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Zeit mit nervösen Schlafstörungen, die ihn vorwiegend Untertags am Dirigentenpult zu überfallen drohten. Er bemühte sich deshalb auch um ärztlichen Beistand. Helfen konnte ihm niemand, nicht einmal eine flotte medizinisch ausgebildete Assistentin. Das daure eben alles seine Zeit, wurde ihm vertraulich des Öfteren zugeflüstert. Bloß eine Beruhigung seines Selbst trat nicht ein.

      Wie schon vorhin angemerkt, vertiefte er sogar in der Höchstform des Aufgewühlt-Seins seine geschäftlichen Beziehungen zum Graf Maxl.

      Ein psychologisch wertvoller, wohldurchdachter Pakt, den er mit seiner geschätzten Altistin auf der Bühne, zugleich seiner Ehefrau sozusagen im heimatlichen Hafen, geschlossen hatte, brachte schlussendlich die beiden auf die geniale Erleuchtung. Einzig und alleine aus der egoistischen Grundidee heraus, seine Schlafstörungen endgültig und dauerhaft beseitigen zu wollen, kam ihm das Übereinkommen mit seiner Alice auf wundersame Weise entgegen.

      Deshalb dachte er auch relativ lange darüber nach. So lange, bis die Bilder klar vor seinem geistigen Auge aufgetaucht sind. Dann formulierte und speicherte er die etwas verkompliziert anmutende Geschichte in seinem Hinterkopf beispielsweise so ab: Es würde ihn und seiner Alice eine besondere, allerdings hinterfotzige Ehre sein, die Neogutsfrau und ehemalige Sopranistin nach Salzburg einzuladen.

      Wesentlich weniger von seinem außerordentlich vorhandenen geistigen Fassungsvermögen verlangte das unter allen Umständen notwendige Gegengewicht. Es sollte nämlich ein virtuelles Zusammenspiel zwischen Mariella Nadja Todorova einerseits und mit ihrem ehemaligen Verehrer Santino abseits der Bühne werden. Hier in Bayern verwendete er den klangvollen, aristokratisch klingenden Namen - Maximilian Graf.

      Geschickt ließ Javier de Rossi von seinem Sekretariat alles soweit arrangieren, damit ja keine Zu- und Zwischenfälle seine Vorhaben plötzlich auf verschiedenen Gleisen in den Kopfbahnhof rollen.

      Das war schon eine Meisterleistung an verbrauchter Logistik, wenn man mit einem Auge scharf auf die Opernprämieren von Die Meistersinger von Nürnberg hinschielen musste und mit dem anderen ein Drama an übermenschlichem Wirrwarr in Szene setzen sollte. Aber ohne den Mechanismus der Regie zu Hilfe zu nehmen, geht es halt kaum bis gar nicht. Das ist im Reich der Kunst ebenso, als auch in der politischen Landschaft. Ob es einem nun recht ist oder nicht.

      Die Verteilung und die Bewertung der Freikarten zu den Erstaufführungen der Opern Don Carlo und Die Meistersinger von Nürnberg sowie dem Konzert El Sistema - Simón Bolívar String Quartett war ohnehin nur ein Klacks. Bei den Zimmerreservierungen da musste man sich schon sehr anstrengen, damit das gewünschte Ziel schließlich auch erreicht werden konnte. Ansonsten wäre der gesamte Plan vermutlich bereits am Beginn zum Scheitern verurteilt.

      Es war nicht nur die Unterbringung im selben Hotel während der Hochsaison und Festspielzeit ein Problem, sondern es sollten die zu buchenden Appartements im selben Stockwerk sein und womöglich noch Tür an Tür angrenzen. Das waren zwar der guten Wünsche viel auf einmal. Nahezu alle angesprochenen Hotelmanager bekamen heftigen Schluckauf ob dieser ausgefallenen Sonderwunschbetreuung. Ausgebucht ist ausgebucht, obwohl schon mitunter überbucht. Auch gut! Aber Badewannen kann man sehr schwer im Keller aufstellen, denn dort ruhen ja die fleißigen Mitarbeiter der Touristennächtigungsbranche.

      Nur Javier de Rossi, der so viel Geld in den verschiedensten Währungen zur Umsetzung für die Wirtschaftsbelebung der Stadt laufend mühsamst herankarrt, den muss man weiß Gott entgegenkommen. So angespornt ließ der Stardirigent all seine eingespannten Zugpferde vorrangig den schwerbeladenen Karren hauptsächlich im Festspielbezirk der Stadt in der herumziehen.

      Schließlich gelang es einer jungen frischgefangenen Mitarbeiterin, nach zweitägigen Umplanungen sämtlicher Fixtermine im Hotel, alle Wünsche ihres Chefs, zumindest die von ihm geforderten, auf einen Nenner zu heben. Das war jedenfalls eine sehr lobenswerte Aufgabenlösung, für die sich der Dirigent dann auch bei der jungen Frau mit einer zusätzlichen Freikarte bedankte.

      Und die hätte er sich auch sparen können. Sie hatte ja schon zwei. Aber es gab wie immer ein Schlupfloch. Nämlich der Schwarzmarkt. Dieser hatte in seiner Bewertung im Vorjahr ausgedehnte und wohl dotierte Ausmaße erreicht. Gerade dort wird hoffentlich so eine kleine Eintrittskarte von einer hübschen jungen Dame in Smartes umzuwandeln sein. So ähnlich könnte bei der Empfängerin der unkomplizierte Gedankenablauf, augenblicklich nach dem Erhalt des Tickets, über ihre geistige Bühne abgelaufen sein.

      Während der vergangenen zwei Wochen habe ich hin und herüberlegt, wie ich mit den Lesern, und zwar mit euch allen, ja genau mit ihnen auch, in Zukunft verkehren möchte. Bei uns im Pinzgau ist das nämlich so: Wenn man sich untereinander schon ein bisschen kennengelernt hat, so wie wir zum Beispiel, da genügt dann schon ein Nebeneinandersitzen im Theater oder halt auch im Caféhaus bei uns im Dorf. Dabei kann es schon vorkommen, dass man sich locker und ungezwungen miteinander zu unterhalten versucht. Die Themen über die man diskutiert sind dabei völlig wurscht und nebensächlich.

      Um es kurz zu machen, ich bin die Jeannine.

      Wer das nicht aussprechen kann, soll mich halt Schani nennen. Meinen Vornamen habe ich mir ja, wie die meisten Kinder auch, selbst nicht aussuchen dürfen. Als die Entscheidung bei meinen Eltern darüber gefallen ist, war ich ja noch ein kleiner Windel Popper. Pampas oder das andere moderne Zeugs gab es ja damals zu meiner Zeit noch nicht.

      So – ich möchte mich in aller Form zunächst bei euch für euer Verständnis bedanken. Ich glaube mir werden in Zukunft ganz gut miteinander auskommen. Für mich ist es jedenfalls angenehmer euch mit dem wohlwollenden Du anzusprechen, als mit dem ausgeflippten und überdrehten Siezen. Einverstanden?

      Ob das Du-Wort Angebot auch der vorwärtsdenkende bücherschreibende Erzähler je einmal annehmen wird? Darauf bin ich schon sehr gespannt.

      Ich werde es, trotz aller Bedenken, versuchen und mit euch ab sofort im Du-Jargon kommunizieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass Persönlichkeiten, wie zum Beispiel die Kanzlerin vom Nachbarland oder ein kaltgestellter Fifa-Präsident oder gar Unterstandslosgewordene diese Aufsätze ohnehin nicht lesen werden. Somit schließe ich ein Klagelied aus diesem Personenkreis jedenfalls aus.

      Vielleicht ist es Dir selbst schon aufgefallen, dass hin und wieder einige wenige Gedanken nach vorwärts in die versteckten Winkel in unser Dorfleben drängen. Bei mir ist es so. Wachsam und ängstlich zugleich beleben diese elitären Gedankensplitter eigentlich das Groteske, welche zu meiner Überraschung mit außergewöhnlichen Gedächtnissen ausgestattet sind.

      Wenn ich die Gelegenheit habe, so wie jetzt, und meine Scharfsinnigkeit nach vorwärts ausrichte, dann sind die vorherrschenden Wächter, die rund um meine Versuchsanstalt der Heiterkeit herumgeistern, gefordert. Sie alleine selektieren den Zustrom streng nach den Regeln der Gleichmäßigkeit. Sie riegeln ab und sie sperren ab. Aber trotz alledem gestatten meine Zerebrum-Garden auch manches Mal, jedoch nur für einen Augenblick, fremde Gedankencluster hinter meiner Fassade zu kratzen.

      Nur eines können diese Heerscharen wohl nicht: Mich daran hindern, mein Vorwärtsdenken zu beschleunigen. Im Grunde meines Herzens bin ich nicht dafür, mein Tempo zu erhöhen. Ganz im Gegenteil. Ich würde behaupten wollen, ich sei der Ursprung der Entschleunigung. Wohl weiß ich, dass die verordnete Entschleunigung in Wirklichkeit auf den Getreideacker gehört und dort abgedroschen werden sollte.

      Nur mir fehlen, so blöd das auch klingen mag, die passenden Worte dazu.

      Als ich so in mir selbst herumgestochert und wiederholt in diesem mir vorliegenden Manuskript nachgelesen habe, da stieß ich auch auf Anna Maria Fichtlzauber. Da habe ich aber meine Augen noch weiter herausgedrückt, den Absatz gleich zweimal gelesen und erstaunt meinen edlen Kopf geschüttelt.

      Da brauchst Du gar nicht zu grinsen. Ich weiß es ja, so edel ist er auch wieder nicht. Doch ich kann es bis heute noch nicht fassen, wie es dem Schreiberling gelingen konnte, diesen abgetakelten Jungbrunnen von einer ribiselsauren Frau kennenzulernen. Du wirst es ja irgendwo weiter hinten erfahren und einige unwichtige Details von ihr noch nachlesen können.

      Die Fichtlzauberin, wie sie in würdiger Weise von uns Einheimischen, allerdings hinter vorgehaltener Hand versteht sich, getauft worden

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