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Verdacht verhaftet?“, hakte der Reporter unbarmherzig nach.

      „Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir Herrn Frey befragt haben, hatten wir durchaus starke Verdachtsmomente. Sie werden mir nachsehen, dass ich diese nicht hier vor Ihnen ausbreiten werde! Unser Vorgehen war zu jedem Zeitpunkt mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen.“

      „Und was ist mit Walter Haferkorn?“, fragte ein Weiterer. „Den haben Sie inzwischen doch auch wieder frei gelassen.“

      „Haferkorn war nie verhaftet“, erstickte Herwig die Diskussion gleich im Keime.

      Es folgte eine Reihe Fragen, die Identitäten und Motive der Selbstmörder betreffend, sowie verschiedene Mutmaßungen, wer als Strippenzieher im Hintergrund in Frage käme, die Herwig jedoch nicht bestätigen wollte. Es gäbe aus ermittlungstechnischen Gründen keinen Spielraum, weitere Informationen öffentlich zu machen, wich er aus. Dennoch konnte man heraushören, dass sie noch keine neue heiße Spur zu haben schienen.

      „Das heißt, Sie haben derzeit keinen Verdächtigen mehr?“

      „Auch das ist einer der Punkte, zu denen ich Ihnen leider keine Auskunft geben kann.“

      „Was hab' ich gesagt? Im Grunde erfahren wir nichts, was wir nicht eh' schon wussten“, wiederholte der renitente Journalist, der den Kommissar schon zu Beginn provoziert hatte und sah Beifall erheischend in die Gesichter seiner Kollegen.

      „Wenn ich mir ansehe, wie vollgeschrieben Ihr Block nach so kurzer Zeit bereits ist, denke ich, dass ich Ihnen eine ganze Menge zu sagen hatte!“ Langsam schlich sich eine deutliche Gereiztheit in die Stimme des Ermittlers, die jedoch in Betroffenheit überging, nachdem er die nächste Frage hörte.

      „Gehen Sie davon aus, Herr Kommissar, dass auch zu den beiden noch fehlenden Folgen von „Brender ermittelt“ zugehörige Leichen auftauchen werden?“

      „Ja“, sagte Herwig und musste schlucken. „Es ist zu befürchten, dass das Morden noch kein Ende gefunden hat. Umso mehr sind wir bemüht, die Identität des Hintermannes zu klären. Nur so werden wir die Taten vielleicht verhindern können.“

      Von hinten schob sich eine junge Polizistin in das Bild, die Frey als diejenige wiedererkannte, die ihm den Kaffee gebracht hatte. Sie wisperte Herwig aufgeregt ins Ohr und gestikulierte wild umher, doch flüsterte sie so laut, dass die empfindlichen Mikrofone, die vor ihrem Chef aufgebaut waren, jedes Wort deutlich übertrugen.

      „Am Unterbachersee bei Düsseldorf wurde eine Wasserleiche entdeckt. Sie muss schon ewig da drin gewesen sein, beschwert mit einem Gewicht. Anscheinend wollte man, dass wir sie jetzt finden, denn das Seil, mit dem sie am Grund festgebunden war, ist frisch durchtrennt worden. Sie sollen sofort rüberkommen und sich das ansehen!“

      Den Tumult, der nach dieser Nachricht in dem überfüllten Raum losbrach, bekam Christoffer Frey nicht mehr mit. Seine schlimmste Befürchtung war eingetreten.

      Es ging weiter.

      Kraftlos brach er auf seinem Wohnzimmerteppich zusammen und verfluchte den Tag, an dem er die erste „Brender ermittelt“ Geschichte veröffentlicht hatte.

       Köln Deutz, zur selben Zeit

      Auf der anderen Rheinseite, in der alten Lagerhalle hingegen, schaltete Kop lachend den Fernseher aus.

      Alles lief genau nach Plan.

      Auch wenn die Wasserleiche früher gefunden wurde, als gedacht. Schöner wäre es natürlich nach der Ausstrahlung der Folge gewesen.

      Aber wer wusste schon, ob sie unter den gegebenen Umständen überhaupt noch ausgestrahlt würde. Wahrscheinlicher war es doch, dass stattdessen stundenlange Sondersendungen zu den „Brender-Morden“ laufen würden.

      Es war ihm sowieso gleichgültig.

      Sein Feldzug gegen Christoffer Frey lief auch so hervorragend.

      Und diese Verhaftung – wahrhaft das Sahnehäubchen obenauf!

      Dabei hatte er dazu tatsächlich gar nichts beigetragen.

      Haferkorn war aber auch wirklich ein Idiot.

      Genau wie Hans-Jürgen Scharf.

      „Neo, das ist dein Job!“, pfiff er seinen IT-Spezialisten herbei und lud gespannt das Video mit „persönlicher Widmung für Tom Lenz“ hoch, dass soeben in einem seiner zahlreichen E-Mail-Fächer eingegangen war.

      Früher wäre Neo binnen Sekunden zur Stelle gewesen und ihm, wie ein Hund nach Anerkennung und Lob hechelnd, zur Hand gegangen. Doch das hatte in den vergangenen Wochen deutlich nachgelassen und auch die zur Schau getragene Coolness hatte nicht darüber hinwegtäuschen können, dass sich das Verhältnis zwischen ihnen verändert hatte.

      Neo stellte seine Entscheidungen zunehmend in Frage und führte Monologe über Moral und Grenzen, die sie nicht überschreiten sollten.

      Kurzum, er stellte womöglich ein Sicherheitsrisiko dar.

      Daher war es nötig gewesen, ein Zeichen zu setzen und dem Jungen zu zeigen, wo er hingehörte.

      Der aber nicht auftauchte.

      „Neo!“, brüllte er so laut, dass ihm der Kehlkopf schmerzte.

      „Der wird nicht da sein, Kop.“ Fat jonglierte mühsam dampfende Kaffeebecher und Brötchentüten auf seinen muskelbepackten Armen, während er versuchte die Tür hinter sich abzuschließen. „Der muss sich um seine Mutter kümmern, hat er gesagt.“

      Ächzend lud er das üppige Frühstück auf dem Tisch nahe der Couch ab und kam zum Anführer ihrer kleinen Gaunerbande herüber geschlendert.

      „Ich denke, er hat's kapiert, Kop“, nuschelte Fat ein Butterhörnchen kauend. „Dem ging gestern ganz schön die Muffe!“

      Obwohl es ihm gewaltig gegen den Strich ging, dass Neo sich herausnahm, einfach zu verschwinden, ohne das mit ihm abzusprechen, musste Kop doch erinnerungsselig lächeln. Cetin hatte recht, Neo wäre am liebsten unsichtbar gewesen, als er sich mit dem Menschen konfrontiert sah, den er dafür verantwortlich machte, was sein Vater dieser vollkommen unschuldigen Frau angetan hatte.

      Doch das Gefühl innerer Befriedigung hielt nicht lange an und sein Unmut über die Abwesenheit seines Lakaien gewann die Oberhand.

      Das neue Video musste ins Netz.

      Er brauchte ihn hier.

      Jetzt!

      „Ruf' ihn an und sag' ihm, dass er hier auflaufen soll. Sofort!“, sagte er an Cetin gewandt, dann startete er die Videosequenz.

      Doch obwohl sich der Täter dramaturgisch richtig Mühe gegeben hatte und sein Opfer ordentlich schrie, langweilten ihn die Aufnahmen nur. Ohne das Material zu Ende anzusehen, stand er auf und ging frühstücken.

       Köln Altstadt, gegen 8.30 Uhr

      Mehr noch als am Tag zuvor gab es an diesem Feiertagsmorgen schon sehr früh, ungewöhnlich rege Aktivität in Köln und Umgebung zu verzeichnen. Polizeifahrzeuge prägten das Stadtbild und die Pressevertreter halb Deutschlands befanden sich auf den Straßen. Die meisten davon waren unterwegs in Richtung Unterbachersee, auf der Jagd nach den ersten Bildern vom neuesten Tatort eines Brender-Mordes.

      Doch ein Großteil der Kölner, die nicht mehr schlafen konnten, verfolgte gespannt die Fernsehberichterstattung und eine von ihnen war die 30 jährige Anna.

      Sie stand am Küchenfenster ihres Appartements und beobachtete nachdenklich das Treiben unten auf der Straße. Der Fernseher lief bei ihr schon seit Stunden und mittlerweile hatte sie einige der Sondersendungen sogar schon mehrfach gesehen.

      Als fast schon fundamentalistischer „Brender ermittelt“ Fan war sie zutiefst geschockt gewesen, dass man ernsthaft gegen Christoffer Frey ermittelt hatte. Um so erleichterter war sie, als sie durch die Übertragung der Pressekonferenz erfahren hatte, dass

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