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Sturmvoll beitragen, auch wenn mein Vater nicht viel rausgerückt hat.“ Alle schauten sie mit auffordernder Miene an. Langsam nahm Lulu einen Schluck von dem Assamtee aus ihrer Porzellantasse. Zeitschinderin, dachten alle. „Nun sag schon“, drängelte Onta. „Also gut, Frau Sturmvoll hat erst im zweiten Anlauf studiert“, erklärte sie mit geheimnisvoller Stimme. „Ja, und weiter“, wollte Sophie wissen. „Zuerst hat sie eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht, bevor sie zehn Jahre beim Militär war.“ Aimee gluckste hörbar, während Onta und Alba sich beinah verschluckten. Mit Tränen in den Augen japste Aimee so stark, dass Charlotte ihre Mutter überrascht anlächelte und dann mitlachte. „Was bitte schön, gibt es da so zu lachen?“, fauchte Onta ihre ältere Schwester an. „Die Frau ist einfach perfekt für euch“, entfuhr es Aimee stoßweise, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. Lulu nickte und sagte mit einem gewissen Sarkasmus in der Stimme: „Das fand der Stiftungsrat auch.“ In Sophies Kopf ratterte es: Frau Sturmvoll konnte demnach mit Kinder umgehen, das hieß, dass sie mit dem Lehrkörper zurechtkommen sollte. Ihre Erfahrung aus dem kommunkationswissenschaftlichen Studium würde ihr helfen, die Schule während des Prozess gut durch die Tücken der ungewollten Aufmerksamkeit zu manövrieren. Und die militärische Ausbildung? „Hat dein Vater gesagt, was sie beim Militär gemacht hat?“, wollte Sophie von Lulu wissen. „Leider nein. Ich habe natürlich nachgefragt“, gab sie mit einem Schulterzucken und einer entschuldigenden Geste zu. „Doch zu diesem Punkt hat er keine weiteren Details rausgerückt. Er hat mich nur schelmisch angelächelt und dann laut gelacht“, erklärte sie unwirsch und goss Milch in ihre Teetasse.

      Herr Goldblatt hatte manchmal schon einen komischen Humor, fand Sophie und schaute die anderen nachdenklich an. Wozu brauchte eine Direktorin eine militärische Ausbildung? Um den Schülern Disziplin beizubringen? Dafür hatten sie doch Madame Fine!

      „Egal“, seufzte Suki und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hauptsache wir haben Unterricht.“ Alle nickten zustimmend, das war das Wichtigste. Und so schnell würde die neue Direktorin keine Neuerungen einführen, hoffte Sophie.

      Brot und Salz

      „Was wird die nächste Überraschung sein?“, gluckste Onta als sie die Treppe zu dem Klassenzimmer der neunten Klasse hinaufgingen. Hoffentlich keine weiteren schlechten Nachrichten, dachte Suki und versuchte das schlechte Gefühl, das in ihr aufkeimte zu ersticken. „Hat Aimee oder deine Eltern noch irgendwelche Briefe von der Schule bekommen?“, wollte Sophie von ihren beiden Freundinnen wissen. Beide schüttelten den Kopf. Das war gut, denn normalerweise kündigte die Friedrich-Stein-Schule die Überraschungen des Schuljahrs zumindest bei den Eltern an. „Na, dann gibt es vielleicht diesmal keine Studienreise oder ähnliche Überraschungen dieses Jahr“, meinte sie zuversichtlich, als sie durch die Tür zum Klassenzimmer traten.

      „Oh, wir sind ja die letzten“, bemerkte Onta überrascht und grüßte die anderen schnell, während sie zu ihren Tischen huschten. Tatsächlich, alle anderen waren schon da, selbst Lulu und Alba. Und sogar Natalia saß schon neben Ines und plauderte angeregt mit ihr. Sie sah ein bisschen blass um die Nase aus und hatte deutlich an Gewicht verloren, fiel Sophie auf. Sie mochte Natalia zwar nicht, doch wünschte sie ihr nicht wirklich eine schlimme Krankheit an den Hals - nur, manchmal eben. „Ups, sieht die aber blass aus“, raunte Onta und schaute zu der Russin hinüber. „Wer weiß, was sie hat“, murmelte Alba. Doch bevor sie weitere Mutmaßungen anstellen konnte, betrat Herr Kaslow das Zimmer. „Einen wunderschönen Guten Morgen!“, begrüßte er seine Schüler, voller Elan und machte eine Handbewegung, dass sie aufstehen sollten. „Ihr werdet in der Mensa erwartet“, fügte er hinzu.

      Im Gänsemarsch gingen sie zu der Mittelstufenmensa. Doch zu ihrer Überraschung begrüßte sie dort nicht Herr Oberreut, sondern die neue Direktorin. Gespannt setzten sie sich auf die Stühle und warteten, bis auch die Parallelklassen anwesend waren. Insgesamt waren sie in dieser Klassenstufe dreißig Schüler und Schülerinnen, was ein absoluter Rekord war, wenn Sophie sich richtig erinnerte.

      „Willkommen im neuen Schuljahr“, begrüßte Frau Sturmvoll die Anwesenden. Heute waren ihre Haare offen und sie trug auch nicht so konservative Kleider wie bei der Schulversammlung. Lächelnd musterte sie die Schüler. „Die meisten von euch kennen mich sicherlich und für die anderen möchte ich mich kurz vorstellen: Ich werde Direktor Grün bis zum Ende des Schuljahrs vertreten. Ich freue mich sehr diese spannende und herausfordernde Aufgabe übernehmen zu dürfen.“ Höflicher Beifall wurde von den Schülern gespendet. „Dieses Schuljahr ist etwas Besonders“, sie machte eine kunstvolle Pause und wippte kurz mit ihrem Körper auf und ab. „Nächstes Jahr steht ihr vor der großen Prüfung, was bedeutet, dass ihr dann keine Zeit für große Aktivitäten haben werdet. Doch dieses Jahr habt ihr die Zeit, neue Erfahrungen zu machen, die euch kein Schulstoff vermitteln kann“, sagte sie bedeutungsvoll.

      Was meinte sie damit? Unverständlich schauten sich die Freundinnen an. Klar sie mussten noch zwei Praktika absolvieren, doch so bedeutend, wie ihre Interimsdirektorin dies darstellte, war dies auch nicht. Nachdem sich das Raunen und Murmeln wieder beruhigt hatte, fuhr Frau Sturmvoll mit ihrer Ansprache fort. „Ihr werdet die Schule verlassen!“, ließ sie die Nachricht platzen.

      Sophie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete und sie leicht würgen musste. Suki hustet stark und auch Onta wurde blass. „Was soll das heißen“, rief jemand in die entstehende Unruhe hinein. „Aber, aber“, versuchte Frau Sturmvoll zu beruhigen. „Ich versteht mich falsch. Die Friedrich-Stein-Schule hat ein Austauschprogramm gestartet, bei dem ihr drei Monate ein Internat im Ausland besuchen werdet.“ „Wissen unsere Eltern schon davon“, wollte Finn mit besorgter Miene wissen. „Ja, genau“, rief jemand laut. Frau Sturmvoll hob ihre Hände. „Nein, die Briefe werden in dieser Woche noch verschickt, da Frau Grün leider nicht mehr dazugekommen ist“, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Die Mädchen schauten sich mit großen Augen an. Ein Internat? Für drei Monate? „Könnten Sie uns kurz schildern, wie das Schuljahr ablaufen soll?“, fragte Matthias und versuchte so wenig wie möglich seine Stimme schwanken zu lassen. „Dazu wäre ich gleich gekommen“, erwiderte die neue Direktorin mit einem verschmitzten Lächeln. „Doch der Reihe nach: Also zuerst einmal der Herbstball im Oktober fällt dieses Jahr aus.“ Na wenigsten etwas, dachte Sophie mit einer gewissen Erleichterung. „Ende Oktober, findet eine Informationsveranstaltung der unterschiedlichen Internate statt mit denen wir zusammenarbeiten. Bis Ende November müssen ihr und eure Eltern euch entschieden haben, wo es hingehen soll“, erklärte sie ruhig. „Ja? Josi?“ Die adrette gekleidete junge Frau stand auf, räusperte sich und fragte mit hektischen Flecken auf den Wangen: „Ist der Aufenthalt in diesen Internaten durch unsere Schulgebühr gedeckt, oder müssen unsere Eltern dafür extra zahlen?“ Eine gute Frage. Sophie und Onta nickten mit den Köpfen, wie viele auch. „Eine gute Frage“, gab Frau Sturmvoll zu. „Dies war ein Punkt, der zwischen Direktor Grün und dem Stiftungsrat sehr diskutiert wurde, als Herr Grün das Programm vorgestellt hat“, erklärte sie. „Dennoch, bei Euch – da ihr die Versuchsgruppe seid – werden die Kosten durch die Schule getragen. Einzig die Schuluniformen, sollte es welche geben, müsst ihr selbst bezahlen. Aber diese Details werden auf der Informationsveranstaltung erläutert werden.“ Die meisten Schüler nickten zufrieden mit den Köpfen. „Der Aufenthalt wird von Mitte Januar bis Mitte April durchgeführt, danach habt ihr Zeit für eure letzten beiden Praktika und die Klassenarbeiten, die natürlich auch geschrieben werden müssen. Ihr könnt schließlich die neunte Klasse nicht ohne Zeugnisse beenden“, kommentierte sie das Raunen der Schüler.

      „Ein ganz schöner Hammer“, meinte Onta, als sie sich später wieder in ihr Klassenzimmer begaben. Grüblerisch und in Gedanken versunken stimmten ihr die anderen zu. „Ah, schön, dass ihr wieder da seid“, begrüßte Frau McFinn die Jugendlichen. Nachdem sich alle wieder gesetzt hatten, eröffnete die korpulente Englischlehrerin, dass sie dieses Jahr das Amt des Klassenlehrers übernommen hatte. Mit gekräuselter Nase studierte Sophie den Klassenplan, der ausgeteilt worden war. Vertieft, gingen die Freundinnen in die Mensa. Keine neuen Fächer! Na zumindest etwas, dachte jede von ihnen mit einer gewissen Portion Galgenhumor. Der Unterricht von Madame Fine und Herrn Fröbes würde im Wechsel ein Mal pro Woche stattfinden, was Sophie und Onta mehr als recht war. Fröhlich und fast

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