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WIDERSTAND UND BEFREIUNG 1934 - 1945. Charlotte Rombach
Читать онлайн.Название WIDERSTAND UND BEFREIUNG 1934 - 1945
Год выпуска 0
isbn 9783847661825
Автор произведения Charlotte Rombach
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Frage: Wie war die Situation der Veteranen nach dem Krieg?
Bis 1947 war die Wirtschaftslage in der Sowjetunion durch die vielen Zerstörungen und Plünderungen der Deutschen Wehrmacht im Land sehr schlecht, der Produktionsprozess und die Produktivität kamen erst langsam in Schwung. Außerdem wurde eine Währungsreform durchgeführt, zusätzlich gab es Missernten, so dass es in den Geschäften kaum Waren gab.
Aber die Kriegsveteranen erhielten gleich nach Kriegsende einen speziellen Ausweis mit Sonderrechten. Der Staat stellte den aktiven Teilnehmern am Vaterländischen Krieg kostenlos Wohnungen zur Verfügung, für die sie nur die Hälfte der Miete zu zahlen brauchten. Sie waren im allgemeinen steuerbegünstigt, erhielten Medikamente kostenlos, hatten die Möglichkeit in eigenen Lebensmittelgeschäften einzukaufen, die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zu benützen. Auch Autos erhielten sie auf Wunsch früher und billiger als alle anderen.
In der Roten Armee war ich von Mai 1941 bis Oktober 1946. Da ich von den fünf Jahren Armeedienst 228 Tage unmittelbar an Kämpfen an der vordersten Front teil genommen hatte, erhielt ich eine Zusatzpension, in die auch die Zeit der Umgruppierungen eingerechnet wurden. Ich habe auch einige Orden und Medaillen verliehen bekommen.
Hier in Wien wurde ich von einigen Schulen als Zeitzeuge eingeladen, die Kinder stellten sehr interessante Fragen. Ich habe das getan, weil ich davon überzeugt bin, dass es sehr wichtig ist, Kindern und Jugendlichen über die Schrecken des Krieges zu erzählen. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und den großen Sieg des sowjetischen Volkes über das faschistische Deutschland soll für immer in Erinnerung bleiben. Aber es ist auch wichtig, den Anfängen zu wehren und überall gegen den wieder erstarkenden Faschismus auf zu treten.
***
Margareta Kaminek: Für Angst war keine Zeit
Margareta Kaminek (geb. Kouba) wurde 1922 in Wien geboren, ihr Vater war Mitglied des Republikanischen Schutzbundes (einer von der Sozialdemokratischen Partei gebildeten paramilitärische Organisation, die im März 1933 von der Regierung Dollfuß aufgelöst wurde, aber illegal bestehen blieb). Nach der schleichenden Faschisierung Österreichs leisteten Schutzbundkämpfer am 12. Februar 1934 in Linz anlässlich einer Durchsuchung des Hotels Schiff, wo sie sich verschanzt hatten, bewaffneten Widerstand gegen Polizei, Militär und Heimwehr. Es wurde ein Generalstreik ausgerufen, der Schutzbund bewaffnete sich, um die Demokratie zu verteidigen. Damit begann ein Bürgerkrieg, der (nicht zuletzt durch den Verrat der sozialdemokratischen Führer) mit einer Niederlage der österreichischen Arbeiterschaft endete.
Frage: Margareta, wie bist du in die Sowjetunion gekommen?
Mein Vater musste nach den Kämpfen des 12. Februar 1934 vor der Verhaftung fliehen, er und Mutter erhielten in der Sowjetunion Asyl. Auch mein Bruder Alfred und ich erhielten die Möglichkeit, in die Sowjetunion zu emigrieren. Wir wurden beide mit anderen österreichischen Kindern im Kinderheim Nr. 6 in Moskau untergebracht [3]. Ich besuchte die deutschsprachige Karl-Liebknecht-Schule und wurde danach am 1. Moskauer Hochschulinstitut für Medizin als Krankenschwester ausgebildet. Bei Kriegsbeginn habe ich dort gearbeitet, damals hatte ich noch mein Kind. Nach dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion wurde der Betrieb, in dem Vater gearbeitet hat, nach Tscheljabinsk evakuiert, und wir fuhren mit. In Tscheljabinsk ist mein Kind an Gehirnhautentzündung gestorben, schon auf der Fahrt im Zug hatte ich bemerkt, dass es schwer krank war. Die Züge fuhren sehr langsam, blieben zwischendurch lange stehen, weil die Truppentransporte Vorrang hatten.
Frage: Du hast gesagt, dass Du in der Roten Armee warst?
Ja, an der „Sanitätsfront“. Am 1.12.1942 wurde ich zur Roten Armee eingezogen, ausgebildet und als gelernte Krankenschwester direkt nach Stalingrad geschickt. Ich half als chirurgische Schwester bei Operationen, arbeitete aber auch selbständig, gab Infusionen und Injektionen, legte Gipsverbände an. Im Medizinischen Institut in Moskau hatte ich ja schon alles Notwendige gelernt, im Krieg habe ich das Wissen dann angewendet. Ich erlebte in Stalingrad, in dem Kessel, während drei Monaten hautnah die erbitterten Kämpfe gegen die Deutschen, musste im Lazarett sowohl sowjetische, als auch österreichische und deutsche Verwundete versorgen. In einem der wenigen Häuser, die ganz geblieben waren, waren wir unten untergebracht und die Deutschen im ersten Stock. Wenn wir Wasser geholt haben, gingen beide Seiten ohne Gewehr, mit Kübel und weißer Fahne – das hat funktioniert. In dieser Situation durfte von beiden Seiten nicht geschossen werden.
Es wurde um jedes Haus, jede Wohnung gekämpft, es war schrecklich. Der Deutsche hatte schon Flugzeuge – die wir noch nicht hatten. Die Deutsche Luftwaffe hatte am 23./24. August viele Häuser zerstört und 40.000 Menschen getötet. Die Bevölkerung konnte nicht rechtzeitig vollständig evakuiert werden (nur die meisten Frauen und Kinder), sie litt furchtbar unter den ständigen Flugzeugangriffen, dem dauernden Schusswechsel zwischen den Russen und den Deutschen, suchte Deckung in Kellern, Häuserruinen...
Frage: Wohin seid ihr nach der Kapitulation der Deutschen in Stalingrad?
Am 19.9.1943 fuhren wir mit unserem Lazarett an die 2. Ukrainische Front – auf ungefähr zehn mit einem weißen und roten Kreuz gekennzeichneten Lastwagen waren Zelte, Feldbetten, Sterilisationsöfen, Instrumente, Verbandzeug, die Apotheke, der Proviant usw. aufgeteilt. Bei jedem Stützpunkt wurde alles abgeladen, wurden die Zelte aufgestellt und eingerichtet. Der OP-Raum, die Chirurgie waren auf drei Lastwagen verteilt. Manchmal mussten wir direkt an der Vorderfront operieren. Dann wurden Zelte aufgestellt. Manchmal haben wir in einer Schule oder in einem Bauernhaus unser Quartier aufgeschlagen und den OP-Raum eingerichtet. Wir schliefen auf dem Boden, nur ein-zwei Stunden, länger konnten wir uns nicht ausruhen. Ärzte und Schwestern waren ständig auf Bereitschaftsdienst, Tag und Nacht – eine OP-Schwester, zwei Zimmerschwestern, ein Oberarzt und sein Assistent, auch wenn wir gerade keine Verwundeten hatten. Auch Feldbetten, alles Notwendige für die Wundversorgung sowie für dringende Operationen waren immer bereit.
Wir waren immer an der Vorderfront – zuerst kam die Artillerie, danach die Infanterie und dann unser Lazarett. Es war immer gefährlich, über uns sind die Raketen der Deutschen in unsere Richtung und von uns zu den Deutschen geflogen. Wenn wir jemanden gefunden haben, der verwundet war, haben wir ihn in unser Lazarett aufgenommen. Es waren auch viele Deutsche dabei.
Es war egal, ob es ein Russe oder ein Deutscher war – an allen Fronten haben wir den Verwundeten Hilfe geleistet. Wir haben den Verwundeten die Erstversorgung gegeben, dann wurden sie weiter ins Hinterland transportiert. Wenn wir drei-vier Tage an einem Ort geblieben sind, dann behielten wir die Schwerverwundeten bei uns, aber wenn wir weiter an die Vorderfront gezogen sind, haben wir sie zurück ins Hinterland geschickt. Die deutschen Verwundeten wurden zuerst gefragt, ob sie zurück nach Deutschland wollten.
Frage: Bist Du bis Berlin gekommen?
Ja, aber ich war nicht direkt an der Befreiung beteiligt. Am 15.6.1944 waren wir an der 3. Bjelorussischen Front im Einsatz, am 20.8.1944 an der 1. Baltischen Front. Damals hat die Rote Armee Tag und Nacht angegriffen. Von dort gelangte ich mit dem Lazarett am 20.2.1945 an die 2. Bjelorussische Front, von wo ich bis Berlin im Einsatz war. In Berlin haben die Reste der Wehrmacht noch hartnäckig Widerstand geleistet, es kam noch zu schweren, verlustreichen Kämpfen.
Wir haben die endgültige Befreiung nicht abgewartet, sind von dort sofort mit der Bahn zurück nach Moskau. Gleich danach fuhr ich nach Tscheljabinsk zu meinen Eltern. Im August 1945 rüstete ich ab und lebte bis Oktober 1946 in Tscheljabinsk.
Frage: An wie vielen Einsätzen hast Du teilgenommen?
Das kann ich nicht sagen. Wie viele Menschen ich gerettet, wie vielen Verwundeten ich geholfen habe, weiß ich nicht mehr. Ich war mit dem Lazarett immer an vorderster Front, es war immer gefährlich, anstrengend und ermüdend,