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Schein oder Nichtschein. Kim Bergmann
Читать онлайн.Название Schein oder Nichtschein
Год выпуска 0
isbn 9783847651048
Автор произведения Kim Bergmann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Was hast du vor?" fragte er verstört.
Hera schluckte einen Bissen herunter und wiederholte mit ruhiger Stimme: "Ich will herausfinden, warum die Sonne nicht mehr scheint, und etwas dagegen unternehmen. Die Dunkelheit stört mich."
Helge tat es seinem Onkel nach und ließ die Kinnlade sinken. Schließlich räusperte Salomo sich und fragte behutsam, wie man mit Verrückten zu sprechen pflegt: "Nun, was hast du denn vor? Ich meine, du kannst doch nicht einfach so ins Blaue... äh, Schwarze hinein reiten, oder? Wo willst du denn anfangen?"
"Ich habe einige Anhaltspunkte, und ich bin zuversichtlich, auf meiner Reise noch weitere zu finden. Wenn es euch recht ist, würde ich gern bald schlafen. Ich muss früh weiter, sonst holen sie mich noch ein."
"Wer, sie?" fragte Helge aufgeregt. Er fand bisher alles recht undurchsichtig, aber auch immens spannend. Hier bahnte sich offenbar ein Abenteuer an, und das Mädchen hatte es ganz allein begonnen. Woher nahm sie bloß den Mut? Also, nicht zum Abenteuer an sich, sondern zum Losreiten? Was sagten ihre Eltern dazu? Wer kümmerte sich um dieses entzückende Geschöpf? Ob sie ihn vielleicht mögen könnte? Und wer sind diese "sie"?
Gespannt lehnte er sich vor, um die abenteuerliche Geschichte zu erfahren und um einen besseren Ausblick zu bekommen.
"Ach, nur ein paar Leute, denen mein Vorhaben nicht zusagt."
Heras Stimme klan betont desinteressiert. Sie gähnte ganz bezaubernd, worauf Salomo seinen Neffen nach Decken und Kissen schickte.
Als es im Haus schließlich ruhig wurde, lag Helge lange wach und starrte in die Dunkelheit. Seine wild kreisenden Gedanken und sein seltsam laut klopfendes Herz hinderten ihn am Einschlafen.
Kapitel 5
In Glista überwachte Brontus die letzten Vorbereitungen seiner Soldaten. Er hatte zwölf Männer ausgewählt, von denen er wusste, dass sie gut reiten und noch besser kämpfen konnten. Zwar hatte der Auftrag, er solle das Mädchen unverletzt zurückbringen, aber vielleicht ergab sich auf dem Weg doch das eine oder andere Scharmützel. Und wenn nicht, ließe sich sicher eins herbeiführen.
Brontus' Lächeln bei dieser Vorstellung war das eines Alligators, vor dessen Maul ein nacktes Bein im Wasser erschien.
Im ganzen Königreich und auch in den angrenzenden war der Hauptmann bekannt als "Brontus der Unbestechliche", und zwar völlig zu Recht. Nur beruhte seine Unbestechlichkeit nicht auf Ehrerbietung oder Sympathie gegenüber seinem Herrscher, wie es ja vielleicht gut und richtig gewesen wäre. Nein, der Hauptmann lebte mit dem König in perfekter Symbiose. Edwins andauernder Zorn versorgte Brontus mit vielen Gelegenheiten, seinen Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen (kämpfen, kaputthauen, bestrafen), und er wusste ganz genau, dass ihm dies kein anderer Herr würde bieten können. Edwin wiederum war sich über Brontus' Treue ebenso klar wie über die Gründe dafür, und beides gefiel ihm ausnehmend gut. Andere treu ergebene Geister erwarteten Loyalität oder Freundlichkeit, vielleicht auch Großmut, das tat Brontus nicht. Er wollte sich nur austoben können, und was das anging, fiel es Edwin leicht, großzügig zu sein.
Brontus war über diesen neuen Auftrag allerbester Laune. Brüllend trieb er seine Soldaten zur Eile an, und wie immer, wenn der Hauptmann brüllte, war kurze Zeit später alles erledigt. Eine Gruppe von dreizehn Kriegern verließ die Stadt und verlor sich in der finsteren Landschaft.
Der Gott Der Omnipräsenz betrachtete auch diesen Aufbruch und schüttelte grinsend den Kopf. Zu schade, dass er stumm war, er kannte jemanden, den all dies sehr interessieren würde. Wenn er andererseits die Informationen über die sich anbahnende Geschichte weitergäbe, wäre der Spaß mit Sicherheit viel zu schnell vorbei, und der Gott Der Omnipräsenz war niemand, der sich selbst eines Amüsements beraubte.
*
In Druht war die Dunkelheit der Nacht noch nicht der Schwärze des neuen Tages gewichen, als Helge erwachte. Er war in seiner allmorgendlichen trübseligen Aufzählung schon bis zu seinem Alter gelangt, als ihm Hera einfiel. Hera, die heute in der Frühe wieder fort wollte!
Wieselflink und so lautlos wie möglich kleidete Helge sich an und schlich in die Küche hinunter, wo Salomo dem Mädchen gestern ein Nachtlager bereitet hatte.
Die Decken und Kissen waren ordentlich zusammengelegt und gestapelt worden, das Mädchen fort. Auf dem Tisch lagen einige Münzen - offenbar hatte Hera sie für Kost und Logis dagelassen. Schmerzhafte Enttäuschung nahm Helge fast den Atem. Hastig, wenn auch nicht sehr hoffnungsvoll lief er zum Stall und fand sein Gedicht vor, das gerade sein riesiges Pferd sattelte.
"Kann ich mit dir kommen?" fragte er und erschrak. Diese Worte waren einfach so aus seinem Mund gekommen, ohne den Umweg über sein Gehirn genommen zu haben.
Hera hielt inne und musterte ihn überrascht.
"Wieso denn?"
Helge schluckte und dachte angestrengt nach. Schließlich gab er es auf und ließ seinen Mund selbst entscheiden, was er sagen wollte. Überraschenderweise war das eine ganze Menge.
"Ich will wissen, was mit der Sonne passiert ist. Ich will nicht länger Offensichtliches als gegeben hinnehmen, wie mein Onkel es von mir verlangt. Ich will nicht, dass da draußen ein Abenteuer passiert, während ich Schuhe besohle. Ich will dabei sein, wenn Geschichte geschrieben wird. Ich will nicht, dass Spezialleim mein Lebensinhalt wird. Ich will die Rolle nicht, die mir alle zugedacht haben. Ich habe selber keine Ahnung, wie man einfach aufbricht, und du weißt, wie das geht, darum würde ich gern mit dir kommen. Ich kann dir bestimmt eine Hilfe sein. Und wenn du das nicht glaubst, dann sag einfach aus Barmherzigkeit ja, aber bitte lass mich hier nicht zurück!"
Atemlos hielt er inne und fragte sich verblüfft, ob diese Worte tatsächlich von ihm stammten.
"Vergiss das Atmen nicht", sagte Heras Stimme da neben ihm.
Dankbar holte Helge tief Luft und warf dem Mädchen einen scheuen Blick zu. Ihre Worte hatten ruhiger geklungen als alles, was sie am Vorabend so unternehmungslustig und kämpferisch geäußert hatte, und nun lernte Helge auch einen neuen Gesichtsausdruck seines Gedichtes kennen. Die aggressive Energie war aus ihren Zügen gewichen, und in ihrem Blick lagen Verständnis und Mitgefühl.
"So ist das...", sagte sie gedankenverloren. Ihre Augen verschleierten sich kurz, als sähe sie plötzlich etwas ganz anderes vor sich als den warmen Stall mit den neugierig schnobernden Pferden und dem nervösen Lehrling. Sie lächelte, nur für einen Sekundenbruchteil, dann schüttelte sie kurz den Kopf und legte mit geschäftsmäßiger Stimme den Finger auf den wunden Punkt. "Was sagt dein Onkel dazu?"
Helge erstarrte. Richtig, da war ja noch ein Haken!
"Vermutlich eine ganze Menge, wenn er aufwacht", erwiderte er unbehaglich.
"Dann ist es wohl besser, wenn wir unverzüglich aufbrechen", versetzte Hera trocken und wies mit dem Kinn zu Salomos Pferden hinüber. "Welches ist schneller?"
"Stute." Helge bekam Herzklopfen. Sie wollte ihn tatsächlich mitnehmen! Er brauchte nur eines der Pferde seines Onkels zu entwenden und sofort diesem entzückenden Geschöpf zu folgen, ohne das Haus noch einmal zu betreten.
"Was ist denn mit Proviant und so?" fragte er, während er mit fliegenden Fingern Stute sattelte.
"Ich habe noch etwas zu essen und Wasser, und Geld habe ich auch. Ich habe deinem Onkel einige Münzen als Dank für das Abendessen und das Nachtlager dagelassen. Ich denke, ich kann uns beide locker durchbringen. Aber was viel wichtiger ist," Hera schob dem widerspenstigen Welpe das Mundstück der Trense ins Maul,