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Füße unter ihre Beine ein. Prima Ringelsocken.

      Seit dem Abend vor der Mensa berührte ich sie manchmal, als sei es eine ‚Vorstufe‘ unseres Zusammenseins. So strich ich ihr durch die dicken, braunen Haare. Sie freute sich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Weil sie nur ein T-Shirt anhatte, fühlte ich einen ihrer Busen auf meinem Oberarm liegen. Ich wagte kaum zu atmen, um den Augenblick nicht zu gefährden.

      „Stella, weißt du, wo mein Haarband ist“, fragte Sabine. Martin hatte ‚Yes‘ aufgelegt, was zum Tanzen ungeeignet war. Stella sprang auf und half suchen.

      „Ich muss wieder los“, sagte Lene und ich brachte sie zur Tür. Sie zog mich in den Hausflur und küsste mich ganz sehr mit Zunge und so. Das war total komisch, so als würde das Blut im Körper falsch rum fließen. ‚Könnte sie sich nur in Stella verwandeln‘, dachte ich und drückte sie ganz fest an mich.

      „Ich muss jetzt wirklich gehen“, sagte sie dann zärtlich und entklammerte sich. „Ihr seid eh alle betrunken“, setzte sie traurig hinzu und stapfte die Treppen runter.

      Tobias rief alle möglichen Millies an. Karine kam daraufhin. Sie und Tobias tranken fiesen Wodka aus einer verschnörkelten Flasche, den sie mitgebracht hatte. Dann verschwanden sie im Zimmer meiner Schwester, wo Tobias bestimmt seine Hände wandern ließ.

      Wie immer lungerte ich in der ersten großen Pause in Stellas Nähe herum.

      „Hast du am Wochenende schon was vor?“ fragte ich sie, als mal gerade kein anderer mit ihr quatschten wollte, „ich weiß eine Fete. Aber wir könnten auch zum Griechen essen gehen oder ins Kino.“

      „Ich fahre nach Berlin“, sagte sie.

      „Was? Das ist ja toll“, erwiderte ich locker, aber in Wirklichkeit enttäuscht. „Was machst du denn da? Die Stadt ansehen?“

      „Du bist ganz schön neugierig“, fuhr sie fort, “ich treffe Bimmi.“

      „Bimmi?“ fragte ich.

      „Meinen Freund“, sagte sie keck und tippte mir mit ihrem Finger auf die Nase. Es klingelte und sie ging zurück in den Klassenraum. Ich blieb stehen und kämpfte mit den Tränen.

      In der zweiten großen Pause trottete ich wie eine gehirnlose Hülle mit Martin zu Winni. Winni wohnte alleine in einem riesigen Apartment gleich gegenüber der Lüdersschule. Er mixte Cocktails an seiner Bar. Wir hörten blöde ‚Styx‘-Musik auf der gigantischen Stereoanlage. Am Plattenspieler stand die Warnung, dass der Motor so stark sei, dass er einem den Arm abreißen könne. Winni hatte auch einen eigenen Flipperautomat. Ich war zu aggressiv und tilte das Ding dauernd. Winni war eh unschlagbar, schließlich kannte er die Maschine auswendig. Ich überredete die beiden, dass wir uns den restlichen Unterricht schenkten. Nach Stundenplan wäre bei mir Mathe mit Stella dran gewesen. Da wollte ich auf keinen Fall hin.

      Am späten Nachmittag trottete ich nach Hause. Die Sonne schien, aber sie wärmte nicht all zu sehr. Tonnenweise Kastanien lagen auf dem Fußweg rum. Ich kickte ein paar durch die Gegend. Sie rollten und hüpften ewig weit, die breite Allee entlang.

      In der 'Südstadt-Klause' hockte wie gewöhnlich der Geschichtslehrer an der Theke. Keine Ahnung warum, aber bei dem Anblick schossen mir Tränen in den Augen und ich lief über die Ampel, die noch rot war. Ein Auto kam und weil ich nicht aufgepasst hatte, musste der Fahrer volle Kanüle auf die Bremse treten. Es hielt direkt vor meinem Knie an, ich machte einen weiteren Schritt und war gerade an dem Auto vorbei, als ein anderer Wagen von hinten reinkrachte, so dass der Wagen der gebremst hatte, einen Satz nach vorne machte. Er streifte mich sogar noch, aber es war nichts passiert. Das heißt doch, denn total im Schock rannte ich wie besemmelt los. Hinter mir wurde geschrien, aber ich rannte immer schneller, bis ich meinen schmerzenden Körper gegen eine Häuserwand brettern ließ.

      Am nächsten Tag rief gleich nach der Schule Tobias an und fragte, ob ich einen Schlafplatz für Bernard wüsste.

      Mutterns elender Sekretärinnenjob erlaubte ihr in ihrer Mittagspause nach Hause zu kommen. Also fragte ich sie beim Mittagessen (Leber, noch leicht blutig, mit Kartoffelmus aus der Tüte und fast schwarz gebratenen Zwiebeln), ob Bernard für ein paar Nächte bei uns schlafen könne. Sie war einverstanden.

      Am Nachmittag brachte Tobias ihn vorbei und düste gleich wieder los.

      Bernard packte eine Flasche Ouzo aus. Seine zittrigen Hände hatten Probleme den Deckel aufzudrehen.

      Wir nippten die ganze Flasche nieder - mit Eiswürfeln aus kleinen Gläschen. Bei jedem Nachschenken klingelten Bernards 40 Silberarmreifen.

      Leise fast flüsternd erzählte er ein bisschen über sich, dass er aus Claustal Zellerfeld komme und mit 13 zu Hause rausgeflogen sei, dass er seitdem rumziehe und noch anderes Tränendrüsenzeugs. Dabei nagelte er mich mit seinen winzigen Pupillen so fest, dass mir keine andere Wahl blieb, als zuzuhören.

      Als abends Muttern von der Maloche kam, stellte sich Bernard ihr gleich an der Tür vor:

      „Ich heiße Bernard“, hauchte er mit seiner unwiderstehlichen, sanften Stimme und schüttelte ihr vorbildlich die Hand. Muttern war begeistert.

      Am nächsten Tag schleppte ich ihn mit in die Schule (seine Idee). In der ersten Stunde hatte ich Schmetter. Das war spaßig, weil Schmetter nicht verstand, was dieser schräge Typ in bestickter Hippiebluse in seinem Unterricht wollte. Außerdem konnte er ihn überhaupt nicht ausstehen, vielleicht noch weniger als mich. Er fragte ihn etwas über Mozarts Zauberflöte. Bernard flüsterte eine patzige Antwort, die Schmetter zum Glück akustisch nicht richtig mitkriegte.

      In der Pause zischte Bernard los, weil er auf Penne doch keinen Bock hatte.

      Um zwei Uhr nachts klopfte es an unserer Haustür. Es war Bernard - total zugedröhnt. Wortlos sackte er immer wieder in sich zusammen. Ich kriegte ihn irgendwie in mein Zimmer, ohne das Muttern aufwachte.

      „Alles klar? Was ist denn mit dir los?“ fragte ich ihn. Er holte kleine Glasampullen aus seiner Jacke und ließ sie auf den Teppich fallen.

      „Morphium. Hab‘ ich im ... Krankenhaus geklaut“, sagte er. Die Augen drehten sich nach oben. „War nicht einfach ...“, ergänzte er Minuten später. Ich ließ ihn auf den Matratzen liegen und deckte ihn mit einer Decke zu.

      Noch bevor die Sonne aufging, schlich er sich wieder raus.

      Erst zwei Nächte später tauchte er wieder auf - wieder völlig zugefixt. Und am Morgen war er wieder verschwunden.

      Das wiederholte sich eine Weile, bis ich zu ihm sagte: „Es tut mir echt leid, aber ich denke, du musst dir was anderes zum Pofen suchen. Muttern ist echt genervt.“ Das stimmte zwar gar nicht, aber ich hatte keine Lust in harte Drogensülze verwickelt zu werden.

      „Kein Problem“, flüsterte er, „ich hab‘ eine Wohnung in Aussicht. Übrigens gleich hier in der Rimsockstraße“, antwortete er.

      Ungläubig nickte ich.

      An einem Nachmittag, ich hatte, wie fast jeden Nachmittag, autistisch mit einer Feder schwarze Tuschelinien auf Papier gekritzelt und die Felder mit Buntstift gefüllt und dann das ‚fertige Bild‘ mit Stecknadeln an die Raufasertapete gepinnt, holte er seine Reisetasche ab.

      „Übriges: Vielen Dank für alles. Wirklich, meine ich ernst“, hauchte er, „ich wohne jetzt Rimsockstraße 16. Komm doch mal rum.“

      Machte ich. Nummer 16 war das vorletzte Haus, gleich neben der katholischen Mädchenschule, die mit Morgengottesdienst und solchen Schikanen auffiel.

      Schon im Hausflur roch es intensiv nach Haschisch. Bernard wohnte im ersten Stock. Im Korridor sprang mich ein junger Schäferhund an. Der Haschischgeruch in der Wohnung war überwältigend.

      „Du hast jetzt einen Hund?“ fragte ich.

      „Ja, immer wenn ich mir zu viel drücke und auf der Straße zusammenbreche, bewacht er mich, bis ich wieder zu mir komme.“

      „Das

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