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Parkbank ins Leben. Frank W. Kolbe
Читать онлайн.Название Parkbank ins Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738016208
Автор произведения Frank W. Kolbe
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Hi, Sabine, stopp. Außer Atem, stopp!“
Beide mussten lachen. Ein mündliches Telegramm hört man nicht alle Tage.
„Hi, ich bin der Marc.“, stellte er sich vor, „Und das hier ist die kleine Ausreißerin Olivia, stimmt´s?“
Olivia nickte freudestrahlend und schlug Marc auf den Oberschenkel.
„Hey, warum haust du mich?“, fragte er.
Sie schaute verlegen auf den Boden und sprang Marc fast in die Arme, als er sie fragte, ob sie auf seinen Schoß möchte.
„Den Strauß hast du mir doch eben erst geschenkt!“, sagte er verdutzt, als die Kleine nach den Gänseblümchen grabschte und sie vor sich auf dem Weg verstreute.
„Wie alt bist du denn?“, fragte er sie.
Olivia nahm ihre rechte Hand und streckte ihm alle Finger entgegen.
„Nein, das ist nicht richtig.“, wandte Sabine, ihre Mutter, ein, „Du kannst das. Komm, zeig dem Onkel wie alt du bist.“
Olivia nahm nun ihre linke Hand zur Hilfe, um diese schwierige Aufgabe zu meistern. Doch bevor sie sich für einen Finger entschied, den sie weg bog, musste sie noch einmal laut lachen. Dann schaute sie gespannt ihre rechte Hand an. Alle drei Blicke schienen erstarrt. Die Kleine ging mit der linken Hand erst einmal die anderen Finger durch und entschied sich dann, ihren kleinen Finger nach innen zu biegen. Auf die Zustimmung ihrer Mutter hin strahle sie voller Glück.
„Oh, vier Jahre bist du schon alt?“, fragte Marc erstaunt, „Dann gehst du ja bald schon in die Schule.“
„Ich habe auch schon einen Freund!“, kam zögerlich aus Olivias kleinem Mund.
Marc und Sabine schauten sich an und lachten.
„Wie heißt der denn?“, fragte er.
„Christian Oliver.“
„Ist der auch schon so alt wie du?“
Olivia schaute ihn auf diese Frage hin ganz erstaunt an. So, als wollte sie damit sagen, dass sie sich bisher noch keine Gedanken über das Alter ihres Freundes gemacht hat und es ja enorme Unterschiede geben kann. Doch nach einer kurzen Denkpause und einem fragenden Blick zur Mutter lächelte sie wieder und nickte bejahend. Langsam fing sie an zu drängeln und zeigte in Richtung Spielplatz, auf den sie gerne wollte. Die beiden verabschiedeten sich von Marc und sie wünschten sich gegenseitig einen schönen Tag. Er schaute den beiden noch einen Moment hinterher und sein Blick verfing sich immer mehr im Nichts.
Als Kind pflückte er immer Klee von der Wiese bei seinen Großeltern, den er seiner Oma schenkte. Einmal hat sie angefangen zu weinen, als er ihr einen solchen Strauß brachte. Sie nahm eines dieser kleinen Stängel aus dem Strauß heraus und zeigte es Marc. Sie erklärte ihm, dass dieses Kleeblatt etwas ganz besonderes sei. Es hatte vier Blätter und weil er es gefunden hatte, so sagte sie, sollte es ihn durch sein ganzes Leben begleiten und ihm immer Glück bescheren. Die Szene verlief wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab, als ob es erst gestern war. Aus seiner Hosentasche holte er sein Portemonnaie, öffnete es und nahm ein kleines Teil aus Plastik heraus. Auch das öffnete er und sah sich das Kleeblatt an, dass er all die Jahre immer bei sich hatte. Ausgerechnet heute wurde er daran erinnert und nun wusste er, dass seine Großmutter wieder bei ihm war, um ihn zu trösten. Der Engel am Eingang des Parks hätte ihn schon daran denken lassen müssen, aber da war er noch zu sehr gedankenverloren. „Was ist eigentlich Glück?“, fragte sich Marc, während er auf das Kleeblatt starrte. Er dachte an Olivia, die noch sorglos durchs Leben ging. Sie musste glücklich sein, denn sie war behütet. Aber andere Menschen, die nicht behütet sind, scheinen auch glücklich zu sein. Einige davon haben Schulden und können sich nicht einmal jeden Tag etwas zum Essen machen und trotzdem lachen sie. Was macht diese Leute glücklich? Marc klappte das kleine Plastikheftchen wieder zu und entdeckte auf dem Deckel einen verblassten Text. Er hielt es in die Sonne und konnte nun erkennen, welcher Text einmal dort in silbernen Buchstaben stand: Gott schütze Dich!
Seine Großmutter hatte dieses Heftchen in Altötting gekauft. Innen sind zwei Metallplättchen. Auf dem einen schien Maria zu sein mit dem Jesus Kind und auf dem anderen war der heilige Bruder Konrad zu sehen. Marc überlegte, was seine Großmutter ihm über den Bruder Konrad erzählte. Er war nicht sehr bibelfest und an seinen letzten Besuch in der Kirche konnte er sich auch nur noch vage erinnern. Doch eines fiel ihm wieder ein. Immer wenn seine Großmutter Kresse für das Essen abgeschnitten hatte, fragte sie ihn, an wen ihn die Kresse erinnere. Die Kapuzinerkresse sollte ihn immer an das Kleeblatt erinnern, weil es ebenso grün war. Und der Name Kapuziner erinnerte ihn zwangsläufig an den Kapuziner Orden, in dem der Bruder Konrad Pförtner war. Er wusste es nun wieder genau, was ihm seine Oma immer beigebracht hat. Niemals sollte er schlecht denken oder reden, er sollte immer lieb sein und alle nett behandeln. Jeden Abend sollte er dafür danken, dass auch er geliebt wird. Das war laut seiner Oma die Botschaft, die Bruder Konrad ihm in diesem kleinen Plastikheftchen mitgab, in dem nun auch dieses Kleeblatt lag.
„Oma beschützt mich!“, flüsterte er leise zu sich, während er über diese Erinnerung nachdachte. Seine Augen wurden feucht und Tränen liefen ihm über seine Wangen. Eben noch fragte er, was Glück ist und schon bekommt er eine Antwort durch einen Gegenstand, den er so lange schon bei sich trug. Glück kann man nur erlangen, wenn man selber versucht anderen zu zeigen, was Glück ist. Ein einfaches Lächeln, wie das von der keinen Olivia, reicht oft schon aus.
Kapitel 4
Auf dem Spielplatz tummelten sich inzwischen mehrere Kinder mit ihren Müttern und auch einige Väter waren dabei. Eine Polizeistreife lief langsam den Weg entlang und blickte in jede Richtung. Der Blick sah nicht so aus, als ob die beiden Polizisten etwas auskundschafteten. Eher so, als ob sie hofften, dass endlich mal etwas los ist, damit sie was zu tun haben. Marc richtete seinen Blick von den beiden ab, denn diese Uniform sorgte bei ihm immer für sehr nervöse Herzrhythmusstörungen, auch wenn er ein reines Gewissen hatte. In seinem Rucksack kramte er nach einer Flasche Wasser, von der er einen Schluck nahm, und sah auf seinem Handy einen Brief blinken, der ihm sagen wollte, dass er eine SMS bekommen hatte. Das war ihm allerdings egal. Er wollte für ein paar Stunden seine Ruhe von dem ganzen Alltag haben und sich hier im Park auf der Bank ausruhen.
Eine alte Dame setzte sich zu ihm auf die Bank und er begrüßte sie freundlich. Sie reagierte nicht auf ihn, sondern nuschelte nur ein paar Worte, die er nicht verstehen konnte. Sie stand wieder auf und ging. Marc musste über sie lachen, er wusste nicht warum, aber er musste lachen.
„Hallo Onkel Arc!“, rief seine neue Freundin, die er sofort erkannte. Olivia kam auf ihn zugelaufen und blieb vor ihm stehen. Sie reichte gerade bis über die Bank und streckte ihren kurzen Arm aus. Ihr Zeigefinder machte eine noch recht ungeschickte Bewegung, die er aber sofort als Aufforderung erkannte, dass er sich zu ihr herunterbeugen sollte. Olivias Mutter stand bereits bei den beiden und nun beugte sich Marc runter und bekam auf die Wange einen Kuss von der Kleinen.
Sabine musste lachen: „Sie wollte Ihnen unbedingt einen Kuss geben bevor wir gehen. Ich muss sagen, sie hat einen guten Geschmack.“
Sie lachten sich an und verabschiedeten sich. Er hätte Olivia am liebsten bei sich behalten, so lieb hatte er sie in der kurzen Zeit gewonnen. Aber das ging ihm immer so, wenn er mit Kindern zu tun hatte. Er schmunzelte und für einen Moment ging es ihm richtig gut. Er dachte nicht an die Probleme, die er zurzeit hatte und auch nicht an die, die ihm noch bevorstanden. Kurz darauf wurde er aber wieder daran erinnert, denn ein paar Schulkinder, die vorbei kamen, schubsten im Vorbeilaufen einen Herren, der sehr heruntergekommen aussah. Marc rief ihnen hinterher und versuchte auch einen von ihnen zu packen, aber es gelang ihm nicht und seine Rufe wurden nicht gehört. Der Mann bedankte sich bei ihm und stützte sich auf seinen Gehstock.
„Setzen Sie sich doch einen Moment zu mir und erholen Sie sich erstmal von dem Schrecken.“, bat ihn Marc.
„Das ist sehr nett von Ihnen, junger Mann. Danke für Ihre Hilfe.“
„Sie