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Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard Schiel
Читать онлайн.Название Mein Lieber Sohn und Kamerad
Год выпуска 0
isbn 9783738010398
Автор произведения Eberhard Schiel
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Gottbefohlen Dein Otto
VON WILLI PUCHERT (32)
Lazarett Bochum 513.11. 1914
Lieber Otto!
Deinen lieben Brief vom 10. habe ich erhalten. Ebenso die Zeitungen, für welche ich Dir bestens danke. Mit dem Kommen wird es vorläufig nichts werden. Aus dem Lazarett kommt keiner so heraus. Ich muß hier bis zur Ausheilung bleiben. Diese wird immerhin noch vier Wochen in Anspruch nehmen. Die Ausgeheilten werden alsdann in ihre Garnison entlassen. Am Mittwoch kommender Woche gehen die ersten 13 Mann fort, in ihre Garnisonen. Wenn ich so ohne Weiteres von hier fortfahren könnte, so würde ich dort schon unterkommen. Der Oberstabsarzt, den wir herholten, ist ein äußerst unzugänglicher Herr. Nun, ich will alles mögliche versuchen, um nach Hause zu kommen. Schließlich, wenn es nicht anders geht, bleibe ich eben so lange hier. Hier fehlt uns absolut nichts. Im nachfolgenden werde ich versuchen, Dir unseren Tagesbetrieb zu schildern: Morgens 7 oder 1/2 8 Uhr erwachst du von einem fürchterlichen Radau. Die Frauen heizen ein! Und zwar so geräuschvoll, daß du unmöglich noch schlafen kannst. Dann das Ankleiden. Es geht etwas langsam mit einem Arm, aber es muß gehen. Nachdem du dich gewaschen hast, wird es langsam Zeit zum Kaffeetrinken. Dann beginnt das Reinemachen. Hilfskräfte haben die hier mehr wie genug. Junge Damen in Fülle. So, um 9 Uhr sind die Fräuleins mit dem Reinemachen fertig. Dann setzt man sich bei seinem Bett hin, um zu lesen. Zu lesen habe ich mehr wie genug. Die jungen Damen brachten mir Schiller, Reuter, Romane, Ullsteinbücher u. dgl. Sonderbar, daß sie gerade mir immer diese Bücher bringen. Eine Mandoline brachten sie, weil ich einmal verraten hatte, daß ich etwas Mandoline spiele. Blumen, Aepfel, alles bringen sie. Mittlerweile ist es Mittag geworden. Nachmittag wird ein Schläfchen gehalten, bis zum Kaffee. Nach dem Kaffee spiele oder lese ich, damit ist es auch schon Abend. Nach dem Abendessen kommt der Herr Pastor. Ein äußerst netter Herr. Er ist auch Leiter des Jünglingsvereins. Er hält jeden Abend Andacht. Dann legt man sich schlafen. Da kannst Du Dir also unser Schlemmerleben vorstellen. Heute nachmittag besuchten wir die Zeche. - Grüße bitte Deine Eltern und Geschwister herzlichst so wie alle Vereinsbrüder. Gottbefohlen Willy
AN WILLI PUCHERT (33)
Stralsund, 16.11.1914
Lieber Freund!
Für Deinen erhaltenen Brief herzlichen Dank. Habe mich sehr gefreut. Also, da hast Du wohl alles, was Du wünscht in Bochum. Nur das Unersetzliche fehlt, die Heimat. Es ist zu schade, daß Du nicht kommen kannst. Es ist auch wirklich merkwürdig, daß aus Euerm Lazarett alles bis zur völligen Genesung bleiben muß. Hier in Stralsund sind Verwundete, die noch viel schwerer verletzt sind wie Du. Nun ist es auch fraglich, ob Du nach Deiner Gesundung noch mal nach Stralsund kommst, denn Dein Ersatz-Bataillon ist das Grenadierregiment Nr. IV (König Friedrich Wilhelm II ?). Es könnte nur möglich sein, daß Du einen kurzen Erholungsurlaub nach Stralsund erhältst. Das wäre ja schade, aber wenn es so kommt, ist nichts dran zu ändern. Es wäre ja schön, wenn wir Weihnachten zusammen feiern könnten. Nun ist auch Otto Pögler verwundet, aber nur leicht. Walter Steinfatt ist zum zweiten Mal wunderbar einer Verletzung entgangen. Ein Schrappnell hat seine Hose zerrissen, das Bein aber nur sehr leicht verbrannt. Vorher platzte ja eine Granate in einem Hause, in dem sich auch Walter Steinfatt befand. Drei Mann wurden getötet, 12 Mann verwundet und unser Walter Steinfatt blieb unverletzt. Er schrieb nach Hause, daß auch Du kurz vorher in dem Gebäude gewesen seiest. Ich freue mich, endlich öfters mal im Dienst des Roten Kreuzes zu stehen. In der Bahnhofswache tut man viel Gutes und hört manch Neues. Ein Schauder konnte einem überlaufen, als einige ostpreußische Soldaten von den selbst gesehenen Greueltaten der Russen erzählten. Am Freitag um 3/4 6 Uhr wurde ich telephonisch zum Bahnhof bestellt. Als ich ankam, herrschte hier reges Leben und Treiben. Es sollten nämlich 4000 ostpreußische Flüchtlinge durchfahren. Fortwährend kamen Schlächter mit Körben voll Knackwurst, Lungwurst und Leberwurst. Körbe voll Brot wurden gebracht und große Mengen Butter und Schmalz. In der Bahnhofswirtschaft wurde Kaffee und Milch gekocht und die Würste gebrüht. Bei uns in der Wachstube hatten wir eine Brotschneide-Maschine. Einer hält sie fest und der Andere schneidet. Die Helferinnen beschmieren dann die Stullen. Andere schneiden Stullen mit dem Messer ab und zwei unserer Leute waschen Tassen ab. So hat jeder seine Beschäftigung. Auf dem Bahnhof wurden dann drei große Handwagen beladen mit Lebensmitteln. Alles wird geregelt. Der eine Wagen fährt bis zum Ende des Zuges, der zweite nimmt die Mitte, und der Letzte den Anfang. Schließlich brauste der Zug heran. Die Wagen fahren los und nun werden an die hungrigen Menschen, die seit Mittags nicht gegessen hatten, Lebensmittel verteilt. Im Nu ist mein Korb geleert. Wir konnten nicht schnell genug arbeiten, um 3 Züge abzufertigen. Aber schließlich, um 10 1/2 Uhr ist die Arbeit beendet. Aber wie sehe ich aus. Die Stiefel und meine Sonntagshose bis oben mit Schmutz bedeckt und durchnäßt, aber was ist das im Vergleich zu dem Jammer und Elend, welches zu sehen und zu hören ich eben Gelegenheit hatte.
Am anderen Morgen um 5 Uhr wird schon wieder aufgestanden, will ich doch um 5 1/2 Uhr auf dem Bahnhof sein, um einen Verwundeten-Transport von 90 Russen abzuholen. Hier hatten wir nicht viel Arbeit, da die meisten leichter verletzt waren. Am Sonntag von 4-8 Uhr hatte ich Bahnhofswache, und nun sitze ich schon wieder als Wachmann auf dem Bahnhof. Heute wird Gerhard und ich in einem Vaterländischen Abend, den der evgl. Bund veranstaltet, ein Gedicht vortragen. So arbeiten wir auch immer für das Vaterland und wie schon gesagt, eine größere Freude kenne ich jetzt kaum, als für das Vaterland zu arbeiten. Ich würde auch wegen meines Leistenbruchs nicht mit in die Etappe kommen. Nächstens gehen wieder 2 Mann fort von uns. Nun Gottbefohlen, im Herrn verbunden, Otto
VON WILLI PUCHERT (34)
Lazarett Bochum 5, 16. November 1914
Lieber Otto!
Deine liebe Karte vom 13. erhielt ich gestern. Ich danke Dir. Schade um den Herrn Gillmann. Er hätte noch manchen Segen bringen können, hätte er weiter gelebt. Mit Bedauern nehme ich von den Streitigkeiten im Verein Kenntnis. Ich finde es auch ganz richtig, daß unsere Vereinsbrüder in eine Kompagnie kommen. Die Sache wird dann doch viel einheitlicher. Daß Einigen dies nicht paßt, glaube ich gern. Nur verstehe ich diese Herrschaften nicht recht. Es bleibt doch einerlei, in welcher Komp. man ist. Oder hat z.B. Karl Schütt in seiner ursprünglichen einen Freund, von dem er sich trennen will. Wie z.B. Karl Lüders? Von derartigen Freunden sollte er lieber laßen. - Wir haben jetzt einen neuen Oberarzt bekommen. Ich hoffe deshalb, daß es mir gelingen wird, jetzt nach Stralsund zu kommen. Alfred ist auch verwundet? Herr Diete schrieb es mir gestern. Wo ist er denn verwundet und warum? Gestern hat es hier schon geschneit. An Karl Schütt werde ich schreiben, wir werden ihn schon dem Verein erhalten. Grüße bitte herzlichst Deine Eltern und Geschwister, sowie alle Vereinsbrüder.
Gottbefohlen
Dein Willy
Einliegendes Gedicht war in einer Bochumer Zeitung. Wie findest Du es?
AN J. GURR (35)
Stralsund, 21.11. 1914
Indem ich für die mir übersandte Karte herzlich danke, schicke ich hiermit die versprochene Photographie. Wie ich schon schrieb, ist sie leider nicht sehr gut geworden. - Walter Steinfatt kämpft schon in Belgien. Ich werde vorläufig nicht eingezogen. Wünsche es aber sehr. Also, Dein Karl ist nun auch schon Soldat. W. Puchert, der Mandolinenspieler, liegt schon verwundet in Bochum, Westphalen. W. Neels steht auch in Belgien dem Feind gegenüber. Ich bin mit