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      "Wenn Sie sich bitte die Hände waschen würden, bevor Sie mit dem Abstauben fortfahren, Herr...äh...", tadelte der Alte seinen Angestellten, wobei ihm dessen belangloser Nachname auch diesmal nicht einfallen wollte. Er konnte es wohl auch kaum verstehen, warum sein Gehilfe es einfach nicht schaffte, diese Frevelnase im Zaum zu halten. Dem Jungen mangelte es ganz offensichtlich an der nötigen Kontenance. Er war ganz und gar ungeeignet für diese Tätigkeit.

      Dabei hatte Valentin nicht nur mit seiner Allergie und dem Bücherstaub zu kämpfen. Es lag natürlich auch an dem Temperaturschock, den man zwangsweise erlitt, wenn man den Laden des edlen Herrn Zacharias betrat. Es war schließlich ein heißer Morgen im August, und das Thermometer sollte laut Wetterbericht die 30-Grad-Marke noch vor zwölf Uhr überschreiten.

      Doch die Hitze schien aus irgendeinem Grund einen Bogen um das kleine Geschäft zu machen. Kümmerliche 13 Grad zeigte das Quecksilber in dem liebevoll verzierten Wetterhäuschen an der Wand. Warum - das konnte Valentin zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen. Er vermutete, dass es einfach eine unerklärliche Eigenheit dieses Ladens war. Altes Gemäuer eben. Sehr altes Gemäuer...

      Was für ein dummer und überaus unbeholfener Junge, dachte Herr Zacharias, während sein Gehilfe auf seine Leiter stieg, um einige Schriften mit dem Titel Die Zeichen der Zeit abzustauben.

      "Äußerste Vorsicht bitte im Umgang mit diesen Büchern", ermahnte ihn der Alte sogleich. "Diese Werke sind genau 242 Jahre alt, vom Dichter noch handschriftlich verfasst worden und demnach unersetzlich. Äußerste Achtsamkeit, bitte..."

      "H-hmmm", machte Valentin und verbeugte sich sogar dabei. "Sehr wohl."

      Da betrat plötzlich eine ältere Frau den Laden, die viel besser zum Stil des Inventars passte als der schniefende Kobold auf seiner ewig wackelnden Leiter. Sie trug einen weißen Sommerhut, eine dazu passende Handtasche und hatte auffallend rot lackierte Fingernägel. Es war unübersehbar: Die Dame hatte Stil - auch wenn ihr Gesicht ein wenig unnatürlich aussah, etwas überschminkt und der vielen Schönheitskuren überdrüssig. Sie interessierte sich für eine Uhr im Schaufenster.

      "Eine Uhr?", fuhr der Antiquitätenhändler aufgebracht herum.

      "Ja, diese in Gold gefasste Uhr dort", sagte die Frau und rieb sich wegen der Kälte sogleich die Arme. "Das ist doch echtes Gold, oder?"

      "Aber selbstverständlich, gnädige Frau", sprudelte es aus dem Verfechter der ganz alten Schule nur so heraus. "Das ist allerfeinste Kunst aus einer Mailänder Manufaktur. 1837 hergestellt, hat dieses Stück einst zum Besitz einer hiesigen Gräfin gehört. Hervorragender Adel, versichere ich Ihnen."

      "Ich kaufe sie."

      Herr Zacharias starrte ihr ungläubig ins Gesicht. "Nein, nein, gnädige Frau, das ist unmöglich. Haben Sie eine Vorstellung, wie teuer dieses Stück ist?"

      Unverzüglich zückte die Frau ihre goldene Kreditkarte. "Ach, ich bitte Sie. In meinen Kreisen spielt das doch nun wirklich keine Rolle."

      Herr Zacharias wirkte nun geradezu verzweifelt. "Nein..."

      "Wie bitte?"

      "Äh, ich meine...oh, oooh! Ich sehe gerade...welch ein Ärgernis! Ich bin untröstlich, gnädige Frau. Doch zu meinem Bedauern kann ich Ihnen diese Uhr nicht verkaufen."

      "Warum nicht?", fragte sie.

      "Weil diese Uhr...weil diese eine Uhr...äh...bereits verkauft ist. Ich bitte Sie vielmals um Verzeihung, dass mir dies nicht schon vorher aufgefallen ist."

      Valentin hatte bereits geahnt, dass es der Antiquitätenhändler hasste, wenn ein Kunde die Absicht äußerte, eine seiner Uhren zu kaufen. Es sprudelte zwar nur so aus ihm heraus, wenn ihn jemand nach dem geschichtlichen Hintergrund oder einer besonderen Eigenheit einer Uhr fragte, aber er benahm sich dabei eher wie ein Sammler, der stolz über seine neuesten Errungenschaften philosophiert.

      Nein, Herr Zacharias mochte vielleicht Kommoden, Grammophone oder Vasen verkaufen - doch so, wie er sich anstellte, wenn es um einen seiner tickenden Zeitgenossen ging, konnte man direkt meinen, er hätte noch nie im Leben eine Uhr an irgendjemanden veräußert. Dafür waren sie ihm viel zu sehr ans Herz gewachsen. Und im Chronographenkompendium war hinter keinem einzigen seiner Schätze jemals das Wort verkauft vermerkt worden. Herr Zacharias kaufte Uhren - aber er verkaufte sie nicht. Niemals.

      "Verkauft?", hakte die Frau nach. "Aber wie kann das denn sein? Sie steht doch hier im Schaufenster."

      "Nun, äh...dafür gibt es ganz gewiss einen plausiblen Grund, gnädige Frau. Ich nehme an, mein glückloser Angestellter hier hat sie noch nicht..."

      Mit einem strengen, ja geradezu bösen Blick musterte die Frau den plumpen Jungen, der auf seiner Leiter stand und gerade am Kragen seines Anzugs herumzupfte.

      "...er hat sie noch nicht ausgeliefert", vollendete der Alte seinen Satz.

      "Soso", meinte die Frau, wobei ihr Blick nur noch herablassender wurde. "Nun ja. Gutes Personal ist heutzutage eben nur noch sehr schwer zu finden."

      "Sie sagen es, Sie sagen es, verehrte Dame", stimmte ihr der Antiquitätenhändler erleichtert zu. "Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?"

      "Nein, nein", erwiderte sie und reichte ihm ihre Karte. "Wenn Sie noch einmal eine derartige Uhr...nun, Sie wissen schon. Rufen Sie mich einfach an."

      "Selbstverständlich, gnädige Frau, selbstverständlich", sagte Herr Zacharias, verbeugte sich höflich und öffnete ihr die Tür. Als sie den Laden verlassen hatte, warf er die Karte in den Abfalleimer.

      "Sie verkaufen Ihre Uhren wohl nicht besonders gern", erlaubte sich sein Gehilfe eine vorlaute Bemerkung.

      "Pass du lieber auf, deinen Hemdkragen in Ordnung zu bringen!", tadelte ihn Herr Zacharias sogleich und wirkte dabei plötzlich seltsam menschlich. Er hatte seinen Angestellten soeben tatsächlich geduzt. Ein kleiner Fauxpas und ein Zeichen, dass er schnell die Beherrschung verlieren konnte, wenn es um seine geliebten Uhren ging.

      "Aber Sie haben Recht, Herr...äh...", stimmte er ihm zu. "Ich verkaufe keine Uhren. Niemals."

      "Aber warum stellen Sie sie dann überhaupt hier im Laden aus?"

      Herr Zacharias bekam ganz leuchtende Augen. "Weil ich sie um mich haben muss, immerzu. Ich kann keine einzige jemals aus den Augen lassen. Die Zeit ist es, die mich fasziniert, verstehen Sie? Diese Stücke könnten alle ein Lied von der Zeit singen. Sie haben Dutzende von Generationen überdauert, sind Sekunde um Sekunde an ihren ursprünglichen Besitzern vorbeigezogen. Menschen kommen und gehen, aber diese Gegenstände hier haben alle etwas Dauerhaftes, Beständiges. Sie sind meine ganz persönliche Art, die Zeit einzufrieren."

      "Aha", sagte sein Gehilfe.

      "Wo war ich stehengeblieben?", dachte Herr Zacharias laut nach. "Ach, ja! Die Zeit. Die Zeit ist die Straße der Welt, die einzige Konstante im Universum. Sie ist durch nichts aufzuhalten, eine nicht zu bändigende Macht. Zeit kann nicht repariert werden. Wenn es zu spät ist, bleibt es zu spät. Es ist niemals wieder gutzumachen, ganz egal, was man auch unternimmt. Keine Sekunde hat sich jemals wiederholt, kein Wimpernschlag ist je zurückgekehrt. Die Zeit ist wie eine niemals endende Sinfonie. Sie unterliegt einer strikten Ordnung und kennt keinerlei Nachlässigkeiten. Präzision ist ihr oberstes Gebot."

      Es mag ein Zufall gewesen sein, dass ausgerechnet in diesem Augenblick das allstündliche Uhrenkonzert seine Runde machte. Obwohl ein Zufall in der geordneten Welt dieses merkwürdigen Eigenbrötlers eigentlich gar nicht existieren konnte.

      "Da hören Sie es", frohlockte er stolz. "Keine dieser Uhren hat auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu früh mit dem Läuten begonnen. Das ist wie Musik in meinen Ohren."

      "Aha. Aber wieso warten Sie dann trotzdem immer, bis die Uhren zum Stillstand gekommen sind? Sie können sie doch schon vorher wieder aufziehen."

      "Nein, nein, nein! Das geht auf keinen Fall", belehrte ihn Herr Zacharias. "Das wäre unpräzise, ja geradezu töricht. Denn dann wäre es unmöglich, den genauen Zeitpunkt des

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