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rief Ralath aufgeregt. „Ich hab ein paar Fallen unten am See ausgelegt. Lass sie uns aufsuchen und sehen, ob wir nicht ein Kaninchen gefangen haben, das wir heute Abend essen können!“

      „Gerne“, lächelte Aleríà und musterte, zum ersten Mal an diesem Morgen, ihren Bruder genauer.

      Er wirkte vollkommen normal. Vielleicht hatte sie dies Ereignis doch nur geträumt und in Wirklichkeit spielten ihr ihre Sinne makabre Streiche – oder sie wurde langsam verrückt …

      „Los, Aley. Lass uns endlich ein wenig jagen gehen“, rief Ralath ihr zu, während er bereits den Waldrand erreichte.

      „Nicht so schnell“, japste Aleríà, die an diesem Morgen Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten. Dabei war sie sonst immer die Erste, wenn es um Wettrennen ging, aber heute war alles anders.

      Sie fühlte, wie ihr Bauch seltsam rumorte und sich zusammenzog. Sie schob es auf den Haferbrei, den sie tagein, tagaus aßen, wenn die Fallen nichts anderes hergaben.

      „Ralath, warte“, rief sie ihrem Bruder zu, der, flink wie ein Wiesel, zwischen den Stämmen und Sträuchern untertauchte.

      „Beeil dich, du lahme Ente“, lachte Ralath kehlig und stürzte förmlich auf den See zu, an dessen Ufer sie mehrere Fallen ausgelegt hatten. Auch wenn es bloß Kaninchenfallen waren, hatten sie doch gehofft, dass auch eine der beiden Zwillinge sich darin verirren würde, schließlich hatten sie Aleríà mehr als einmal verletzt.

      Keuchend und mit Blättern und Zweigen bestückt, die sich in ihrem Haar verfangen hatten, kam Aleríà schließlich auch am Ufer an.

      „O.k., du hast gewonnen“, japste Aleríà.

      Als sie sich aufrichtete und ihren Bruder ansah, erschien anstatt des freudigen Lächelns ein Ausdruck, den sie bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte – außer in der vergangenen Nacht.

      „Ralath?“, fragte sie vorsichtig und machte unbemerkt einen Schritt zurück.

      „Du hast gesagt, du hattest jemanden, der dir die Magie beigebracht hat … Ich habe auch jemanden gefunden …“, wisperte er mit dunkler Stimme und verschleiertem Blick. Alarmiert beobachtete Aleríà die Umgebung, da sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.

      „Wen?“, fragte Aleríà ängstlich, da ihr die schwarze Gestalt wieder einfiel.

      „Einen großartigen Zauberer. Er ist ein Meister seines Fachs und hat mir schon weitaus mehr beigebracht als deine lächerlichen Taschenspielertricks, mit denen du es nie weit bringen wirst … Sieh her …“

      Ralath ließ sein Handgelenk in einer ruckartigen Bewegung nach oben schnellen, während seine Finger sich zu einer Klaue krümmten. Mit einem schrillen Laut erhob sich aus dem Dickicht ein kleines braunes Fellknäuel, welches vor Ralath in der Luft schwebte – ein Kaninchenbaby.

      „Sieh genau hin und lerne“, grinste Ralath bösartig, während er mit seiner anderen Hand leise schnipste.

      Das Kaninchen begann jämmerlich zu quieken und sich strampelnd aus dem unsichtbaren Griff zu befreien – vergebens. Bereits nach kurzer Zeit hörte Aleríà, wie sich die Muskeln bis zum Zerreißen spannten, ehe die kleine Seele dem Druck nicht mehr standhalten konnte. Mit einem allerletzten verzweifelten Versuch bog es den Hals durch, ehe dieser mit einem lauten, fürchterlichen Knacken brach. Das Tier war tot …

      Achtlos warf er den kleinen Körper Aleríà vor die Füße, die zu Boden sackte und mit zittrigen Fingern den Leichnam streichelte.

      „Was hast du getan?“, flüsterte sie, ehe ihre Stimme in einem Schrei endete. „Was hast du getan?“

      „Ich habe dir lediglich gezeigt, wozu ich, im Gegensatz zu dir, in der Lage bin“, sprach Ralath mit verzerrter Stimme. „Leben kommt und Leben geht und ich bin derjenige, der bestimmt, wann dies zu geschehen hat …“

      „Das ist nicht wahr! Du hast nicht über Leben und Tod zu richten. Du bist ein kleiner Junge, der Magie gerade erst in den Anfängen gesehen hat!“

      „Ach ja, wer von uns beiden kann denn nur einen Bruchteil seiner Energie in einer Hand sichtbar machen?“

      Sichtbar verletzt senkte Aleríà ihren Kopf, sodass ihre Locken ihr Gesicht verbargen.

      „Sieh es endlich ein, du bist schwach … Ein Nichts im Vergleich zu mir …“

      „Das ist nicht wahr“, protestierte Aleríà leise und blickte mit festem Blick zu ihrem Bruder – oder vielmehr das, was einst ihr Bruder gewesen war – auf.

      „Magie ist kein Spielzeug! Du hast kein Recht, andere Lebewesen mit deinen Fähigkeiten zu verletzen.“

      „Und du willst mich etwa daran hindern?“, fragte Ralath höhnisch.

      Mit einem weiteren Fingerschnippen erschien eine schwarze Energiekugel in seiner Hand, die wie eine Gewitterwolke drohend umherzuckte. Wie einen Spielball warf er sie zunächst hoch in die Luft und fing sie wieder auf. Er ließ es so beiläufig geschehen, als wäre es das Alltäglichste auf der Welt. Kaum hatte er sie beim dritten Mal gefangen, veränderte sich seine Miene schlagartig. Seine Augen veränderten sich. Sie wurden von einem Schleier des Wahnsinns überzogen, der sein Gesicht auf groteske Art und Weise entstellte. Ohne Vorwarnung warf er den gefährlich zuckenden Ball nach seiner Schwester.

      Gerade noch rechtzeitig konnte Aleríà ausweichen und blickte mit Schrecken auf den riesigen Krater, der sich in den Boden gefressen hatte.

      „Ralath, hör auf, bitte. Das bist nicht du!“

      „Und ob ich das bin. Ich hab mich noch nie so gut gefühlt!“, antwortete er ihr mit einer Stimme, die eher einem Erwachsenen gehörte als einem siebenjährigen Jungen.

      Eine weitere Energiekugel schlug dicht neben Aleríà ein, die sich nur durch unglaubliches Glück retten konnte.

      „Weißt du, Schwesterchen, wenn ich dich töte, werde ich mächtiger werden, als du es dir je vorstellen kannst …“, lachte Ralath und formte mit beiden Händen eine Sphäre, die die Größe eines Kohlkopfes besaß.

      Aleríà hatte Angst. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, wenn sie sich nicht wehrte. Vor allem, da sie zu nichts mehr als einem bloßen Fünkchen in der Lage war und mit Ralaths Kräften bei Weitem nicht mithalten konnte. Mit Tränen in den Augen nahm sie sich zusammen. Zwang sich zur Ruhe. Sterben wollte sie auf keinen Fall.

      Sie begann, ihren Geist zu leeren und sich langsam zu entspannen. Sie spürte das Leben um sich herum mit jeder einzelnen Faser ihres Körpers pulsieren. Der Herzschlag, der sie umgab, erfüllte sie mit Freude und zugleich dem Wissen, dass sie diesen Herzschlag beschützen würde. Allein der Tod des Kaninchens hatte sie in ihrem Beschluss bestärkt.

      Mit nahezu den gleichen flüssigen Handbewegungen erschuf sie eine ebensolche Sphäre in ihren Händen, die jedoch weiß, beinahe durchschimmernd leuchtete und zudem um einiges kleiner war.

      Die Zeit schien stillzustehen, während sich die Geschwister gegenüberstanden. Selbst die Tiere des Waldes schienen die geladene Atmosphäre bemerkt zu haben, denn kein einziger Vogel erfüllte die Luft mit seinem Gesang. Stumm musterten sich die beiden und warteten, dass einer von ihnen den ersten Schritt tun würde. Sekunde um Sekunde verging, ehe ein Wimpernschlag die Entscheidung brachte.

      Zugleich warfen sie die Energien und beobachteten, wie diese aufeinanderprallten. Gebannt verfolgten sie, wie sich die Kugeln zu einer einzigen vereinigten. Was dann geschah, hatte allerdings keiner von ihnen erwartet.

      Eine gewaltige Explosion, gefolgt von einer überwältigenden Druckwelle, erschütterte den Boden und riss die Geschwister von den Füßen.

      Geblendet wandte Aleríà die Augen ab. Zu grell erstrahlte das Licht der Eruption, sodass man noch nicht einmal die Hand vor Augen hätte sehen können, geschweige denn überhaupt etwas sah außer allumfassender Helligkeit. Mit bangem Herzen wartete sie gebannt darauf, dass das Licht abflaute, um ihr zu zeigen, was mit ihrem Bruder geschehen war.

      Nach einer

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