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nach.

      Einmal hatte Armin ihm nach einer Boshaftigkeit eine Ohrfeige verpasst. Daraufhin hatte der alte Fiete ihn mit der Knute traktiert und ihn für drei Nächte zu den Schweinen in den Stall verbannt.

      Woher er selbst stammte, das wusste Armin nicht. Er konnte sich nur an den Hof des alten Fiete erinnern. Dass er nicht aus Karlshöfen stammte, das wusste er. Seine Eltern hatte er nie kennen gelernt. Man hatte ihm gesagt, sie wären tot.

      Wenn er sich von den schweren Gedanken erleichtern wollte, dann ging er hinaus in Feld und Flur, meist mit den Schafen auf den Weiden. Dann schnitzte er an seiner Hirtenflöte und versuchte, die Welt um sich zu vergessen.

      Wieder einmal war Armin auf den Feldern und der alte Fiete konnte ihn nicht finden und rief nach ihm. Er konnte es nicht leiden, wenn er sah, dass Armin seinen eigenen Ge-danken nachhing und nicht arbeitete.

      „Wo ist nur wieder dieser Armin? Immer, wenn man ihn braucht, ist er nicht zur Hand. Zum Kuckuck, wo steckt der Bengel nur? Er sollte längst da sein! Armin!“, rief der alte Fiete mit seiner lauten Stimme.

      Er ging vom Schweinestall ins Haus und in die Küche.

      „Steckt hier dieser Bengel?“, fragte er Ute, die sich am Gemüse zu schaffen machte. Doch ehe sie antworten konnte, öffnete sich die Hintertür und Armin kam mit zerzausten blonden Haaren in die Küche. Er hatte gerade die Schafe zurück auf den Hof getrieben.

      „Da ist er ja.“

      Fiete packte Armin am Schlafittchen. „Ein Tunichtgut bist du. Wenn man dich braucht, dann treibst du dich in der Gegend herum. Wozu gebe ich dir Obdach und eine Mahlzeit am Tag? Das musst du dir verdienen!“ Abschätzig sah er auf ihn herab. „Ich hätte damals auf den alten Radegast hören sollen.“

      Armin wollte etwas entgegnen, doch der alte Fiete unterbrach ihn.

      „Schweig still. Und jetzt geh Ute zur Hand und fege die Küche. Und wenn du fertig bist, dann kommst du in den Stall und putzt den Ferch.“

      Damit ließ er ihn los, trat aus der Hintertür und warf sie hinter sich zu. Armin stand ein wenig unschlüssig in der Küche, griff schließlich den Besen in der Ecke und begann zu fegen.

      „Was meint er damit, er hätte auf Radegast hören sollen, Ute?“

      Ute saß auf einem Schemel unweit der Herdstelle.

      „Als du damals zu uns kamst, warst du noch sehr klein. Keinen halben Lenz alt. Der Bruder Jakobus, der dich damals bei sich hatte, pochte eines Morgens an der Tür. Er bat den alten Fiete, sich um dich zu kümmern und dir ein Obdach zu geben.“

      „Wieso war ich denn bei einem Mönch?“

      „Er hatte dich aufgelesen weit im Osten bei den Slawen.“

      „Komisch“, Armin hielt im Fegen inne, „daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Hatte er gesagt, wie er mich fand?“

      „Ich weiß es nicht mehr genau, aber er sagte etwas davon, dass du in der Nähe einer brennenden Hütte lagst und bitterlich weintest.“

      „Und meine Eltern?“

      „Das weiß ich nicht mehr. Vielleicht weiß der alte Fiete mehr? Jedenfalls war da der Radegast. Du weißt schon, der alte Knauserer, der vor vielen Jahren von den Reitern zu Tode getrampelt wurde. Und dieser Radegast sagte zum Fiete, er solle sich nicht unglücklich machen und dich weggeben.“

      Armin hielt in seiner Arbeit inne und dachte eine Weile nach.

      „Jetzt feg‘ schon weiter. Die Küche sieht grauslich aus. Los, mach weiter. Sonst gibt’s was hinter die Ohren“, sagte Ute zwar streng, aber mit einem Zwinkern in den Augen.

      Als Armin ausgekehrt hatte, trat er mit dem Unrat aus der Tür in den matschigen Hof. Es regnete.

      Im Schweinestall war bereits ein Wanderknecht zugange. Fiete stand daneben.

      „Das hat aber gedauert. Hast du etwa wieder mit Ute geschwatzt? Du sollst arbeiten und nicht schwatzen wie ein altes Weib. So“, er packte Armin am Arm. „Dort, der Schweineferch. Den machst du jetzt sauber. Und wage gar nicht auch nur einen Krumen Dreck zurückzulassen.“

      Er stiefelte mit dem Knecht hinaus und ließ Armin mit den Schweinen und dem Ferch alleine zurück.

      Am Abend saß Armin mit Ute und den Knechten Peer und Sven im Gesindehaus beim Abendbrot.

      „Morgen sollen die Schafe wieder auf die Weide“, sagte Sven. „Du wirst mit ihnen hinausgehen, Armin. Nimm dir deinen Umhang mit und einen Stecken. Du bleibst über Nacht draußen. Ich bringe dir am Abend einen Kanten Brot und etwas zu trinken. Übermorgen Abend kommst du wieder.“

      „Wo soll ich denn die Schafe hüten?“

      „Auf der Wiese am Moor. Nicht weit von den Torfgruben. Du weißt schon. Und pass gut auf. Lass sie nicht zu weit ins Moor, sonst holt sie die Moorhexe. Und lass dich nicht wieder von Bellyn umrennen.“

      Peer und Sven grinsten.

      Es war keine besondere Arbeit. Armin hatte schon oft die Nacht auf der Weide verbracht. Hoffentlich regnete es nicht. Der April schien diesmal wärmer und trockener zu sein. Eine Moorhexe hatte er noch nicht gesehen. Vielleicht war es nur eine Mär, aber genau wissen konnte es niemand. Schon häufig waren Knechte, Bürger, Frauen und Kinder im Teufelsmoor verschwunden. Und niemand hatte sie je wiedergesehen.

      „Ihr sollt nicht über die Moorhexe spotten.“ Ute hatte das Wort ergriffen. Sie stand mit ernster Miene vor dem Ofen und hatte sich zu den Knechten umgedreht.

      „Ach Ute, verschone uns mit dieser Mär“, entgegnete Sven.

      „Es ist keine Mär. In diesem Moor geschehen Dinge, die niemand erklären kann.“

      „Wovon sprichst du?“, fragte Peer.

      „Kennt ihr die alte Magdalena nicht?“

      „Die alte Magd, die manchmal sonntags um Almosen bettelt? Aber was hat die mit der Moorhexe zu tun?“

      Ute setzte sich an den Tisch. „Sie ist noch lange nicht so alt, wie sie scheint. Aber es ist der Gram, der ihr keine Ruhe lässt. Sie hatte einst eine Tochter, die Gretel. Es war ein hübsches Mädchen. Alle mochten es. Sie war stets zu allen gut und höflich. Zu Hause ging sie der Mutter zur Hand.

      Eines Tages sollte sie wieder die Gänse hüten. Unten an der Wiese beim Moor…Man hat sie nie wieder gesehen. Als es dunkel ward, zogen die Knechte und Bauern aus um sie zu suchen. Sie fanden nur die Gänse. Sie hockten dicht beisammen unter einer Birke. Von Gretel fehlte jede Spur. Auch ihre Lieblingsgans Adelheid fehlte. Am nächsten Tag suchte man erneut und fand ihre Fußspuren im Morast. Sie führten direkt ins Moor.“

      „Und wer sagt dir, dass es die Moorhexe war?“

      „Es heißt, dass Magdalena immer und immer wieder zum Moor ging, um Gretel zu suchen. Und eines Nachts erschien ihr Gretel am Rande des Moores als Geist. Es war die arme Seele des lieben Mädchens. Der Geist erzählte, dass die Moorhexe sie geholt habe.“

      „So kommt die Moorhexe aus dem Moor und holt sich die Menschen?“, wollte Sven wissen.

      „Nein. Sie schickt ihre Irrlichter aus. Sie führen die verlorenen Seelen und Verirrten tiefer und tiefer ins Moor. Ein jeder glaubt, den richtigen Weg zu finden und wird ins Verderben geführt. Und wenn die Lichter sie in den Morast geführt haben, dann zieht die Moorhexe ihre Opfer in die Tiefe. Niemand kann ihr entkommen.“

      „Genug mit deiner Mär, Ute. Lasst uns schlafen gehen. Morgen wird wieder ein schwerer Tag“, sagte Peer bestimmt.

      Am nächsten Tag zog Armin mit den Schafen ins Moor. Er dachte eine Weile an die Moorhexe und das Mädchen. Ob es nur eine Mär war, wie Peer sagte, oder ob wirklich eine Hexe im Moor wohnte, war ihm nicht klar. Doch die alte Magdalena, die kannte er, auch wenn er noch nie mit ihr gesprochen hatte.

      Die Sonne wärmte das Land, der letzte Nebel verzog sich und die Tiere trotteten brav dahin. Sie

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