte ihn umbringen … sie könnte … sie …

       Nein, konnte sie nicht.

       Brandons wegen nicht. Wenn es nur um sie selbst gegangen wäre, hätte Niccy es vielleicht getan, aber nun verwarf sie den Gedanken sofort wieder. Brandon brauchte einen Vater, auch wenn es ein verfluchter Prolet wie Kurt war.

       Aber sie würde ihn quälen. Sie wusste genau, wie sie ihn bis in den Wahnsinn treiben konnte, welche Tricks sie bei ihm anwenden musste, um ihn bis zur Weißglut zu bringen; um die Zahnräder in seinem Hirn zum Knirschen zu bringen.

       Außerdem hörte sie erst jetzt

      (Wieso fällt mir das erst jetzt auf? Wie kann es sein, dass ich ihn nicht gehört habe? Mein Gott... Ich muss zu meinem Kind!!!)ihren kleinen Brandon schreien, der wohl von ihrem unüberhörbaren Streit aufgewacht sein musste. Minuten vorher hatte er noch friedlichst wie ein kleiner Engel geschlafen. Sie hatte Kurt bereits völlig vergessen und war zum Bettchen ihres Sohnes geeilt, als Kurt auf halbem Wege einen bestimmten Satz sagte, mit dem sie nie gerechnet hätte. Der einzige Satz, der ihr die Sprache verschlug, der ihr Herz erschütterte und ihren Kopf vibrieren ließ, während sie – langsam, aber stetig – begann, den Satz zu verarbeiten, zu realisieren, zu zerlegen. Einzuschätzen, wie ernst dieser Mistkerl seine Drohung meinte.

      12

       Brandon sah Bilder. Viele Bilder. Schöne Bilder.

       Bilder von seiner Mami, Bilder von fremden Köpfen, die näher an ihn rückten, alle dämlich grinsten und seltsam auf ihn ein redeten. Er verstand nicht, was sie von ihm erwarteten, aber wahrscheinlich wussten sie das selbst nicht genau. Bilder, in denen seine Mami ihm was vorlas oder mit ihm draußen Verstecken spielte oder mit ihm Spielzeug einkaufen ging.

       Brandon träumte. Er träumte von all den interessanten, tollen Dingen, die er heute mit seiner Mami erlebt hatte.

       Doch plötzlich veränderten sich diese Bilder, verschwammen, wurden durchsichtig. Er konnte Lärm hören. Mami, die laut redete und wahrscheinlich böse war und Daddy, der danach wahrscheinlich böse war.

       Er mochte es nicht, wenn Mami und Daddy böse waren. Es machte ihn traurig. Er wollte nicht, dass Mami böse war. Das war blöd. Und alles was blöd war, sollte aufhören. Und zwar sofort.

       Sie hatten ihn aufgeweckt. Wieso machten die das? Er wollte so gern weiter schlafen! Jetzt wollte er noch lauter schreien, als die beiden zusammen. Er hatte heute soviel erlebt und war so müde. Wieso hatten sie ihn aufgeweckt?

       Da war es auf einmal still und er konnte nur noch seine eigene Stimme hören. Danach seinen Namen, den Mami erschrocken rief, vor Schreck die Luft anhielt und da ... Schritte, zuerst leise, dann immer lauter. Sie lief wohl zu ihm. Endlich hörte sie ihn.

       Er war traurig, dass er nun wach war, aber auch froh, dass Mami da war um ihn wieder ins Traumland zu bringen. Mami konnte wirklich alles, wenn sie wollte.

      13

       Kurt reichte es.

       Er hatte eigentlich nicht vor gehabt, so weit zu gehen, aber heute forderte Niccy es geradezu heraus. Normalerweise fehlten ihm die Nerven für diese Auseinandersetzungen und er hatte immer ab einem bestimmten Zeitpunkt den Mund gehalten, aber nicht heute. Diesmal hatte Kurt ganz und gar keine Lust, Niccys abfällige Bemerkungen still zu schlucken. Er hatte eine Geheimwaffe, gegen die sie machtlos war und er würde sie hier und heute einsetzen. Sie sollte merken, dass er niemandes Fußabtreter war, und schon gar nicht ihrer.

       Also baute Kurt sich vor ihr auf, holte tief Luft und benutzte seine Geheimwaffe: „Wenn du nicht sofort den Mund hältst, schnappe ich mir Brandon und fahre so weit von hier weg, dass du ihn niemals wiederfinden wirst. Und du weißt, wie schnell er mir auf die Nerven gehen kann und wie viel ich von ihm halte. Keine Ahnung, was ich mit ihm mache, wenn er meine Nerven über strapaziert. Also, wenn du mich nicht heraus fordern willst, hältst du jetzt besser dein verdammtes Maul und setzt dich hin …“

      14

       Der Ausdruck in Kurts Augen war furchterregender als alles, was Niccy in ihrem bisherigen Leben gesehen hatte. Meinte es dieser Dreckskerl wirklich ernst?

       Ihr war, als hätte sie ein vollbeladener Lastwagen überfahren. Zuerst stand sie nur wie vom Blitz getroffen da, unfähig sich zu bewegen.

       Nach mehreren Sekunden, in denen sich der Schock mehr und mehr legte, kam Niccy langsam wieder in die Welt der Lebenden zurück.

       Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Würde er wirklich so weit gehen? Sie traute es ihm zwar eigentlich nicht zu, wollte aber auch nichts riskieren. Was, wenn ihrem Prinzen wirklich etwas passierte? Daran wollte sie überhaupt nicht denken, eher hätte sie sich, ohne zu überlegen, jetzt sofort mit ihm aus dem Fenster in den Tod gestürzt.

       Endlich fand sie die Kraft, wieder ihre Stimme einzusetzen und brachte dennoch nur ein kraftloses Keuchen heraus: „Nicht vor dem Kind, du elender … Bastard.“

      15

       Kurt gefiel ihre zaghafte, hilflose Reaktion. Er wunderte sich zwar über die Antwort, aber es war egal. Er hatte sie da, wo er sie haben wollte. Wie ein wildes Tier, das man mit einer brennenden Fackel in eine Ecke gedrängt hatte, bevor es einen anfallen konnte, und nun keinen Ausweg mehr fand.

       Dass sie ihn noch immer beschimpfte, störte ihn jetzt nicht mehr, sie war kraftlos. Und sie wusste, dass sie verloren hatte.

       Kurt, nicht mehr schreiend: „Ich scheiß' auf dein Kind. Er muss das auch lernen. Oder willst du ihn zu einem jämmerlichen Waschlappen erziehen, der nicht mal den Tod seines unbedeutenden Haustiers akzeptieren kann?“

       Niccy: „Du meinst, so einen Waschlappen wie dich, Kurt?“

       Er musste unwillkürlich lächeln. Seine Antwort troff geradezu vor Sarkasmus. „Du warst schon um vieles besser, meine Liebe.“

       Da drehte sich Niccy, ohne auf die Bemerkung zu reagieren, mit Tränen in den Augen um und hastete ohne ein weiteres Wort zu ihrem kleinen Sohn, um diesen zu trösten und zu beruhigen.

       Kurt hastete Niccy ins andere Zimmer nach.

       „Er wird, genauso wie ich, auf Leute treffen, die ihm schaden wollen. Wenn er darauf nicht vorbereitet wird ...“ (er musste an seine eigene Kindheit denken und daran, wie sein Leben heute aussah; und an seinen Dad) „Er muss genauso die böse Seite der Menschen kennen lernen und fähig sein, sich zu verteidigen.“ Er war sich selbst nicht sicher, warum er das gesagt hatte. Machte er sich plötzlich doch Sorgen um den „kleinen Scheißer“?

       Niccy, ruhiger: „Kann es sein, dass dir Brandon doch nicht so völlig egal ist, wie du mir die ganze Zeit glauben machen wolltest? Wie du vielleicht auch dir selbst glauben machen wolltest?“

       Kurt: „Ach, was. Lass' mich in Ruhe. Du verstehst überhaupt nichts. Ich verschwinde.“

      16

       Da tat Brandon etwas, das keiner von beiden auch nur im Entferntesten erwartet hatte.

       Kurt konnte erneut dieses unheimliche Glühen erkennen, das diesmal um Brandon herum den Raum erhellte. Das Zimmer begann zu zittern und zu beben. Bilder fielen von der Wand und ein Schrank kippte

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