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Mörderliebe. Elke Maria Pape
Читать онлайн.Название Mörderliebe
Год выпуска 0
isbn 9783742738790
Автор произведения Elke Maria Pape
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Sie schaute rüber zu Zacharias Weinfeld. Dieser nickte ihr zu.
„O.k.” Karla zeigte mit einer flüchtigen Handbewegung in Richtung Tobias. „Sie können gehen!”
Tobias zuckte zusammen und schaute die beiden Kommissare entgeistert an, dann fing er sich aber recht schnell wieder. Erleichtert, dass er so schnell davongekommen war, beeilte er sich aufzustehen. Beim Herausgehen warf er noch einmal einen Blick auf die Bilder vom Tatort.
Jetzt sah er es und seine Augen weiteten sich vor Entsetzten.
„Oh Scheiße, mein Schal!”, schrie er. „Mein Schal. Das ist mein Schal, den sie um den Hals hat. Oh Gott, den hab ich mal bei ihr vergessen. Ist sie mit diesem Schal ermordet worden? Oh bitte nicht, nicht mit meinem Schal. Ich war das nicht! Bitte glaubt mir!”
Er brach fast zusammen und die beiden uniformierten Beamten, die die ganze Zeit regungslos an der Wand gestanden hatten, griffen ihm unter die Arme und führten ihn heraus. Tobias Schmidt wirkte wie ein Häufchen Elend, wie ein Schatten seiner selbst, wie ein Mensch, der einen anderen Menschen verloren hatte, ohne ihm je gesagt zu haben, wie viel ihm dieser Mensch vielleicht doch bedeutet hatte.
„Er war es nicht!” Karla schaute zu Zacharias und der nickte nur.
Kapitel 11
„Könnt ihr euch das vorstellen?” Sein Lachen dröhnte durch die enge Wohnung und er klopfte sich ausgelassen auf die Schenkel. „Ausgerechnet meine Frau und Gemeindearbeit. Das ich nicht lache, wo sie doch nie in die Kirche geht!” Seine Kollegen stimmten erwartungsgemäß in sein Lachen ein. „Ihr werdet sehen, hinterher bekehrt sie uns noch alle!” Wieder Lachen.
Rosemarie stand in der Küche und spülte das Geschirr. Natürlich hatte sie die Kollegen ihres Mannes bewirtet.
Wie sie es immer tat, wie sie es tun musste.
Jedes Mal wenn sie vorbeikamen, und das war alle vier Wochen, meistens kurz nach dem ersten des Monats, wenn das Gehalt auf dem Konto war. Dann stimmten sie sich ein auf den kommenden Monat. „Das machen wir hier.”, hatte Roland einmal gesagt. „Wir essen zuerst etwas, trinken ein paar Bier und ziehen dann um die Häuser.” Roland war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie, Rosemarie, sich um das Essen kümmerte. Er hatte sie noch nicht einmal gefragt. Von da an standen die Termine der Herrenrunde fest und waren deutlich in dem in der Küche hängenden Kalender vermerkt.
Endlich hörte sie das typische Stühle rücken und aufgeregte Geschwätz der Männer, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie gleich aufbrechen würden und es kaum erwarten konnten, sich ihre Jacken überzuwerfen, um möglichst schnell in die nächste Kneipe zu kommen. Ein Abend ohne ihre Frauen, voll mit bierseligen Männergesprächen, in denen man sich endlich wieder so präsentieren konnte, wie man schon lange nicht mehr war. Wo sie Frauen nachstarren konnten, und sich gegenseitig vormachten, wie viel Chancen sie noch hätten, wenn sie nur wollten.
Ja. die Gemeindearbeit, dachte Rosemarie und räumte sehr langsam das Geschirr in die Schränke. Sie ließ sich Zeit, so konnte sie länger in der Küche bleiben, allerdings konnte sie es kaum erwarten, dass die Männer endlich gingen. Rosemarie brauchte Ruhe für ihre Gedanken, die sie noch einmal genießen wollte, ganz für sich alleine.
Roland war skeptisch gewesen, ja fast misstrauisch. Rosemarie hatte sich an jenem Tag besondere Mühe mit dem Essen gegeben. Schließlich galt es, einen geeigneten Zeitpunkt für ihre Bitte auszusuchen.
Trotzdem hatte sie regelrecht betteln müssen: „ Es sind ja nur zwei Nachmittage pro Woche! Es geht darum, alten Leuten in der Gemeinde zu helfen, kleine Besorgungen zu machen, sie zu besuchen, wenn sie im Krankenhaus liegen. Oder Feste in der Gemeinde vorzubereiten.” Angestrengt versuchte sie, nicht zu schnell zu sprechen und ihre Aufregung zu unterdrücken. Er sollte nicht merken, wie wichtig ihr das Ganze war. Bloß nicht.
Roland hatte sie mit einem amüsierten Blick betrachtet: „Auf was für Ideen du immer kommst. Ich brauche mein Essen und meine Ruhe, wenn ich nach Hause komme. Ich kann eine unordentliche Wohnung nicht ausstehen, das weißt du!”
Wann ist diese Wohnung jemals unordentlich gewesen, dachte Rosemarie aber sie beeilte sich etwas anderes zu sagen: „Nein, nein, versprochen. Du kannst dich darauf verlassen, Roland. Ich kriege das hin. Du wirst pünktlich dein Essen bekommen. Ich meine, es geht mir doch nur um die armen, alten Menschen. Stell dir vor, wenn wir einmal alt sind! Dann sind wir doch sicher auch froh, dass uns jemand hilft.”
Dabei versuchte sie das Wort Wir besonders zu betonen und ihr liebstes und persönlichstes Lächeln aufzusetzen, um ihn milde zu stimmen. Sie hatte am ganzen Körper gezittert und gebetet, dass er es nicht merkt.
„Von mir aus.”, hatte er gelangweilt geantwortet. „Aber denk immer daran, du hast einen Ehemann. Die Arbeit hier geht vor. Ich kenne dich, hinterher steigerst du dich wieder in irgendein Helfersyndrom hinein.” Mit einer lässigen Handbewegung schaufelte er sich Kartoffelpüree auf seinen Löffel und grinste provozierend. Seine Augen allerdings waren kalt und regungslos. Eine Weile wartete er noch und starrte sie feindselig an.
Sie wusste, was jetzt kam.
Weil es nicht das erste Mal war.
Weil es schlimmer war als Schläge.
Seine Hand drehte sich und mit einer Bewegung, die wie selbstverständlich bei ihm wirkte, schleuderte er ihr das heiße Püree mitten ins Gesicht.
Sie ertrug es, wie immer.
Für solche Fälle hatte sie immer ein Taschentuch in der Tasche. Aufstehen war ihr nicht erlaubt.
Stumm wischte Rosemarie sich ihr Gesicht ab, das von der heißen Masse wie Feuer brannte. Roland aß in Ruhe weiter, als wäre nichts geschehen. Sie war nur froh gewesen, das er nicht Näheres nachfragte. Das hatte sie irgendwie geschafft. Und nur das zählte jetzt.
Seine Interesselosigkeit an ihrer Person konnte manchmal auch von Vorteil sein.
Ja, jetzt gingen sie endlich. Rosemarie musste noch einen hin gehauchten flüchtigen Kuss ihres Ehemannes über sich ergehen lassen, er roch widerlich nach Bier und ungeputzten Zähnen. Dann hörte sie die Männer aus dem Flur ins Treppenhaus trampeln. Die Tür fiel geräuschvoll ins Schloss und eine Weile konnte man noch die lauten Stimmen hören, die in dem kalten Treppenhaus hallten.
Dann war es still!
Rosemarie war in der Küche fertig, und jetzt endlich konnte sie sich ihren Gedanken hingeben. Gedanken und Erinnerungen, die so neu und so fremd waren, dass sie es kaum wagte, sie zu zulassen. Und doch kamen sie in der Stille der abendlichen Wohnung so plötzlich zum Vorschein, dass sie erneut erzitterte.
Eduard hatte auf sie gewartet. Diese Mal war es am Rande des Marktplatzes gewesen. Als sie, beladen mit zwei schweren Einkaufstaschen um die Ecke des Bankhauses bog, das sich am Ende des Platzes befand, hatte er dort gestanden. Wie selbstverständlich hatte er ihr die Einkaufstaschen abgenommen und sie waren eine Zeit lang schweigend nebeneinander hergegangen, wobei sie bemerkt hatte, dass er immer wieder liebevoll zu ihr herüberschaute. Äußerlich ruhig, war Rosemarie tief in ihrem Innern aufgewühlt gewesen. Ihre Gedanken überschlugen sich zwischen der Angst, von irgendeinem Nachbarn oder Bekannten gesehen und erkannt zu werden und dem Gefühl, diese Minuten, in denen er neben ihr herging und ihre Taschen trug, zu genießen.
„Komm!”, hatte er gesagt und sie war mitgegangen, als er eine andere Richtung wählte und einige Straßen vor ihrer Wohnung Halt machte vor einem größeren Mehrfamilienhaus. „So.”, hatte er gesagt. „Hier wohne ich! Oben im Dachgeschoß. Nichts Besonderes, aber sehr gemütlich!” Er spürte ihre natürliche Sperre und Zurückhaltung, stellte die Taschen ab und nahm ihre Hand: „Hab keine Angst, dies hier wird dein persönlicher Ort der Entspannung werden!” Er sah sie selbstsicher mit seinen stahlblauen Augen an.
Er ist sich so sicher, dachte Rosemarie, er ist sich so verdammt