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wurde in die Waschküche getragen und kopfüber in einen Eimer mit Seifenlauge getaucht.

      *

      An den Ohren! Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Malcolm sich größer zu sein. Nachdem die Frau ihn fast zerquetscht und ertränkt hatte, hängte sie ihn an einer Wäscheleine auf. Mit zwei hölzernen Klammern, zwischen nassen Socken und Unterhosen.

      Unter der Leine stand Astor und winselte unglücklich. Trotz seines eigenen Elends tat der Hund ihm leid. Er musste sein ganzes Leben mit diesen Grobianen verbringen, ohne ihre Sprache zu verstehen und war ihnen völlig ausgeliefert. Malcolm versuchte sich vorzustellen, wie das wohl war. Eine Träne kullerte ihm aus dem Auge und blieb in seinem Fell hängen.

      »Er tropft immer noch.« Der Bauer trat an die Wäscheleine heran und wischte Malcolm die Träne aus dem Gesicht. »Sie mal, fast könne man meinen, er weint.«

      »Kindskopf.« Die Hände der Frau befummelten Malcolm. »Wenn er aufhört zu tropfen, setzen wir ihn am besten auf die Heizung, damit er nicht schimmelt. Und du hältst dich fern von ihm!«

      Wieder wurde Astor beiseite geschoben. Der Hund drehte sich im Kreis und bellte. Malcolm blickte zwischen seinen baumelnden Beinen hindurch und beruhigte den Hund mit seinen Gedanken. Er wollte nicht, dass der Spitz seinetwegen gescholten wurde.

      *

      Glenn sagte immer: »Wenn das Schicksal Ping Pong mit dir spielt, mach das Beste aus der Situation« und genau das würde er tun.

      Er würde bei diesen Menschen bleiben, die ihm mehr oder weniger in den Schoß gefallen waren und hier seine Studien beginnen. Die Menschen beherrschten die Welt und Bob hatte gesagt, dass es die Pflicht des Clans war, sie zu beobachten und zu studieren. Und wenn man ein geeignetes Exemplar fand, sanft Einfluss auf sie zu nehmen. Vielleicht gelang es dem Clan dann, sie davon abzuhalten sich selbst und die Welt zu zerstören.

      Der Bauer kam ins Zimmer. Eigentlich schlich er herein, beobachtete Malcolm amüsiert. Der Mann fürchtete sich tatsächlich davor, dass seine Frau ihn auslachte.

      Owen, so war sein Name, blieb vor der Fensterbank stehen, auf die man Malcolm, in einem kleinen Schaukelstuhl, gesetzt hatte und lächelte glücklich.

      »Du siehst genauso aus, wie der Teddy, den ich als kleiner Junge hatte.«

      Sanft strich einer der dicken Finger über Malcolms Gesicht.

      »Er hieß Beowulf, weißt du. Du brauchst auch einen Namen.«

      Überlegend trat Owen einen Schritt zurück. »Warte, wie nennen wir dich?« Sein Lächeln vertiefte sich. »Malcolm!«, rief er. »Was hältst du von Malcolm?«

      Prima, dachte Malcolm. Menschen waren ja noch einfacher zu beeinflussen als ihre Hunde.

      *Ende*

      In einem dichten Wald unweit der Küste gab es eine Hütte, die von jedermann gemieden wurde. Nicht einmal Hirten wagten es, ihren verirrten Tieren auf dem Pfad dorthin zu folgen. Lieber gaben sie die Tiere verloren.

      Ganz in der Nähe lag ein Dorf, in dem ein Junge lebte, der an einer furchtbaren Krankheit litt, die man gemeinhin als Neugier kennt. Kaum hatte er von der Hütte gehört, da drängte es ihn, dorthin zu gehen. Die Warnungen seiner Eltern fruchteten nicht. Ebenso wenig wie die der Weisen des Dorfes. Den Pfarrer, der ihn besonders eindringlich vor der Hütte warnte, fragte Dankmar unverfroren: »Bist du dort gewesen? Hast du mit deinen eigenen Augen gesehen, dass sich dort die Tore der Hölle öffnen?«

      Am Ende lief er seinen Eltern fort, um die Hütte zu suchen. Da hob ein großes Wehklagen an, aber keiner im Dorf wagte es, ihm zu folgen. Lieber las man die Totenmesse für ihn.

      Dankmar aber zog guten Mutes dem Unbekannten entgegen. Schier endlos zog sich der Weg dahin. Immer wieder musste er umkehren, weil ein Weg in einer Sackgasse endete und bald hatte er jede Orientierung verloren. Zuletzt aber fand er die Hütte.

      Sie war winzig und auf der Türschwelle lag eine Kreuzotter. Drohend hob sie dem Kopf und zischte warnend, als er näher kam. „Lass mich durch, Schlange«, forderte er. „Ich muss da hinein.«

      „Weshalb?«, fragte sie.

      „Weil ich es will«, antwortete er ehrlich. Und auf ihre nächste Frage, was er denn zu finden hoffte, entgegnete er mit derselben Offenheit: »Das weiß ich nicht.« Hinter der Schlange öffnete sich die Tür und die Kreuzotter glitt rasch fort.

      Jetzt wurde es Dankmar doch ein bisschen bange ums Herz. Trotzdem trat er ein. Die Tür schloss sich hinter ihm und Dankmar fand sich in absoluter Finsternis wieder. Die Hütte ist nicht sehr groß, dachte er. Also muss ich bloß zur Wand laufen und mich daran entlang tasten. Er streckte eine Hand vor und lief und lief und lief. Trat er auf der Stelle? Dankmar tastete nach der Tür. Sie war nicht da, genauso wenig wie eine Wand. In seinem Herz regte sich Furcht, aber der Verstand brachte es zur Ruhe. Das war doch ein ganz spannendes Problem. Und es war Seins.

      Aufs Geratewohl ging er los, bis er mit dem Fuß gegen etwas stieß. Es war eine Kerze und direkt daneben lag Zunder. Dankmar entzündete sie. Der Docht brannte ruhig und nicht sehr hell. Etwas mehr Licht würde nicht schaden, dachte er und die Kerze brannte heller. Noch einmal dachte er: Mehr Licht! Und wieder wurde es heller.

      Jetzt sah das Zimmer gar nicht mehr so groß aus und auf einer Wand, ihm gegenüber, sah er einen Schemen. Dankmar wandte sich um. Niemand stand hinter ihm. Narr, schalt er sich, hast Angst vor deinem eigenen Schatten. Er setzte sich vor die Kerze. Sein Schatten blieb stehen.

      Das war seltsam! Er stand auf und sein Schatten setzte sich. Eine Weile trieben sie dieses Spiel, bis Dankmar es müde wurde und sitzen blieb. »Mir werden die Beine schwer«, klagte der Schatten, mit einer Stimme die wie Dankmars klang. »Dann setz dich halt«, schlug Dankmar vor.

      Tatsächlich setzte sein Schatten sich. Nach einer Weile fing er an zu zappeln. »Sitz still!«, brummte Dankmar. »Ich versuche zu denken.« Sein Schatten erstarrte vor Angst. »Denken«, würgte er hervor. »Du machst alles falsch«, nörgelte er dann. »Du musst umher rennen und Gott um Hilfe anflehen.«

      Warum er das tun sollte, fragte Dankmar. Weil du allein in der Stille sitzt und mit deinem Schatten sprichst, argumentierte sein Schatten. Guter Punkt, dachte Dankmar. Was aber, wenn das gar nicht sein Schatten war? Vielleicht trieb hier jemand einen bösen Schabernack mit ihm. Mehr Licht, dachte er. Und wieder funktionierte es. Die Flamme brannte heller. Er forderte weiteres Licht, um seinen Schatten besser sehen zu können.

      Der rannte umher und schrie, denn um ihn herum war alles voller Monster. Dankmar erkannte Pestilenz, mit ihrem abscheulich verunstalteten Gesicht, Hunger mit seinen eingefallenen Wangen, Krieg mit bluttriefenden Waffen und den Tod, mit seiner Sense.

      Er starrte die Vier an und sie starrten zurück. Dankmar wandte sich um. Da standen sie leibhaftig vor ihm. Wieso verhalten sie sich wie ihre Schatten, überlegte er überrascht, wo doch der Seine das Gegenteil von dem tat, was er machte.

      »Weil die menschliche Natur zwiespältig ist«, erklärte Tod.

      Dankmar wollte eben darüber nachdenken, als sein Schatten flehte. »Weniger Licht, weniger Licht, dann muss ich sie nicht sehen.« Etwas nicht sehen, heißt nicht, dass es nicht da war, belehrte er seinen Schatten. Und der Tod bestätigte: »Wir sind immer da.«

      Dankmar ignorierte seinen Schatten, der jetzt kniete und mit lauter Stimme betete und dachte darüber nach, wie der Tod das mit der Zwiespältigkeit gemeint hatte. Schließlich gestand er, dass er das nicht verstand. »Stört es dich, wenn wir uns setzen?«, fragte der Tod. »Wir sind schon ein wenig älter und vor allem Hunger hat Probleme auf den Beinen zu bleiben.«

      Dankmar rutschte ein Stück zur Seite, damit sie alle um die Kerze Platz hatten. Mit sonorer Stimme erläuterte Tod ihm, dass Menschen sich scheuten ihren Verstand zu nutzen, damit sie sich keiner komplexen Wahrheit stellen mussten. Und vor allem nicht der Letzten. »Wer seine Existenz erkennt, akzeptiert auch die Unausweichlichkeit seines Todes«, schloss er.

      Dankmar

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