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aus je zwei gummibereiften Treckern und vier Gummiwagen und je ein bespannter Treck zusammengestellt. Das Vorwerk „Schwenzer Brink“ treckt für sich. Für jedes Pferd sind 3 Ztr. Hafer mitzuführen. Alle überflüssigen Gegenstände müssen im Stich gelassen werden. Es gilt das nackte Leben zu retten. Betten, Kleidung und Lebensmittel sollen nach Möglichkeit mitgenommen werden. Hühner müssen als Marschverpflegung geschlachtet, Brotvorrat muss noch gebacken werden. Inzwischen ist die Nacht hereingebrochen, eine Nacht der Unruhe und Spannung.

      Sonntag früh um 7 Uhr beginnt endgültig das Verpacken der Treckwagen. Die in Zoldekow seit 1941 beschäftigten kriegsgefangenen Russen helfen treu und fleißig und mit großem Geschick bei der Herrichtung der Treckfahrzeuge. Mit Brettern und Planen werden die Wagen verschalt und abgedeckt. Dächer aus Binderplänen entstehen. Es kommt uns zugute, dass seit Wochen die Flüchtlinge aus Ostpreußen uns ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Das Dorf sieht aus wie ein Heerlager. An vielen Stellen werden Hühner und Gänse geschlachtet. Auch einige Schweine müssen noch daran glauben.

      Ich setze mich telefonisch mit Oberleutnant Werner in Verbindung. Die militärische Lage hat sich nicht gebessert. Der Russe drückt mit starken Kräften in Richtung Plathe nach Norden. Von Schievelbein aus sollen Panzerspitzen bis in die Gegend von Treptow vorgestoßen sein. Fern im Südosten sieht man am Horizont mit dem Glas deutlich an verschiedenen Stellen Rauchsäulen aufsteigen. Die Front rückt langsam aber sicher näher.

      Wir beschließen, noch eine Nacht in Zoldekow zu bleiben und am Montag früh abzufahren.

      Gegen Abend kommen Trecks aus der Greifenberger Gegend. Bekannte und Freunde sind darunter. Eine Frau aus Damerow bittet um ein Pferd. Der Mann ist eingezogen, vier kleine Kinder sind zu retten. Sie bekommen ein altes aber brauchbares Pferd. Einige Saugfohlen müssen getötet werden. Die Mutterstuten sollen mit als Zugpferde. Eine dunkle Nacht bricht herein. Es wird nicht viel mit dem Schlaf. Draußen auf der Straße rollen unaufhörlich Fahrzeuge nach Westen. Der Hof und das Dorf sind voller Unruhe. Der Himmel ist gerötet von brennenden Höfen und Dörfern.

      Noch einmal erbitte ich von Raddack den Lagebericht. Plathe ist von den Russen besetzt, die in Richtung Naugard-Greifenberg-Gülzow vordringen. Eigene Abwehr ist schwach. Ich teile nunmehr dem Amtsvorsteher mit, dass ich für Montag früh, 7 Uhr, Abmarschbefehl gebe. Was die Kreisleitung dazu sagt, ist mit gleichgültig. Ich fühle mich selbst verantwortlich für die mir anvertrauten Menschen.

      Montag früh um 5 Uhr Anruf aus Schwenz: Der „politische Leiter“ ist da und verbietet den Abmarsch. Ich ordne an, dass trotzdem in der besprochenen Weise abmarschiert wird. Ist das nun Dummheit oder Verbrechen? Wenn die Frauen und Kinder schon vor Tagen und Wochen zurückgeführt worden wären, hätte viel Jammer und Unglück vermieden werden können. Angesichts der stündlich näher rückenden Panzerspitzen immer noch den Abmarschbefehl hinauszuzögern ist glatter Mord und erfordert Selbsthilfe. „Jagt den Kerl vom Hof und marschiert ab!“

      Um 7 Uhr sammelt sich der Treck auf der Straße nach Stresow. Die Treckführer bestimmen die Reihenfolge. Der übriggebliebene Volkssturm ohne Waffen hat die Aufgabe, unter meiner Führung ca. 1.000 Stück Rindvieh von den Gütern Schwenz, Zoldekow, Riebitz, Groß-Justin und aus den Dörfern Justin und Nitznow am Ostseestrand entlang auf die Insel Wollin zu treiben und der Flughafenkommandantur Dievenow zu übergeben.

      Abschied von den Lieben! Wann und wo werden wir uns wiedersehen? Die letzten Fahrzeuge rollen durch das Dorf. Vor dem Russenlager stehen die russischen Kriegsgefangenen angetreten zum Abmarsch nach Westen. Ich nehme Abschied von jedem einzelnen. Prächtige Burschen sind darunter, die teilweise seit 1941 bei uns tätig waren. Fleißige, intelligente Arbeiter. Einigen stehen Tränen in den Augen. Ein unbegreifliches Volk, diese Russen! Große Kinder, leicht im Guten zu beeinflussen! Aber leider auch ebenso leicht im Bösen, wie das die uns täglich zu Ohren kommenden Grausamkeiten, die an der friedlichen deutschen Zivilbevölkerung verübt werden, beweisen.

      Das Vieh wird in den Ställen gelöst und auf den Hof getrieben. 140 Milchkühe und über 200 Stück Jungvieh aus Zoldekow, fast ebensoviel aus Schwenz werden zusammengetrieben und ziehen in Richtung Riebitz-Baldebus. Der Hof hat sich geleert. Haus und Speicher stehen offen, werden von Angehörigen fremder Trecks und Polen durchsucht und geplündert. Als letzter verlasse ich den Hof. Einen Augenblick überfällt mich die Wehmut des Abschieds. Mehr als 6 Jahre harter, erfolgreicher Arbeit versinken hinter mir. Das Haus, das mir und meiner Familie Heimat war, steht verlassen. Wir sind fahrendes Volk geworden, meine Frau und drei kleine Kinder von 1 bis 3 Jahren hausen jetzt in einem Treckwagen, den Unbilden der Märzwitterung ausgesetzt. All unser Hab und Gut müssen wir im Stich lassen! „Vom Winde verweht!“ Wir sind mitgerissen von der gewaltigen Völkerwanderung, die sich seit Wochen aus den weiten Ebenen zwischen Weichsel und Oder nach Westen ergießt, alles mit sich schwemmend und weite Räume im Westen Deutschlands überflutend.

      Fahl ist im Osten die Märzsonne aufgegangen. Ich bahne mir mühsam den Weg an rollenden Treckwagen vorbei durch das zum Teil bereits geräumte Dorf Stresow zur Stellung Raddack, wo ich den Viehtransport erwarten will. Die Stellung ist alarmiert. Ich begrüße Oberleutnant Werner, der mit mir den Beobachtungsturm erklettert und mir die neueste Lageschilderung macht. Letzte Meldungen besagen, dass Gülzow in den frühen Morgenstunden gefallen ist und das Dorf Baumgarten, westlich davon schon brennt. Man kann im Ferngerät die Rauchsäulen sehen. Ich beobachte durch das Glas die Straße, die von Cammin nach Dievenow führt. Da müssen jetzt unsere Wagen rollen. Eine ununterbrochene Kette von Treckfahrzeugen bewegt sich langsam nach Nordwesten. Über die Dievenow führt nur eine schmale Schiffsbrücke zum Flughafen Dievenow hinüber. Dort werden sich die Fahrzeuge stauen. Es geht immer nur langsam hinüber, aber ich weiß die Zoldekower und Schwenzer Fahrzeuge in vorläufiger Sicherheit. Die Odermündung mit den breiten Mündungsarmen bildet ein natürliches, schwer zu nehmendes Panzerhindernis.

      Motorengeräusch über uns in großer Höhe! Fliegeralarm!!! Russische Beobachter werden gemeldet. Die Kondensstreifen verschwinden in Richtung Ostsee.

      Vom Beobachtungsstand kann ich jetzt in Richtung Riebitz die riesige Viehherde sehen, die sich langsam nach Baldebus fortbewegt. Unser schönes Milchvieh aus Zoldekow und Schwenz! Zugführer Ochsenbein, unser tüchtiger Melkermeister aus Zoldekow, leitet den Abtransport. Es wird noch 2 bis 3 Stunden dauern, bis die Tiere über Baldebus den Ostseestrand bei Kalkberg erreicht haben, und es wird Abend werden, bis die Herde über die Brücke nach Dievenow getrieben werden kann.

      Ich beobachte wieder nach Süden und Südwesten. Cammin, die alte, von Otto von Bamberg vor 700 Jahren gegründete Bischofsstadt, seitdem ein Vorposten des Deutschtums in Ostpommern, leuchtet im fahlen Schimmer der Märzsonne über die spiegelglatte Fläche des Boddens herüber; in der Mitte des Städtchens die klobige Silhouette des Domes. Links vom Dom sind plötzlich Rauchwolken zu sehen. Auch ist jetzt deutlich Gefechtslärm zu vernehmen. Kein Zweifel, der Kampf um Cammin hat begonnen! Links von der Stadt kommt eine braungraue Rauchwolke hoch. Das muss das Bauerndorf Revenow sein! Am Bahnhof und bei der Molkerei sind Artillerietreffer zu erkennen.

      Oberleutnant Werner klettert vom Beobachtungsstand herunter. „Herr Rocksch! Führen Sie einen Spähtrupp nach Cammin! Nehmen Sie den kleinen PKW und suchen sich zwei Männer dazu aus! Versuchen Sie vor allem zu erkunden, ob die Straße Cammin-Schwirsen noch frei ist!“ Der kleine Wagen spritzt auf dem Feldweg über Raddack davon.

      Inzwischen schwillt der Gefechtslärm in Cammin an. Maschinengewehrfeuer, Abschüsse und Einschläge, dazwischen schwere Schläge von Minen und Panzerfäusten. An verschiedenen Stellen brennt es in der Stadt. Auch auf der kleinen Insel Gristow, rechts von Cammin im breiten Strom der Dievenow liegend, brennt es an verschiedenen Stellen.

      In der Stellung Raddack wird die Sprengung der Messgeräte und Baracken vorbereitet. Kradmelder fahren zu den vorgeschobenen Stellungen. Vorläufig ist nicht mit Feindberührung zu rechnen. Zwischen Cammin und Groß-Justin zieht sich ein breiter Moorgürtel. Durch Schmelzwasser weit überschwemmt, bis nach Zoldekow. Das Moorgelände ist durch den breiten Brenkenhofkanal durchschnitten, über den nur dicht bei Cammin eine Brücke führt. Nördlich dieses Moorgürtels zieht sich die Straße von Justin über Zoldekow-Stresow-Granzow-Fritzow

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