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JUSTITIAS BRUDER. Dietmar Kottisch
Читать онлайн.Название JUSTITIAS BRUDER
Год выпуска 0
isbn 9783847671985
Автор произведения Dietmar Kottisch
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Nein,“ bestätigte Oliver, „der Obdachlose hat sein Gesicht erkannt, sich Teile des Autokennzeichens und den Wagentyp gemerkt. Wahrscheinlich gibt es nicht so viele weiße Mercedeswagen mit diesen Endziffern. Und seine Mitarbeiter haben ihm aus loyalen oder anderen Gründen ein Alibi gegeben.“
„Und der Staatsanwalt hat im Grunde genommen nichts getan, um seinen Freund, den Minister, zu überführen. Weil sie alle beide in ein und derselben Partei sind.“
„Ich schlage vor, dass wir uns bei mir treffen, dann können wir über alles reden,“ sagte Oliver. „Entscheidend für meine jetzige Überzeugung war die Aussage des alten Mannes, dass sie ihn bestechen wollten. Ich bin auch der Meinung, dass wir es nicht einfach hinnehmen sollten.“
Sie vereinbarten den kommenden Mittwoch, Alex wurde auch informiert.
Alex und Jana saßen am Tisch und warteten auf Oliver, der in der Küche war, um Kaffee und Tee zu kochen. Als er serviert hatte, setzte er sich dazu.
„Also, ich denke, wir sind hier, um etwas zu unternehmen. Dein Artikel über Janas Bemerkung hat nicht die erhoffte Resonanz gehabt, wenn wir mal von dieser lächerlichen Anzeige absehen. Ein paar Leserbriefe über diese Sauerei, das war schon alles,“ leitete Oliver die Versammlung ein.
„Könnten die Eltern der Kleinen das Urteil anfechten, wenn es nicht der Staatsanwalt macht?“ fragte sie.
„Der wird es nicht tun, das steht fest. Und die Eltern haben nicht die Kraft, als Nebenkläger Berufung einzulegen; ich habe ihnen eine kostenlose Vertretung angeboten, die sie abgelehnt haben. Und ich bezweifle, dass sie diesen juristischen Leidensweg durchhalten würden.“
„Ich auch,“ sagte Alex, „…wir sollten die Sache in unsere Hände nehmen.“
„Wenn wir…, ich meine, …wenn wir einen der Meineidszeugen mal befragen, ob dessen Aussage wirklich stimmt….“ bemerkte Jana mit der Betonung auf das Verb befragen.
„Wie befragen? Freiwillig wird er uns wohl keine Auskunft geben,“ sagte Oliver.
Alex lachte. „Sie meint, wir sollten ihn zur Brust nehmen, Oliver.“
Jana konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Oliver lächelte zurück. „Hab verstanden.“
„Ich könnte zum Beispiel mal nachprüfen, ob Kammer was auf dem Kerbholz hat,“ schlug Alex vor.
Jana und Oliver nickten. „Also treffen wir uns morgen wieder hier,“ sagte Oliver.
Oliver studierte meistens abends die Fachbroschüren und die juristischen Neuigkeiten.
Er saß gemütlich in seinem Sessel. Die untergehende Sonne warf Schatten seiner am Fenster stehenden Yuka Palme auf die Wand. Eine CD spielte Antonio Vivaldi. Ein Glas Weißwein sorgte für seine innere Ruhe. Er war in Gedanken bei Jana.
In einem Bericht vom gestrigen Tag stutzte er, als er den Namen Reinhard Kammer las. Er schaute sich den Artikel genauer an. Kammer hielt in Berlin vor Juristen einen Vortrag über die Rechtsprechung in der Europäischen Union. Als Oliver das Datum sah, hielt er inne und sein Herz setzte für einen Schlag aus. Er trank einen Schluck Wein, las den Artikel noch einmal und spürte ein inneres Feuer auflodern, das in ein unbeschreibliches Glücksgefühl mündete.
Am nächsten Tag rief er das Hotel „ADAGIO“ an, in dem die Tagung stattfand und erkundigte sich, wann sie damals begann und um wie viel Uhr sie zu Ende war. Der Portier blätterte in einem Terminkalender und teilte mit, dass sie um acht anfingen und um dreizehn Uhr des gleichen Tages beendet war. Oliver bedankte sich.
Wenn das stimmte, musste Kammer vor dreizehn Uhr gesprochen haben und konnte nicht um zwölf Uhr vierzig in Wiesbaden sein. Berlin ist von Wiesbaden zirka 6 Stunden entfernt.
Er rief sofort Jana und Alex an. Innerhalb einer Stunde waren sie bei ihm. Er kochte zwischenzeitlich Kaffee, und als sie eintrafen, deutete er auf die Stühle. „Setzt euch.“
„Ich hab was gefunden,“ eröffnete er.
„Erzähl schon,“ bat Alex und zündete sich eine Zigarette an.
„Kammer war gar nicht in seinem Büro im Ministerium, sondern in Berlin auf einer Juristen Tagung….und ratet mal, wann.“
Jana stutzte. „Sagen Sie es…ich ahne da was!“
„Am siebzehnten Oktober um die Mittagszeit…“
„Nein!“ Sie sprang vom Stuhl auf und lief im Zimmer herum.
„Ja. Da kann er gar nicht bezeugen, dass sein Chef im Ministerium war. Das haut zeitlich und von der Entfernung her nicht hin.“
„Ich hab den Bericht hier.“ Er legte die Fachbroschüre auf den Tisch.
Jana setzte sich wieder und schüttelte den Kopf. “Das ist unglaublich.“
„Dieser Drecksack…“ bemerkte Alex. „Den holen wir uns.“
Dann sah er zu Jana: „Erfüllt sich doch Ihr Wunsch, von wegen befragen…“
„Mein Gebet wurde erhört,“ antwortete sie süffisant.
„Ich werde ihn gleich morgen anrufen,“ schlug Alex vor. Die zwei nickten. „Wir wollen mithören, du musst aber das Gespräch aufzeichnen,“ erinnerte Oliver.
„Mir fällt da was ein. Es wäre doch interessant, mit diesem alten Mann zu reden, der im Gerichtssaal behauptet hat, dass ihn jemand schmieren wollte,“ schlug er vor.
„Stimmt. Die Adresse war doch ein Obdachlosenheim.“
„Obdachlosenheim „Franziskustreff“ in Frankfurt,“ erinnerte sich Jana, „in der Nähe der Kleinmarkthalle.“
„ Ich fahre am besten gleich hin,“ sagte Oliver. „Es wäre besser, wenn ich ihn alleine besuche.“
Oliver betrat das Heim „Franziskustreff“. Man sagte ihm, Very teile mit drei Männern im zweiten Stock ein Zimmer. Oliver klopfte an. Nach dem „Herein“ betrat er den etwa 20 Quadratmeter großen Raum. Zwei Männer lagen auf ihren Betten, Very saß an einem Tisch und schrieb etwas. Oliver entschuldigte sich und fragte, ob er einen Ludwig Very sprechen könne. Der alte Mann musterte ihn. „Ich bin es, und ich kenne Sie. Sie waren damals bei dem Unfall dabei, oder?“ „Ja, aber ich habe leider nichts gesehen.“ Very schraubte seinen Füllfederhalter zu, Oliver staunte.
„ Und im Gerichtssaal waren Sie auch. Was möchten Sie von mir?“
„Man hat Sie im Gerichtssaal beleidigt, Ihre Aussage in den Dreck gezogen, sie bewirkte gar nichts.“
Der alte Mann nickte. Oliver fuhr fort. „Ich bin Rechtsanwalt. Ich möchte den Fall neu aufrollen, weil ich glaube, dass da einige Leute ein paar Leichen im Keller haben. Erzählen Sie mir doch bitte, wie das mit dem Bestechungsversuch vor sich ging.“
„Wenn es Ihnen hilft.“ Er deutete auf einen freien Stuhl, und Oliver nahm Platz. Die anderen zwei setzten sich auf.
„ Ich bekam Besuch von einem Mann, dessen falscher Bart und die gefärbten Haare mir gleich auffielen. Er hieß Johann Liedmann, wenn es sein richtiger Name war, was ich bezweifle. Er lud mich zum Essen ein und bot mir tausend Euro, wenn ich meine Aussage zurücknehme. Ich lehnte ab, er erhöhte auf dreitausend, ich lehnte ebenso ab.“
Die anderen beiden Männer schauten Very an, als habe er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
„Das war alles. Aber zwei Tage vor Prozessbeginn wurde ich von drei Schlägertypen hier im Zimmer überfallen. Sie wollten mich heraus schleppen, aber meine Kollegen gingen dazwischen und die drei Typen gaben auf. Ich kann es nicht beweisen, aber da wollte jemand meine Aussage vor Gericht verhindern. Weiß der Teufel, was die Schlägertypen mit mir gemacht hätten.“
Oliver starrte ihn an. Unter den Barthaaren