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ihr Überleben mit einer kurzen Charterreise aufrechterhalten. Die "Marlene-S" war zum Containereinsammeln nach Syrien, Ägypten, Italien und Frankreich abkommandiert worden.

      Es war Mitte Juli 1982, und eine ganze Reihe unserer Crew hatte vor, entweder in Livorno oder in Marseille in Urlaub zu gehen. Auch ich hatte vor, spätestens Ende Juli, nach über neun Monaten Fahrtzeit dem Schiff den Rücken zu kehren. Ein Wiedersehen mit meiner Familie und ein gemeinsames Sommerhüttenleben im malerischen Kanada standen auf dem Programm. Grund genug, bei den fast täglich stattfindenden Abschiedsfeiern meiner Kameraden, die Gitarre wieder mal aus dem Kasten zu holen. Wir waren gut drauf, trotz der miesen Aussichten, was die Zukunft der Seeschifffahrt betraf.

      Vor einigen Wochen hatte in Hamburg die Seeamtsverhandlung im Zusammenhang mit dem M/S "Elma Tres" stattgefunden. Das Containerschiff war Ende November 1981 im Orkan gekentert und mit 23 Seeleuten verloren gegangen. Der Erste Offizier, einziger Überlebender, hatte mithelfen sollen, Licht in das Dunkel zu bringen. Doch die Seeamtsverhandlung soll wieder einmal eine Posse gewesen sein, denn die Ursachen des Untergangs hatten nicht ermittelt werden können. Böse Zungen behaupteten, sie hatten wohl auch nicht ermittelt werden sollen. Wir an Bord hatten uns längst auf eine Augenwischerei im Zusammenhang mit der "Elma Tres" eingestellt. Dem zähen Informationsfluss konnten wir entnehmen, dass unsere Vermutungen gar nicht so abwegig gewesen waren!

      In diesen Argwohn hatte auch das Bild des Bundesbeauftragten gepasst, einen 81-jährigen Konteradmiral a.D., der zwar den Stabilitätsgutachten nicht hatte folgen können, aber die Ausbildung der billigen Filipino-Crew ganz in Ordnung gefunden und unverhohlen die Frage gestellt hatte, welcher Deutsche denn noch zur See fahren wolle, wo es kaum Freizeit und kein Fernsehen gäbe.

      Tja, wer will noch zur See fahren, fragten wir uns damals des Öfteren. Die weltweite Wirtschaftsflaute traf vor allen Dingen auch die Frachtschifffahrt. Die knallharte Konkurrenz subventionierter, billig bemannter oder durch Flaggenprotektionismus geschützter Handelsflotten machte es den deutschen Reedern immer schwerer, mitzuhalten beim Poker um die niedrigsten Frachtraten. Und diese fielen, bei weiterhin steigendem Überangebot an Schiffstonnage, unaufhaltsam tiefer. Die Unkosten eines Schiffes waren mit den Einnahmen aus den Charterverträgen nicht mehr zu decken!

      Das war dann der Punkt, an dem der Reeder ans Ausflaggen dachte, um im Schatten exotischer Wimpel Bemannungsrichtlinien, Sicherheitsvorschriften und Mindestheuern unterwandern zu können. Das senkte die Kosten. Die Un-Kosten! Aber ein Reeder hätte niemals zugegeben, danach wieder Profit zu machen. Selbst in den fetten Jahren, als die Frachtraten noch stimmten, hätte das keine Kompanie rundheraus und mit Stolz auf ihr kaufmännisches Können eingestanden. Man hatte es vielmehr prächtig verstanden, dezent zu klagen und uns in der Fahrt stets im Unklaren zu lassen, so dass uns jede Heuerzahlung die Schamröte ins Gesicht treiben musste, tjahaha! Wir erschauerten auch immer artig, wenn uns zu Weihnachten die Nichtgewährung eines Weihnachtsgeldes mit dem strapazierten Sermon erklärt wurde: „In Anbetracht der schwierigen Frachtenlage...“ – Aber man hatte uns wenigstens ein frohes Fest gewünscht. Später wurde nicht mehr auf die Tränendrüse gedrückt. Da wurde Tacheles geredet: „Wenn die Unkosten nicht gesenkt werden, müssen wir ausflaggen!“

      Dass die Reeder Gewinne machen mussten bestritt niemand. Dass Seeleute eine angemessene Heuer verdienten, erschien im Sinne der Gerechtigkeit ebenso logisch. Dass aber Gewinne nur noch auf Kosten der Seeleute herauszupressen waren, war bittere Praxis geworden und die Folge einer vernachlässigten Schifffahrtspolitik.

      Wir sahen mit Wehmut und Wut im Bauch wie die deutsche Handelsflotte schrumpfte und verscherbelt wurde. Wie sie einem Klima der Resignation und Unzufriedenheit anheimfiel. Ein Berufsbild, das nur noch chancenlose Düsternis als Zukunft anbot, musste an sich selbst kaputt gehen!

      Seefahrt – Abenteuer oder Beruf? Sie war insofern zwangsläufig abenteuerlich, als man von Reise zu Reise um seine Existenz bangen musste: Wurden wir nun ausgeflaggt? Bekam der Reeder noch einmal eine kostendeckende Charter? Sollte der Zossen aufgelegt, eingemottet oder gar verkauft werden?

      Längst wurde mit aller Rigorosität rationalisiert. Schiffe fuhren unterbesetzt, unterbesetzter, am unterbesetztesten. Dass es hierbei kriminell zuging, wird mir keiner als Lüge vorwerfen können. Oder war es nicht gesetzwidrig, wenn Mannschaftslisten – vollzählige Bemannung vortäuschend – gefälscht wurden? Wenn in Häfen, wo Kontrollen drohten, in Nacht-und-Nebel-Aktionen die nötigen Dienstgrade für ein Handgeld eingeschleust wurden? Wenn man dies viel geschickter mit Seefahrtbüchern machte, oder wenn ein Patentinhaber in Form von drei Seefahrtbüchern gleichzeitig auf drei Schiffen fuhr?

      Vom Gesetzgeber wurde folgerichtig verlangt, die Schiffsbesetzungsverordnung zu ändern. Es sollte legalisiert werden, was bislang unterhalb der gesetzlichen Gürtellinie stattgefunden hatte. Nur Träumer glaubten, dass damit der Kosteneinsparerei ein Ende gesetzt werden könnte. Denn immer mehr Jobsuchende aus den Armenhäusern der Welt drängten auf den internationalen Arbeitsmarkt, aus dem sich die Reeder lächelnd bedienen konnten. Billigbemannung, das war die Lösung der Arbeitgeberseite. Besatzungsreduzierung bei gleichzeitigem Abbau des Qualifikationsniveaus, so sah die Wirklichkeit aus.

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      Welche Perspektiven offerierte also die christliche Seefahrt? Von 1978 bis 1981 war bei nautischen Offiziersbewerbern ein Rückgang von 57 % festgestellt worden. Von den technischen Offiziersbewerbern hatten sogar 74 % eine Zukunft bei der Seefahrt als Illusion erkannt. Auf Schiffen mit 12 oder 14 Mann Besatzung war es schwer vorstellbar, dass es einst die dampfenden Riesen von Passagierschiffen gegeben hatte, die bis zu eintausend Mann Besatzung fuhren! Noch 1970 zählte man rund 56.000 Seeleute an Bord deutscher Handelsschiffe. 1977 waren es keine 40.000 mehr, 1984 rund 28.000, 1988 14.000 und im Jahr 2003 gab es nur noch 7.300 Seeleute!

      Heute, 2014, gibt es etwa 3.560 Schiffe mit deutschen Eigentümern. Davon fahren allerdings nur 566 Schiffe unter deutscher Flagge. Fast 3.000 Handelsschiffe und Kreuzfahrer ziehen es vor unter der Billigflagge von Liberia, Panama oder Antigua zu segeln. So meldet die "Badische Zeitung" vom 31. März 2014, nachzulesen unter folgendem link: http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/deutsche-schiffe-fahren-nur-selten-unter-deutscher-flagge--40958072.html

      Schwarzmalerei? Wir waren doch so anpassungsfähig wie eh und je und hielten das Maul, in der Gewissheit, sowieso nichts ändern zu können. Resignation, Verzicht, Aufgabe... So verzichteten wir stillschweigend auf tarifliche Absicherungen, hatten uns seit langem daran gewöhnt, immer weniger Forderungen an Lebensqualität oder Komfort zu stellen. Übertrieben? Wieso denn? Schrubbten wir nicht längst unsere Kammern und Scheißhäuser selbst? Wuschen die Bettwäsche, verzichteten auf Handtücher, auf gemachte Betten? Stellten uns in der Kombüse an, um auf Billiggeschirr einen proviantsatzgenormten ‚vollen Schlag‘ abzuholen? Und hockten wir dann nicht in verdreckten Messen, die schwimmenden Baubuden glichen? An Deck hatte doch der Erste die Arbeit des Bootsmanns übernommen! Und der Zweite wurde scheel angeschaut, wenn er nicht auf der Brücke Messing putzte und an Deck malte! So sah doch die nach Qualifikation schreiende, rationalisierte, hochtechnisierte Seefahrt aus! Das war doch der desillusionierende Alltag, der den jungen Männern geboten wurde, wenn sie von der Fachhochschule oder der ‚Seefahrtsakademie‘ auf das vergammelte Eisendeck einer Containerschute umstiegen, die Ohren noch voll vom großkotzigen Geseibel über fachliches Können und berufliche Herausforderung!

      Vor allem den Funkern drohte das endgültige Aus. Unser Job war gelaufen. ‚INMARSAT‘, die ‚International Maritime Satellite Organization‘ rückte uns ernsthaft auf den Pelz. Die Bundespost hätte fast den Beitritt verschlafen und hielt dämliche drei Prozent der Anteile. Auch die Kollegen bei Norddeich-Radio, der deutschen Küstenfunkstelle mit dem Ruf, weltweit eine der besten zu sein, bangten um ihren Arbeitsplatz. Natürlich wurde beschwichtigt und darauf hingewiesen, dass bis 1990 erst mal alles so weiterlaufe. Aber am 31. Dezember 1998 sollte Norddeich-Radio seinen allerletzten Funkspruch ausgestrahlt haben.

      Aber bis dahin hatten wir ja damals noch eine ganze Reihe von Jahren vor uns. Und Veränderungen waren auch durchaus etwas Positives. Zum uneinsichtigen, larmoyanten alten Hasen, der den Lauf der Zeit kopfschüttelnd bedauerte, mochte ich nicht verkommen. Auch nicht zum Schwarzmaler. Oder zum Brabbelromantiker, der viel zu früh alten

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