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Jenseits von Wo und Wann. Hans J. Unsoeld
Читать онлайн.Название Jenseits von Wo und Wann
Год выпуска 0
isbn 9783738013276
Автор произведения Hans J. Unsoeld
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Man sagt, einmal sei kein Mal. Das Abenteuer begann erst, als er die Beautykatze nach fast einer Woche doch wieder antraf und sie gerne ins Rabennest unter dem Mangobaum mitkam. Das hatte kaum mit dem diesmal weniger munteren, aber saftigeren Sex zu tun, sondern mit ihrem Leben, von dem sie nun erzählte. Sie habe einen fünfjährigen Sohn, der sehr krank sei und operiert werden müsse. Sie selber habe am morgigen Tag ihren zwanzigsten Geburtstag, den sie gerne mit dem Raben verbringen wolle. Sie sei im Alter von vierzehn Jahren vergewaltigt worden und habe sich seitdem nicht mehr mit Männern einlassen können, bis sie jetzt vor zwei Monaten durch die erforderliche teure Operation gezwungen worden sei, sich auf diese Tätigkeit einzulassen. Sie habe keinerlei Erfahrung gehabt und der Anfang sei für sie schrecklich gewesen. Der Rabe schluckte schwer voller Mitgefühl.
Unter den sozialen Bedingungen in Thailand gibt es dank dem Egoismus der dort feudal herrschenden Oberschicht für den ärmeren Teil der Bevölkerung nur ein sehr beschränktes Ausbildungsangebot und nur rudimentäre Ansätze von Sozialversicherung. So erscheint es mehr als in Deutschland verständlich, dass diese Katzen sich selber anbieten, um an Mäuse zu kommen. Doch die Vorstellungen, die ein selber in Europa domestizierter Rabe von Katzen hat, stammen fast ausschließlich von Hauskatzen, welche eine möglicherweise von Intelligenz zeugende, mit der Zeit gewachsene Anpassungsfähigkeit an Menschen zeigen und auf brutale Methoden zugunsten von kuscheln, schmusen und schnurren verzichten. Mäuse sind für sie also keine Tiere mehr, sondern Geld, welches nicht verschlungen, sondern sinnvoll verwendet werden sollte.
Die Beautykatze hatte zwar keine große Neigung zu kuscheln und schmusen, aber schnurrte gerne. Weil sie so schön war, traute der Rabe seinen Augen mehr als seinen Ohren und achtete nicht sehr auf den Unterschied von schnurren und schnorren. Dass nur ein einziger Buchstabe zwischen den beiden Worten mutiert ist, sollte jedoch zeigen, wie wenig verändert das Verhalten einer Hauskatze gegenüber einer Raubkatze sein mag, deren deutsche Schreibweise sich immerhin um zwei Buchstaben unterscheidet. Doch da sie nun über längere Zeit regelmäßig in seinen Raum kam, um zu schnurren oder schnorren, vertraute der Rabe, dass sie kein Raubtier sei und gab ihr reichlich Futter, weil sie völlig ausgehungert, wollte sagen: verschuldet, war. Sie sagte immer wieder, sie wolle so gern mit einem älteren Vogel zusammen sein, weil sie mit den jüngeren so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Im Laufe der Zeit kam heraus, dass der Vater ihres Kindes im Gefängnis saß.
Die Katzenwelt
Ein an dieser Stelle von - seiner Ansicht nach - ungebührlicher Darstellung von vorwiegend sexuell erscheinenden Erlebnissen genervter Leser verliert vielleicht folgenden wichtig erscheinenden Kontext aus den Augen. Diese “Abenteuer” sind keine Fiktion, sondern geschahen wirklich, eben in Zusammenhang mit jener möglicherweise abstrus erscheinenden Abenteuer-Philosophie, ein wenig à la Homer, im Rahmen eines nicht gerade durchschnittlichen privaten und auch öffentlichen Lebens. Bis auf die Unkenntlichmachung der Orte und Akteure des privaten Teils handelt es sich trotz animalischer Verfremdung, welche auch mögliche “sinnvolle Rückentwicklung” anreißen mag, um unverfälschte Reality-Show.
In der Nachbarschaft der Raben-Bohème hatte sich zu jener Zeit ein neuer Hot Spot gebildet, ein Gartenlokal, in welchem sich zunehmend gerne schräge Vögel und im allgemeinen domestizierte Katzen trafen. In einer Nacht vom Samstag zum Sonntag blieb es in diesem Gehege erstaunlich ruhig. Aus dem Krächzsprecher drangen hämmernde Töne, die wenig zur Läufigkeit der wohlangepassten Tierchen passten. Sie nagten an Knöchelchen, wie es sich gehört. Als die Starkatze Paulina schlachtreif herein geschlichen kam, drehten sie sich nur kurz um und warfen der Konkurrenz einen verächtlichen Blick vor die Füße. Die Kater zogen ihre Schwänze ein und verzichteten auf jegliches Gejaule.
Worüber sollten sie auch hässliche Laute ausstoßen? Sie fühlten in ihren verdunkelten Herzen, dass das weder Gefallen noch Erregung auslöste, schluckten einmal tief die angenehme Abendluft und dann ein zweites Mal das landesübliche Bier, welches als gutes Schmiermittel für stromlinienförmige Unterhaltung hingenommen wurde. Die stark gekurvte Bedienung interessierte dieses langweilige Spektakel herzlich wenig und sie vergaß daraufhin den Rest aller nur möglichen Herzlichkeit.
Ihr faulen Hunde, wollt ihr nicht verstehen? Die anderen Tiere zogen die Schwänze ein, soweit das möglich war. Die Katzen schienen darin geübt zu sein. Manch eine von ihnen schlich sich davon. Anders die Vögel, die das Einziehen der Schwänze nur sehr begrenzt zustande bringen. Ein Angry Bird kennt das Problem zum Beispiel durch laufenden Kontakt mit der Steuerung durch programmierte Medien. Ein Rabe tut sich damit schon viel schwerer, kann und will seinen Schwanz gar nicht einziehen, und wird daher leicht zum Ziel von Katzen, bei denen in solchen Situationen immer wieder Raubtier-Tendenzen durchbrechen. Haben die Tiere keinerlei humane Ansätze, welche positive Entwicklung in Gang bringen könnten? Oh lasst uns mit dem dämlichen Positivismus in Ruhe, stöhnen sie und sind nur äußerst schwierig zu weiteren Gesprächen zu bewegen. Ist es denn unmöglich, Tieren Kultur beizubringen? Sie kennen dieses Wort offensichtlich überhaupt nicht. Statt dessen klang es wie im Chor: Kommt euch mit eurem humanen Gequatsche doch nicht besser vor! Im Zweifelsfalle werden wir einfach entsorgt oder wie ihr das auch immer nennt, und an unsere Seelen denkt kein Mensch.
Immer mehr realisierte der Rabe, wie grausam das Leben sein kann und mancherorts auch ist. Musste man sich nur abschotten, hinter eine sichere Wand oder ins eigene Nest zurückziehen? Nur kurz blitzte in seinem Hirn der Gedanke auf, dass das Nest gar nicht sein Eigentum war. Die Grausamkeit drang in sein Gefühlsleben ein. Er mochte die Katzen, zwar nicht alle gleichermaßen, aber eine von ihnen jetzt ganz besonders und vielleicht sogar mehrere. An dieser Stelle schaute er sich besorgt im Gehege um, wusste er doch schon, wie wenig geschätzt solch eine Einstellung war. Wie sehr mochte er welche und was würde frau dazu sagen. Mit frau meinte er in diesem Moment die junge proletarische Beautykatze, die in sein Nest gekommen war, scheinbar ohne ihn sofort auffressen zu wollen. Aber sie wollte Futter haben, und zwar im Laufe der unerbarmlichen Zeit mehr, als er mit seinen nicht mehr ganz jungen Flügeln herbeischaffen konnte. Wurde sie nun gefährlich oder würde sie auf Futtersuche einfach weiter schleichen und ihn allein lassen, nachdem sie kahl gefressen hatte, was bei ihm zu ergattern war? Besorgt schaute er, wie seine Vorräte sich inzwischen schon reduziert hatten. In der Tat hatte sie sich schon ein oder zwei mal auf und davon gemacht, war aber jeweils hungrig wiedergekommen. Musste sich das wiederholen, bis die angebliche Liebe gestorben war?
In das bedeutungslose Gemurmel jenes schnurrend dahin plätschernden Geheges schrillte der aufpeitschende Ton des samtenen Songs der transgalaktischen kleinen schwarzen Quatschmühle. Eine streichelnde Bewegung brachte hässliche Straßengeräusche an die Klangoberfläche, welche die eigentlich kristallklaren Laute des unüberhörbar schnurrenden Beautykätzchen schwer verständlich machten. Doch soviel war mal wieder sofort mehr als super-klar, dass sie sofort fort wollte. Wenn sie doch die Kulisse der herumsitzenden anwesenden Gesellschaftskatzen gesehen hätte! Deren Anwesenheit musste ihr nun mit dürren Worten ins nur