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war ein guter Wachhund und überaus scharf. Kein Fremder durfte es wagen, auch nur in seine Reichweite zu kommen. Aber Armin kannte er. Wie auch alle anderen auf dem Hof. Und so freute er sich über die nächtliche Gesellschaft.

      „Sei bloß artig heute Nacht“, sagte er zu dem Tier.

      Die Nacht wurde kalt und feucht. Armin fror und kroch mit Canis zusammen in die Hütte. Es stank nach Hund, aber es war immerhin besser als im Freien. Er versuchte, sich so gut es ging an Canis zu schmiegen. Der ließ ihn gewähren. Viel schlief Armin nicht. Hunger und Kälte plagten ihn.

      Er würde fortlaufen. Eines Tages würde er fortlaufen. Überall würde es besser sein als hier. Lange konnte er das nicht mehr aushalten. Lieber auf der Flucht, als wie ein Hund angekettet. Sollten sie ihn doch suchen. Was konnte schon passieren?

      Als der Hahn auf dem Misthaufen krähte, zitterte Armin am ganzen Leib. Er stank nach Hund und es juckte ihn. Wahrscheinlich hatte er sich auch noch Flöhe geholt. Hoffentlich wurde es ein schöner Tag, dann konnte er sich ein bisschen wärmen.

      „Los, komm raus“, raunte es auch schon vor der Hütte.

      Er kroch hinaus und sah die aufgehende Sonne. Martin stand auf dem Hof.

      „Na, gut geschlafen?“, frotzelte er.

      Armin war steif und schwieg. Seine Faust aber ballte sich an seiner Hosennaht.

      Martin trat ganz dicht an ihn heran.

      „Ja, Armin. Nur zu. Hebst du auch nur einmal die Hand, dann schlägt dich mein Vater tot, das schwör‘ ich Dir.“

      Der alte Fiete kam dazu.

      „So, ist der Tunichtgut endlich erwacht. Bindet ihn los“, sagte er zu Sven und Peer, die ebenfalls auf den Hof getreten waren.

      „Du wirst heute mit den Wanderknechten hinaus ins Moor gehen und Torf stechen. Da kannst du dich wenigstens nützlich machen.“

      Armin hatte noch nicht im Moor gearbeitet. Er hatte den alten Fiete bisher nur begleitet, wenn er den getrockneten Torf gen Bremen oder Bouchstadhude gebracht hatte.

      Er wusste, dass das Torfstechen keine leichte Arbeit war. Sein Magen knurrte. Doch bevor er etwas sagen konnte, schnitt ihm Fiete das Wort ab als habe er geahnt, was er wollte.

      „Wozu willst du was zu essen haben? Das musst du dir erst verdienen. Ansgar…!“, rief er.

      Ansgar war der Vorarbeiter der Moorknechte. Er kam auf den Hof.

      „Ansgar, nimm Armin mit. Er wird heute im Moor arbeiten. Du wirst schon eine Verwendung finden. Und achte ja darauf, dass er nicht zu lahm ist.“

      „Jawohl, Herr.“

      Eigentlich war Ansgar ein tüchtiger und gerechter Bursche. Aber Fiete ließ sich allzu gerne selbst auf dem Moor blicken. Und wenn etwas nicht nach seinem Sinne war, so ließ er es als erstes den Vorarbeiter spüren. Das wusste Ans-gar, denn schon einmal hatte er von Fiete die Knute bekommen. Und nur weil es keinen besseren Ersatz für Ansgar gab, konnte er als Vorarbeiter weiter dienen.

      Ansgar packte Armin an der Schulter und zog ihn mit sich.

      „Nun los, Armin. So arg ist es auch nicht. Andere würden sich freuen, wenn sie diese Arbeit hätten und nicht betteln müssten.“

      Es war eine unsagbare Plackerei. Zunächst arbeitete Armin in den Torfgruben. Tief unten hob er den dunklen Torf nach oben. Und weil er schon lange keinen Bissen mehr gegessen hatte, schwanden ihm schnell die Kräfte. Seine Kleider waren durchnässt und die Kälte des Torfschlamms kroch ihm in alle Glieder. Mit klammen Fingern schaffte er Torfsode um Torfsode aus der Grube.

      Am späten Vormittag wollte er eine kleine Rast einlegen, als er in der Grube die Stimme des alten Fiete hörte. Jetzt würde er keine Blöße zeigen, dachte er wütend. Dem alten Fiete wollte er keinen Vorwand geben.

      Und tatsächlich trat dieser an die Grube.

      „So, da unten schuftet er also. Naja, das geht ja gerade noch so.“

      Neben ihm stand Martin und grinste herab. Armin sah ihn mit verdreckten Kleidern und verdrecktem Gesicht an. So sollte ihn Martin nicht noch einmal sehen.

      Gegen Mittag wurde es zwar wärmer und es regnete auch nicht, aber Armin war durch den Morast durchnässt und zitterte am ganzen Leib. Auch die körperliche Arbeit konnte ihn nur wenig wärmen. Er hatte Hunger. Seit drei Tagen hatte er nichts gegessen.

      Die kurze Mittagsrast gab ihm die Gelegenheit, sich auszuruhen. Begierig schaute er auf die Mahlzeiten der anderen Torfknechte, fragte aber nicht nach einem Bissen. Noch konnte er durchhalten.

      Der Tag schien endlos zu sein. Armin stach immer weiter in den Morast, um die Soden zu lösen. Am Anfang hing er seinen Gedanken nach, doch mit der Eintönigkeit der harten Arbeit schwieg er nicht nur äußerlich. Mechanisch arbeitete er vor sich hin. Irgendwann musste der Tag zu Ende gehen.

      Und dann spürte er beim Stechen in den Torf einen Wider-stand. Wahrscheinlich wieder ein Stück Holz oder eine alte Wurzel, dachte er.

      Vorsichtig versuchte er mit den Händen in den Spalt zu fassen und mit der Hand das Stück Holz freizulegen und herauszuziehen. Doch er fühlte noch etwas anderes. Etwas Weiches, Kaltes und dann spürte er mit den Fingern eine Art Band um das Weiche. Schnell grub er mit den Händen weiter und plötzlich löste sich aus dem Morast eine Hand. Erschrocken trat er einen Schritt zurück. Ansgar kam gerade vorbei und sah Armin an.

      „Hier, hier ist eine Hand“, stammelte Armin.

      Ansgar schwang sich in die Grube und schaute genauer hin.

      „Beim Allmächtigen“, flüsterte er. „Los, pack mit an!“

      Sie gruben mit ihren Händen weiter. Schon kam ein Arm zu Tage.

      „Herrgott im Himmel“, sagte ein Knecht, der ihnen über die Schulter zusah. „Kommt alle her, hier ist ein Leichnam im Moor!“

      Die Torfstecher ließen ihre Arbeit liegen und eilten herbei.

      Armin und Ansgar zogen einen leblosen Körper in einem linnenen Kleid aus dem Morast. Die Füße waren nackt und der Körper samt den langen Haaren schien unversehrt.

      „Was gibt es hier zu Glotzen? Ihr sollt arbeiten und nicht nutzlos herumstehen“, polterte von ferne die Stimme des alten Fiete. Er war erneut aufgetaucht.

      „Sie haben einen Toten gefunden“, rief jemand. Der Alte bahnte sich den Weg durch die Knechte, bis er an der Grube stand.

      „Los, gebt mir mal einen Eimer Wasser!“, forderte Ansgar.

      Er wurde ihm gereicht und Ansgar spülte den verschmierten Kopf und das Gesicht des leblosen Körpers frei. Zum Vorschein kam ein mädchenhaftes Gesicht, vielleicht zwölf Jahre alt.

      Ein Murmeln und Raunen ging durch die Menge. Die Mützen wurden vom Kopf genommen.

      „Herrgott erbarme Dich. Das ist doch die Gretel“, sagte einer.

      „Erzähl nicht, du Dummerjan. Gretel ist seit vielen Jahren tot. Diese hier ist aber bestimmt erst seit kurzem tot, so wie sie aussieht.“

      Der alte Fiete trat etwas näher. „Es stimmt. Es ist tatsächlich Gretel“, murmelte er vor sich hin.

      „Aber mein Herr, sie ist ja kaum entstellt. Kaum ein Haar fehlt. Wie kann die Gretel nach all den Jahren so aussehen, als sei sie erst gestern gestorben?“

      „Das ist das Werk der Moorhexe“, ein alter Knecht mit Bart war hervorgetreten. „Die Moorhexe treibt ihr Unwesen und zieht Unschuldige in ihren Bann. Und als Untote Geister schickt sie sie dann über das Moor.“

      Unruhe kam auf. Auch der alte Fiete bemerkte das Unbehagen der Arbeiter. Er wollte schnell etwas dagegen tun, um nicht Aberglauben und eventuell Arbeitsverweigerung aufkommen zu lassen.

      „Schwatzt nicht. Los, hebt sie heraus aus der Grube und ladet sie auf den Karren! Wir bringen sie ins Dorf. Soll die alte Magdalena sagen, ob

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