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gewartet, weil ich mit Johann Klinger dort verabredet war. Er kam gegen 18:45 Uhr. Er war für seine Versicherung bei mehreren landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Kreis unterwegs gewesen.“

      „Sie werden neben dem Diebstahl der Musikinstrumente beschuldigt, gemeinsam mit Johann Klinger die Brandstiftung am Freitag, dem 27.9.gegen 19:00 Uhr in dem Betriebsgelände des VEB Musikinstrumentenbaus begangen zu haben, nehmen Sie auch dazu Stellung“, fordert der Hauptmann seine Gefangene, für sie völlig überraschend auf „So ein Unsinn“, war ihre erste sehr spontane Reaktion. Petra war verblüfft und erschrocken. Sie hatte bisher überhaupt nicht gewusst, dass der Brand in der Fabrik durch eine Brandstiftung verursacht wurde. Die gesamte marode Substanz des Betriebes ließ eine Havarie viel wahrscheinlicher erscheinen. Langsam wurde ihr klar, weshalb die so einen Aufwand betrieben.„Ich hatte doch gar keinen Grund!“, reagierte sie empört.

      „Ihr Freund ist katholisch?“ stellte der Hauptmann mit einer Bemerkung, halb Frage fest und wollte offenbar eine Bestätigung von Petra hören. „Was hat das mit der Brandstiftung zu tun?“

      „Nochmals, die Fragen stelle ich“, wies der Hauptmann Petra zurecht. Petra registrierte bei dieser Zurechtweisung den mühsam unterdrückten Wutausbruch des Hauptmanns. „Johanns Bekenntnis zur Religion und mein Zusammenleben mit ihm ist doch kein Grund, mich der Brandstiftung zu bezichtigen. Wir waren doch nur 20 Minuten im Betrieb und die gesamte Zeit zusammen.“ „In Ihrer Wohnung wurden neben den gestohlenen Instrumententeilen Kohlenanzünder, Haushaltskerzen und Löschblätter sichergestellt. Es handele sich um die gleichen Gegenstände, die bei der Brandstiftung für die Brandsätze verwendet wurden.“ Petra wurde langsam wütend. „Diese Artikel gibt es in vielen Geschäften zu kaufen. Weil wir Kohlenöfen in der Wohnung haben, brauchen wir auch Kohlenanzünder. Das Wohnhaus hat im Keller keine elektrische Beleuchtung. Zum Kohlenholen aus dem Keller leuchten wir mit den Kerzen. Wenn der Besitz dieser Gegenstände uns bereits zu Brandstiftern macht, dann müssen Sie die halbe Einwohnerschaft dieser Stadt beschuldigen.“

      Es ging noch einige Zeit so weiter. Petra bestritt jede Täterschaft entschieden.

      „Ich bin mit Ihrer Verhaltensweise nicht einverstanden“, merkte Hauptmann Hammer nach einiger Zeit an. „Wir werden deshalb die Vernehmung jetzt unterbrechen und ich biete Ihnen Gelegenheit, über Ihre Situation nochmals nachzudenken. Ein der Wahrheit entsprechendes Geständnis könnte Ihre Lage und die Position Ihres Freundes ganz entscheidend verbessern. Ich gehe inzwischen zum Staatsanwalt des Kreises und werde dort die Beantragung eines Haftbefehls gegen Sie wegen des Verdachts der Brandstiftung vorschlagen. Danach werden wir die Vernehmung fortsetzen und es wird von deren Ergebnis und Ihrer Aussage abhängen, ob die Haftbefehle beantragt, erlassen und vollzogen werden oder nicht.“ Nach Betätigung eines Klingelknopfes unter dem Schreibtisch des Hauptmanns erscheint eine weibliche Polizeiangehörige und Petra wird mit angelegten Handschellen in einen Verwahrraum abgeführt.

      „Ich habe die Vernehmung dann unterbrochen und bin zu Ihnen gekommen“, berichtet Hauptmann Hammer dem Kreisstaatsanwalt über den Stand der Vernehmung der Petra Schöne. „Die Fortsetzung der Vernehmung bringt im Moment nichts. Von ihr ist ein Geständnis jedenfalls zur Zeit nicht zu erwarten. Ich schlage vor, sie unter Auflagen zu entlassen.“ Der Staatsanwalt stimmte zu und beide beschlossen, dass die Vernehmung des Johann Klinger alsbald durchzuführen sei.

      Zurück im Kreisamt rief der Hauptmann den Oberstleutnant Eifert an und informiert diesen über den Stand der Ermittlungen und über die Entscheidung des Kreisstaatsanwaltes. Oberstleutnant Eifert stimmte ebenfalls zu, so zu verfahren.

      Gegen 8:30 Uhr am 30.9. wird die Tür zu der Zelle, in der Petra Schöne sich befindet, aufgeschlossen und sie wird aufgefordert, zu folgen. Sie wird erneut in das Vernehmungszimmer

      vom gestrigen Tage gebracht. Dort wird sie von Hauptmann Hammer erwartet, auch Leutnant Ehrlich ist auch wieder anwesend. „Das Vernehmungsprotokoll Ihrer gestrigen Vernehmung wurde fertig gestellt, unterschreiben Sie.“ Ohne Begrüßung und ohne weitere Einleitung verweist der Hauptmann auf einen Tisch, auf dem mehrere mit Schreibmaschine beschriebene Seiten abgelegt sind. Petra liest aufmerksam den Text und unterschreibt. „Sie können jetzt gehen. Aber Sie erhalten die Auflage, sich bis auf Widerruf ohne meine Genehmigung nicht aus dem Stadtgebiet zu entfernen. Sie werden ohne meine Zustimmung den Wohnsitz und den Arbeitsplatz nicht wechseln. Ihr Personalausweis bleibt einbehalten. Sie haben binnen 24 Stunden einen vorläufigen Personalausweis PM beim Pass- und Meldewesen des Volkspolizeikreisamtes zu beantragen, damit sind Sie bis zur Aufhebung dieser Auflagen vom visafreien Reiseverkehr in das sozialistische Ausland ausgeschlossen. Außerdem haben Sie über den Gegenstand und den Verlauf der Vernehmung und die in diesem Zusammenhang erlangten Kenntnisse Stillschweigen zu bewahren. Verschwinden Sie jetzt, aber denken Sie daran, ich bin mit Ihnen noch nicht fertig.“ Es dauerte noch eine weitere Stunde, bis Petra tatsächlich das Volkspolizeikreisamt verlassen konnte. Ihr wurden die Handschellen abgenommen. Ohne ein Wort zu sagen und ohne einen der Anwesenden auch nur anzusehen, verließ Petra den Raum und das Kreisamt. Es war Montag der 30.9. um 11:30 Uhr.

      Petra ging nach Hause. War Hans schon da? Sie rannte fast die Treppe hinauf. Sie klingelte, niemand reagierte. Sie durchsucht ihre Taschen und fand vor Aufregung den Wohnungsschlüssel nicht. Frau Neumann, hoffentlich ist sie zu Hause. Sie war eine Nachbarin, die einen Wohnungsschlüssel hatte, um bei ihrer Abwesenheit gelegentlich nach dem Rechten zu sehen. Petra lief in die untere Etage und klingelte. Frau Neumann öffnete und erschrak. Petra Schöne, immer lebensfroh, fröhlich, gut angezogen stand vor ihr, völlig von der Rolle. Sie sah erschöpft aus, die Haare ungekämmt, die Gesichtshaut stumpf und grau, die Kleidung zerknittert. Selbstverständlich hatte sie die Hausdurchsuchung wahrgenommen. Besonders rücksichtsvoll waren ja die Polizisten nicht vorgegangen.

      Sie nahm Petra an den Händen und führte sie in ihre Küche. Dort reichte sie ihr zunächst frisch gebrühten Kaffee und schmierte ihr zwei Brötchen. Petra griff fast gierig nach den Speisen. Sie hatte seit Sonnabend früh 10:00 Uhr nichts zu essen und kaum zu trinken erhalten, jetzt war es Montag am Mittag. Nachdem Petra gegessen und getrunken hatte, erzählte sie der Nachbarin den Verlauf der vergangenen Stunden, es musste einfach raus. Die Nachbarin war eine gute Zuhörerin. Nein, Johann Klinger hatte sie seit der Festnahme nicht gesehen, sie hätte es bestimmt bemerkt. Petra ging mit der Nachbarin in die eigene Wohnung. Frau Neumann heizte den Kohlebadeofen an und 20 Minuten später konnte Petra erst einmal baden Sie war der Nachbarin für die wie selbstverständlich erbrachte Hilfe dankbar.

      Nach dem Bad, – was nun? Der Anblick der Wohnung war niederschmetternd. Überall in den Wohnräumen lag der Inhalt aus Schränken und anderen Behältnissen verteilt herum. Kein Möbelstück stand an seinem ursprünglichen Platz. Frau Neumann legt beruhigend eine Hand auf Petras Schulter: „Das bringen wir schon wieder in Ordnung, ich helfe Ihnen dabei.“

      Petra war müde. Sie würde sich erst einmal hinlegen, das Erscheinen von Hans würde sie bestimmt bemerken. Die Aufräumaktion konnte warten.

      Kapitel 3

      Johann Klinger war genervt. Seit Sonnabend, 10:00 Uhr hatte er nichts mehr gegessen. Was wollten sie von ihm? Der Diebstahl der Instrumente konnte doch nicht der Grund sein. Das Warten zermürbte, er fühlte sich ungewaschen. Es war verrückt, dieses endlose Warten. Die Zelle, beschönigend als „Verwahrraum“ bezeichnet, war ein grauer und mit Ölfarbe gestrichener, zwei Mal drei Meter großer düsterer Raum im Keller des Volkspolizeikreisamtes. An einer Außenwand unter der Decke war ein vergittertes Fenster in der Größe eines Kellerfensters. Durch den vor dem Fenster befindlichen Lichtschacht gelangte nur diffuses Tageslicht in die Zelle. An der Decke befand sich eine vergitterte Glühlampe mit einer Glasabdeckung. Der Raum machte nicht nur einen schmutzigen Eindruck, er war völlig verdreckt. Ein Stahlgestell mit schmutzigen und durchgelegenen Matratzen bildete die Schlafgelegenheit, der Holzschemel komplettierte die spartanische Möblierung. Geschlafen hatte er seit seiner Verhaftung fast nicht, er kam sich wie gerädert vor.

      Ein lautes Schließgeräusch weckte Johann aus einem Tagtraum. „Folgen Sie mir“, ein Polizist in der Tür unterstrich die Aufforderung mit einer unmissverständlichen Geste. Johann musste die Hände vorstrecken, es wurden ihm Handschellen

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