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jener Landstrich den wir heute als Wiener Becken bezeichnen. Wäre der Name keltisch müsste es eigentlich Sampelsa heißen. Aber es ist nicht meine Absicht etwas wissenschaftlich zu erklären, ich möchte Sie viel eher auf das glatte, dünne Eis der Phantasie entführen und dazu verleiten ihre Augen zu schließen und sich aus ihrer Heimat alle Straßen, große Gebäude und sonstiges Moderne wegzudenken und vor Ihrem geistigen Auge eine Welt mit Steigen, Wegerln, Auwäldern, riesigen alten Bäumen, Schilf und Gstetten entstehen zu lassen in die sich kleine Dörfer und Weiler manchmal ängstlich ducken, manchmal protzig auf den Hügeln präsentieren. Pelsa das Wort für Feld bringt uns zu Pölla jener abgekommenen Siedlung südlich von Leobersdorf deren Name im Pöllakreuz überlebt hat und damit zum ersten Heiligen Ort, dem heilsamen Brunnen oder Heiling-Brunn wie die Leobersdorfer sagen. Der wahrscheinlich der Brunnen von Pölla war.

       Meine Erklärungen sind sicher nicht die absolute Wahrheit, denn es gibt nur eine Wahrheit, aber unendlich viele Wirklichkeiten und ich möchte sie dazu verleiten über ihre eigene Wirklichkeit einmal nachzudenken.

       Die Geschichten und Märchen sind Überlieferungen aus meiner Familie, die meisten kommen von meiner Urgroßmutter, Hebamme zu Leobersdorf und wurden von meiner Großmutter bzw. meiner Mutter weitererzählt.

       Ich habe eine Zeit im nördlichen Weinviertel gelebt und dort regelmäßig Erzählungen am Staatzer Berg, in den Kellergassen, bei der alten Donau und in den Blumengärten Hirschstetten gemacht und die Geschichten an den jeweiligen Ort angepasst wie es wahrscheinlich schon unzählige Märchenerzähler vor mir schon getan haben.

       Denn man merkt sich nur den Kern einer Geschichte und daraus baut man dann eine Erzählung. ganz nach Stimmung, Jahreszeit und der Runde wo man gerade erzählt, wird’s immer ein bisschen anders, also suchen sie ruhig nach den Wurzeln, nehmen sie daraus was für sie wichtig ist und machen sie daraus ihre eigene Geschichte oder Deutung so wie sie es wollen.

       Aber jetzt ein Märchen zum lesen das gleich einmal zur Überlegung verleitet: Ist so eine Geschichte möglich wenn man nur die Kraft seines Geistes und nur seinen Blick in den nächtlichen Sternenhimmel, ohne Hilfsmittel zur Verfügung hat oder ist das Märchen möglicherweise gar nicht alt?

       Wie gesagt ich überlasse es ihrer Phantasie

      Anbeginn

      Vor Anbeginn unserer Zeit war das Nichts in Form von zwei uferlosen, grundlosen Schwarzwasserseen in der unendlichen Zeitlosigkeit verloren. Der eine war aus flüssigen Eis der andere aus glühenden Wasser. Über diesen beiden Seen schlief Gott in der Gestalt von drei Schwestern den ewigen Schlaf der Zeitlosigkeit

      Die Eine, die über dem flüssigen Eis schlief hieß Aura, die Herrin über die Wasser, die Wälder und den Winter, die über dem glühenden Wasser schlief hieß Kera, die Herrin über Feuer, die Steppe und den Sommer. Zwischen ihnen und zwischen den beiden Seen schlief Midra, die Trennende und Verbindende, Herrin über Frühjahr und Herbst, die Seele des Friedens.

      Aus einer anderen oder einer längst zerflossenen Ewigkeit zog der schwache Hauch eines Traumwindes und berührte eine Wimper von Aura und die Schwester begann zu träumen. Mit jedem Traumbild wurde der Traumwind stärker, erhob sich und berührte die anderen Schwestern. Die Traumbilder von allen Dreien machten den Traumwind so stark, dass er über die Wasser strich und kleine Wellen in die Uferlosigkeit schickte. Als die Wellen so groß wurden, dass das erste Plätschern zu hören war erwachte Aura und weckte ihre Schwestern. Dies war der Augenblick in dem die erste Sekunde unserer Ewigkeit zu laufen begann.

      Aura und Kera wollten sich umarmen, vor lauter Freude um den Hals fallen, jedoch Feuer und Eis hätten den Traumwind ins Chaos gestürzt. Erst als Midra sich aus ihrem Lager erhob und jede die Schwester umarmen konnten, waren sie imstande ihren Reigen zu beginnen. In Midras Lager jedoch begannen sich die beiden Schwarzwasserseen zu mischen und sich durch die Kraft des Reigens in einen gewaltigen tosenden Strudel zu vereinen.

      Jede Luftblase darin bildete eine neue Welt, jede Schaumkrone eine Milchstraße. Je schneller die Schwestern tanzten desto mächtiger und gewaltiger wurde der Strudel und je mehr Welten bildeten sich. Eine Vielzahl von Welten und Sonnen ordneten sich zu Milchstraßen.

      Ihre Anzahl ist genau bemessen, zähle die Sterne zu Mitsommer, nehme mal mit dem Laub des Herbstes, zähle die Tropfen des Regens seit den ersten Tagen und nehme nochmals mal, so hast du die genaue Zahl der Welten bis zum nächsten Regen.

      Eine dieser Welten war unsere, die mit dem Mond viel zu schnell um die Sonne taumelte. Doch nun unterbrachen die drei Schwestern ihren Reigen, um ihre Traumbilder auszusenden die als Tiergeistwanderer die letzte Ordnung in das Weltgefüge brachten.

      Auf unsere Welt kam der mächtige Stier, stellte seine vier Beine fest auf die Erde, nahm den Mond zwischen seine Hörner und hob ihn auf den richtigen Abstand. Dann bremste er den schnellen Lauf der Jahre und richtete das Jahr, das Monat und den Tag ein. Als unsere Welt nun so weit war, kamen die drei Schwestern in der Gestalt von drei Kranichen und tanzten rund um den Stier. Wo ihre Beine den Boden berührten wurde alles grün, noch nicht so wie das Grün das wir aus unserer Zeit kennen, sondern eher wie das Grün der Steine in den Bächen. Erst langsam wurde Mutter Erde weiblich und der Mond zu ihrem Mann.

      Von nun an begann im Tau des Mondes und in den Tieden der Meere die Vielfalt des Lebens zu blühen und zu wachsen. So begann unsere Ewigkeit und wenn man einen Stier auf der Wiese sieht und Kraniche in seiner Nähe, so ist noch immer der Willen Gottes im Gewand der drei Schwestern zu spüren.

       So jetzt wissen sie, dass es nicht um nette gute Nacht Geschichten geht. Wenn man sich darauf einlässt und darüber nachdenkt, können einem die Märchen doch aus unseren festgetretenen Pfaden stoßen und dazu verleiten ein Stück auf einem neuen Weg zu gehen.

       Ich hatte einmal einen Psychiater bei einer meiner Erzählungen dabei, der danach gemeint hat: das sind wohl die Geschichten seiner Vorgänger die ganz einfach ein Märchen angeboten und die Zuhörer eingeladen haben ihren Weg darin zu finden.

       Ich war damals sehr berührt von dieser Sichtweise und sie werden im Laufe dieses Buches merken, dass viele Geschichten sogar einen medizinischen Hintergrund haben beziehungsweise fast Gebrauchsanweisungen sind oder altes Leid erklären und helfen es zu verstehen.

       Eine meiner Lieblingsgeschichten, wenn´s um medizinisches geht, ja fast schon ein Rezept mit samt der Gebrauchsanweisung. Die Pechsalbe um dies hier geht gab’s bis vor einigen Jahren in jeder Apotheke zu kaufen.

      Der Eisriese vom Maital

      Vor langer, langer Zeit, ein bisschen vor Gestern, ein wenig nach Heut da stand am Eingang des Vöslauer Maitals eine mächtige uralte Schwarzföhre unter deren Wurzeln ein Eisriese schlief, es war spät im Jahr und der Eisriese schlief schon schlecht und unruhig da der Winter, seine hohe Zeit vor der Tür stand und er bald seine Regentschaft der eisigen Ruhe antreten würde.

      Da kamen, in den letzten warmen Tagen des Schlangenmondes zwei Kinder von der Gainfarner Steinplatte herunter und spielten und pritschelten im warmen Wasser und waren wie alle Kinder laut und ausgelassen.

      Als ihm der Wirbel zu viel wurde fuhr der grantige, alte Herr aus seinem Wurzelheim aus und fauchte mit eisigem Hauch voller Unmut rund um das Tal und legte alles unter eine starre, knisternde Schicht Raureif.

      Als er endlich mit seinem Wüten innehielt sah er wer ihm geweckt hatte; zwei Kinder standen verfroren mit steifen Fingern und blauen Wangen neben dem kleinen Teich und sahen angstvoll auf den Riesen.

      Da schmolz sein warmes Herz, die kalte Schale und ließ alles wieder tauen und ins milde Licht der Herbstsonne getaucht stand die riesige Föhre auf einmal unter einem eigenen Zauber und der Riese wirkte nicht mehr wie ein fremdes Zauberwesen, sondern wie ein gütiger alter Mann.

      Er ging zu der Föhre nahm eine Schale mit Schmalz ritzte die Rinde der Föhre und fing des Harz in der Schale auf, mischte

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