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zwei Wachen, um zu verhindern, dass sich ungebetene Gäste dem König näherten. Die meisten Einwohner in der Stadt waren froh, wenn sie Helmut nicht sahen. Deswegen bestand kaum die Gefahr, dass sich einer der Lemminge in den Palast verirrte. Aber man konnte ja nie wissen.

      „Mit unseren Bonbons können wir die Massenselbstmorde stoppen“, unternahm Henni einen erneuten Versuch, Helmut zu überzeugen.

      „Warum sollte ich das wollen? Es hat sich doch nie jemand über dieses Gesetz beschwert.“

      „Weil du dann als der König in die Geschichte eingehen wirst, der den Lemmingen ein längeres Leben brachte“, antwortete Hörg.

      „Und wenn ich das nicht will? Seit vielen Generationen folgen wir nun dem großen Propheten in das Totenreich. Ich sehe keinen Grund das zu ändern.“

      „Wir folgen ihm“, verbesserte Henni den König.

      „Was willst du damit sagen?“, blaffte Helmut.

      „Dass du Wonibalt nicht folgst. Du bist der einzige Lemming, der sich nicht nach Vollendung seines fünfzehnten Lebensmonats von den Klippen stürzt.“

      „Höre ich da leise Kritik?“, fragte Helmut scharf.

      „Nein! Natürlich nicht“, versicherte Henni. „Vielleicht wäre es aber der richtige Zeitpunkt, die Gesetze zu überdenken.“

      „Ich soll mich gegen die heiligen Thesen stellen?“, fragte der König und starrte den Erfinder aus funkelnden Augen an. „Niemals!“

      „Vielleicht wäre Wonibalt nicht von den Klippen gesprungen, wenn er eine andere Lösung gehabt hätte“, warf Hörg ein. „Womöglich hätten ihn unsere Bonbons überzeugt.“

      „Blasphemie“, schrie Helmut. Die Gesichtsfarbe des Königs nahm ein gefährliches Rot an und er griff sich mit der rechten Pfote an die Brust.

      Dieter brachte sich in Sicherheit, indem er schnell ein paar Schritte vom König weg huschte. Böse Zungen behaupteten, dass seine Beziehung zum König alles andere als geschäftlich war. Glaubte man den Tratschweibchen im Palast beriet er ihn in ganz anderen Dingen. Gegen Helmuts Wutausbrüche war aber auch der Hamster machtlos.

      „Ich werde es nicht dulden, dass ihr Wonibalts Namen weiter in den Dreck zieht“, schrie Helmut. „Dieter, hol die Wachen! Sie sollen diese beiden Ungläubigen in den Kerker werfen. Dort bekommen sie bis zu ihrem Todestag Gelegenheit, über ihr unsittliches Treiben nachzudenken.“

      Dieter eilte zum Eingang, öffnete die Tür und wechselte ein paar Worte mit den Wachen.

      „Schafft sie mir aus den Augen!“, befahl Helmut energisch, als die beiden Lemminge in den Raum traten. „Ich möchte diese Witzfiguren niemals wieder in meinem Audienzsaal sehen.“

      Henni und Hörg wussten, dass es an diesem Tag keinen Sinn mehr machte, mit dem König zu sprechen. Sie ließen sich abführen, ohne sich zu wehren. Schon mehrmals waren sie nach einer Audienz in den Katakomben des Palastes gelandet. Bisher hatte es aber nie lange gedauert, bis man sie wieder an ihren Arbeitsplatz gelassen hatte. Beide vertrauten darauf, dass es auch diesmal so sein würde.

      Helmut setzte sich erleichtert auf seinen Thron, als die Wachen mit den Erfindern verschwunden waren. „War es das für heute?“, fragte der König seinen Berater, der als Einziger bei ihm im Saal geblieben war.

      „Leider nicht“, antwortete Dieter. „Draußen steht noch eine Gruppe von vier Männchen, die dich unbedingt sprechen wollen.“

      „Lass sie herein“, sagte Helmut resignierend. „Schlimmer als mit den beiden Verrückten kann es jetzt auch nicht mehr werden.“

      3

      „Du weigerst dich also, dem furchtlosen Wonibalt in das gelobte Land zu folgen?“, stellte Helmut irritiert fest.

      Der König wunderte sich, welch seltsame Stimmung an diesem Tag in seinem Volk zu herrschen schien. Während seiner fast zehnjährigen Regentschaft hatte nie ein Lemming die Massenselbstmorde infrage gestellt. Heute geschah dies nun schon zum zweiten Mal.

      „Ich möchte einfach noch nicht sterben“, antwortete Hilmer. „Es erscheint mir nicht besonders sinnvoll, mich freiwillig den Todesfelsen hinunterzustürzen.“

      „Es erscheint dir nicht besonders sinnvoll?“ Helmut sah den Lemming vor sich amüsiert an.

      „Mir gefällt mein Leben hier. Das sogenannte gelobte Land habe ich noch nie gesehen. Woher weiß ich, dass dort wirklich alles besser ist? Wer garantiert mir, dass es überhaupt existiert?“

      „Du zweifelst also an den heiligen Schriften des furchtlosen Wonibalts“, stellte der König fest. „Hast du denn in der Schule nichts gelernt?“

      „Wie kann ich an etwas glauben, dass ich niemals gesehen habe?“, fragte Hilmer.

      „Wie meinst du das?“ Einerseits wurde Helmut langsam ungeduldig und hatte keine Lust mehr sich weiterhin mit widerspenstigen Untertanen abzugeben, andererseits interessierten ihn Hilmers Beweggründe. Wenn dessen Ansichten Schule machten, musste er etwas dagegen unternehmen. Die drei Vettern des Ungläubigen schienen dagegen tadellose Vertreter ihrer Art zu sein. Dennoch. Wenn sie energischer mit Hilmer umgegangen wären, gäbe es auch Turgi, Targi und Torgi inzwischen nicht mehr.

      „Ich habe die heiligen Schriften niemals gesehen“, erklärte Hilmer.

      „Ich kann dir versichern, dass sie existieren“, gab Helmut zurück.

      „Das reicht mir nicht.“

      „Was soll das heißen?“, fuhr der König Hilmer an. „Willst du damit sagen, dass ich mein Volk anlüge und betrüge?“

      „Ich will nichts dergleichen sagen“, entgegnete Hilmer. „Ich will mich nur nicht wegen ein paar alter Schriften in den Tod stürzen. Warum reformieren wir unseren Staat nicht? Es muss doch andere Möglichkeiten geben, unsere Bevölkerungszahl in den Griff zu bekommen, als diese unsinnigen Todessprünge.“

      „Es reicht!“, schrie Helmut und fuhr von seinem Thron auf. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen einen Beistelltisch, auf dem ein paar Speisen und Getränke für den König bereitstanden. Zwei der Flaschen fielen um und zersprangen klirrend auf dem Steinboden des Audienzsaales. Dieter, der die ganze Zeit über neben seinem Herrn gelegen und so getan hatte, als ginge ihn das alles nichts an, sprang entsetzt auf und brachte sich in Sicherheit. Lediglich die Fliegen schienen sich für die auslaufenden Getränke zu interessieren. Sie landeten auf dem Tischchen und krabbelten auf die Lache zu, die sich langsam darauf ausbreitete.

      Helmut war jetzt sauer und nicht gewillt, sich noch weitere spitzfindige Fragen über den Wahrheitsgehalt der heiligen Schriften stellen zu lassen – weder von Hilmer noch von den anderen beiden Spinnern, die im Kerker auf seine Entscheidung warteten.

      „Würdest du dich denn nicht freuen, wenn du einen liebgewonnenen Freund länger als ein paar Monate bei dir hättest?“, wollte Hilmer wissen.

      Helmut, der gerade den Wachen den Befehl geben wollte, den Ungläubigen aus dem Saal zu schaffen, hielt überrascht inne. Über diese Frage hatte er sich in seinem bisherigen Leben noch keine Gedanken gemacht. Er hatte ja Dieter. Der Hamster lebte schon seit vielen Jahren im Palast. Das wechselnde Personal hatte der König nie richtig wahrgenommen.

      „Wenn du ein Eheweib hättest, würdest du auch nicht wollen, dass sie dich verlassen muss, nachdem sie dir einen oder zwei Nachkommen geschenkt hat.“

      „Schweig“, brüllte Helmut, dem innerhalb von Sekundenbruchteilen die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. Wenn es ein Thema gab, auf das man den König besser nicht ansprach, war es die Tatsache, dass er mit dem weiblichen Geschlecht nichts anfangen konnte und keine Nachkommen hatte. Wer König werden sollte, wenn Helmut einmal starb, war ihm egal. Vermutlich würde es der Lemming sein, der zu diesem Zeitpunkt am ältesten war. Freilich wäre dieser auch nicht viel älter und erfahrener als seine Artgenossen, weil ja alle nach Vollendung

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