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nichts. Ich zog Tim noch etwas höher. Seine Beine über meine Schulter gezogen, rüttelte und schüttelte ich ihn. Immer wieder schlug ich mit einer Hand zwischen die Schultern auf seinen Rücken und plötzlich plopp, da flog alles aus ihm raus, das Plastikteil samt Essen von ein paar Stunden zuvor. Ein lauter Schrei „Auaaaaa“ - als er begann zu weinen, waren wir heilfroh. In diesem Moment fuhr der Krankenwagen vor, ich sehe den Krankenwagen noch heute, wie er mit Blaulicht die Straße direkt auf unser Haus zuraste. Als die Rettungskräfte unsere Wohnung betraten, hielt ich meinen Sohn immer noch kopfüber vor meiner Brust. Voll mit dem, was in Tim steckte und was aus ihm heraus kam, übergab ich meinen Sohn an die Rettungskräfte. Uschi war fix und fertig. Ich fuhr mit Tim ins Krankhaus, zwecks Röntgen und weiterer Untersuchungen.

      Im Krankenwagen war für Tim die Aufregung schon längst vorbei. Er hatte es vielmehr auf die Instrumente im Rettungswagen abgesehen, die sein Interesse weckten. Einen kleinen Teddy, gab es auch noch für den Helden, der seine Eltern so in Angst und Schrecken versetzt hatte. Im Krankenhaus wurde Tim eingehend untersucht und wir konnten ein paar Stunden später das Krankenhaus ohne Sorgen verlassen. Mit einem Taxi traten wir den Heimweg an. Was Tim an diesem Tag am meisten faszinierte, war die Fahrt mit dem Rettungswagen und dem Taxi.

      Das ging mir durch den Kopf, als Uschi fragte, ob ich nun zufrieden sei. Es ging mir nicht um Zufriedenheit, es ging mir auch nicht um persönliche Eitelkeiten, es ging mir schlicht und ergreifend um unsere Familie. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass sich jemand bei uns einschlich, der mit uns nichts zu tun hatte. Es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, mit einer anderen Frau, die verheiratet ist und Kinder hat, eine Beziehung einzugehen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, in eine andere Familie „einzudringen“ und diese Gemeinschaft zu gefährden.

      Ich hatte jetzt einen Feind, den ich noch nicht einmal kannte, der jetzt aber zwischen Uschi und mir stand. Es galt, meine Familie und vor allem meine Kinder vor diesem Typen zu bewahren. Ich schlug Uschi vor, dass wir kurzfristig in den Urlaub fahren, am besten sofort nach Holland an die See. Irgendwohin, Hauptsache, weg und ein paar Tage raus. Uschi lehnte das ab. Sie wollte sich selber finden, sie wäre in einer Selbstfindungsphase. Ich fragte: „Selbstfindungsphase? Was ist das denn jetzt für ein neumodischer Schnickschnack. Welcher Mensch über 30 braucht noch eine Selbstfindungsphase? Da sind zwei Kinder in ihren Zimmern, die haben vielleicht noch eine Selbstfindungsphase. Wir aber haben eine große Verantwortung gegenüber unseren Kindern, wir können uns solche Phasen gar nicht leisten. Was sollen die Kinder von uns denken, wenn Mama und Papa nicht wissen, was sie wollen?“ Natürlich gab sie keine Antwort auf meine Interpretation von „Selbstfindungsphase“ und so gingen wir mit völlig unterschiedlichen Gedanken schlafen.

      Ich mit den Gedanken an die Selbstfindungsphase und ihre Bedeutung für meine Familie und Uschi mit welchen Gedanken auch immer. Ich hätte gerne hinter diesen Dickschädel geschaut, um zu wissen, was sich dahinter abspielt – aber, man schaut den Menschen nur vor den Kopf.

      Durch dick und dünn, aber nicht durch dick und doof

      Die nächsten Tage stand ich jeden Morgen mit Magenbeschwerden auf. Diese seltsamen Schmerzen sind schwer zu beschreiben. Im Grunde sind es auch keine Schmerzen, es ist eher ein dumpfes, taubes Gefühl, das mir die Luft nahm, ein Gefühl, das mir vom Magen in den Kopf stieg. Die Kopfhaut schien von innen zu jucken. Der Schädeldruck stieg und das einzige, was hätte helfen können, wäre eine Art Schiebedach in der Schädeldecke, damit der innere Druck entweichen kann. Mein ganzer Körper stand innerlich unter extremer Spannung und mein Vertrauen in Uschi sank auf ein Minimum.

      Mein Misstrauen war nicht unbegründet, denn dieser Freddy ließ nicht locker, er wollte Uschi unbedingt weiterhin treffen und faselte ihr etwas von der großen Liebe vor. Eines Tages ging bei uns mittags das Telefon. Ich ging ran und da war er, dieser Freddy, den ich nicht kannte, aber hasste. Er fragte nur, ob bei uns alles o.k. sei und wollte sich schon verabschieden, doch bevor er auflegen konnte, gab ich ihm folgenden Tipp: „Pass auf: Du rufst hier nicht mehr an, du fährst hier auch nicht in der Nähe unseres Hause vorbei und wenn ich dich hier sehen sollte, dann Gnade dir Gott. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!“ Wenn er an diesem oder einem der folgenden Tage bei uns aufgetaucht wäre, hätte es kein gutes Ende genommen.

      Dieser Typ war allerdings hartnäckig wie Dreck und Uschi, die mir zwar etwas anderes versprochen hatte, machte munter weiter und traf sich mit ihrem Freddy. Mir reichte es! Ich werde nie vergessen, wie sie im Badezimmer stand, sich die Haare föhnte und ich ihr sagte: „Ich muss was erledigen, ich bin in zwei bis drei Stunden wieder da.“ Uschi ahnte wohl, was ich vorhatte und wurde fast hysterisch.

      „Mach jetzt nichts Falsches, Markus, mach jetzt nichts Unüberlegtes“ schrie sie mir, den Föhn in der Hand schwenkend, hinterher. Ich stieg trotzdem in meinen Wagen und fuhr in Richtung Münster, um Freddy einen Besuch abzustatten. Ich war geladen und auf 180. Von unterwegs rief ich meinen Freund mit dem Hasenkostüm an und sagte ihm, dass ich jetzt auch voll in der Scheiße stecke und ich mir diesen Freddy vornehmen würde.

      „Markus, bau bloß keinen Mist. Wo bist Du? Komm zu mir und wir reden darüber.“ Aber, ich wollte nicht mit anderen Menschen darüber reden, sondern mir diesen Vogel zur Brust nehmen.

      Ich fand das Haus, in dem er eine Wohnung hatte und klingelte an der Tür, ich klingelte noch mal - aber der Vogel schien ausgeflogen zu sein. Ich beschloss etwas weiter zu fahren, den Wagen woanders abzustellen, um dann 30 Minuten später wieder anzuklingeln. Und siehe da, eine Stimme an der Gegensprechanlage sagte: „Ja“. „Ja, hier ist auch Ja. Du bist doch der Typ, der was mit meiner Frau angefangen hat und ich denke, wir sollten uns mal unterhalten.“ „Über was denn?“ - fragte die Stimme etwas kleinlaut durch die Gegensprechanlage. „Wenn du nicht sofort runter kommst, dann brauchst du diese Tür nicht zu öffnen, aber ich garantiere dir, dass ich in einer Minute bei dir sein werde und dann bin ich nicht mehr so höflich.“ Nervös sagte mir die Stimme, zu der ich immer noch kein Gesicht hatte: „O.k. ich komme, ich hoffe, das wird jetzt nicht so eine Stressnummer.“ Ich wiederholte: „Komm runter, ich warte hier.“ Nach zwei Minuten kam er. Ein schmales Hemd, etwas kleiner und schmächtiger als ich, etwas zu dürr geraten, blonde dünne und für sein Alter – Ende 30 - sehr wenig Haare auf dem Kopf. Ein Typ, der nicht auffällt und von der Haarpracht eher einer Figur aus Ute, Schnute, Kasimir ähnelte. Ich dachte - das darf doch nicht wahr sein, so eine graue Maus? Ich hätte Uschi echt einen besseren Geschmack zugetraut, aber dieser Typ? Der ist ja eher eine Beleidigung für meine Augen. Wäre er wenigstens so ein Typ Antonio Banderas gewesen, dann hätte ich das noch verstanden, aber so? Jetzt verstand ich, warum diese Luftpumpe hinter meiner Uschi her ist. Er hatte wirklich von allem Nichts. Und von Nichts hatte er jede Menge. Mir wollte dieser Spargeltarzan jetzt erzählen, wie toll alles mit Uschi wäre. Außerdem würde bei uns ja nichts mehr laufen und die beiden wären schon seit mehr als sechs Monaten ein Paar. „Upps, sechs Monate?“ Da klingelte es doch gleich bei mir. Wir haben jetzt August, im Mai waren wir in der Türkei, dann wären die beiden ja schon seit Februar ein Paar. Freddy wollte sogar, dass Uschi, vor unserem Türkei-Urlaub die Beziehung mit mir beendet. Uschi hätte ihm aber gesagt, das könne sie den Kindern nicht antun, weil sich Max und Tim so auf den Urlaub freuen würden.

      Jetzt ergab Uschis Verhalten im Urlaub auch einen Sinn und mit Biene an ihrer Seite, hatte sie eine Lehrmeisterin par excellence gefunden.

      Ich hörte ihm mehr zu, als dass ich ihn ausfragte. Er war selbst von sich begeistert und lächelte mich all die Zeit von oben herab an, so wie einer, der über den anderen genau Bescheid weiß und ein Ass nach dem anderen aus dem Ärmel zieht. Genüsslich zelebrierte er seine scheinbare Überlegenheit und genoss jeden einzelnen Moment seiner Darbietung. Dann sagte er mir, dass Uschi und er sich schon Alternativen für mich angesehen hätten, denn aus meinem Haus müsse ich schon von Gesetzeswegen ausziehen.

      „Ja, in dem Haus kannst du nicht bleiben, da haben wir uns schon beim Anwalt erkundigt, aber das wollten wir dir eigentlich in Ruhe beibringen.“ Ich glaubte, mich verhört zu haben. Der war mit meiner Uschi schon beim Anwalt und hat sich erkundigt, ob ich in dem Haus (in meinem Haus) bleiben darf oder ausziehen muss? Und die zwei haben sich „Alternativen“ für mich angesehen? Für die bin ich offenbar ein lästiger Köter, den man mal eben

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