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Gefäß, das Bastian mit der Sonde sofort trifft. Zusammen mit einem identischen Gefäß von der anderen Seite vereinigen sich die beiden Arterien zu einem gemeinsamen Strang. „Das ist die Basilaris. Und schau, Lars. Hier ist der Thrombus.“

      Ich sehe, dass da eine Blockade ist und hinter der Blockade kein Blut fließt.

      „Mikrokatheter!“ ruft Bastian. Er schiebt den Katheter über die Sonde bis zur Blockade vor. „Und jetzt noch einen Bolus Lysinol X!“

      Bastian spritzt das Medikament. Man sieht, dass sich die Blockade von unten her zunehmend auflöst. Dann fließt wieder Blut. Lisas Vater nickt. Er schaut nach dem Herzschlag. „Der Vorhof arbeitet wieder rein und regelmäßig. Der Thrombus muss aus dem Vorhof gekommen sein, Lars. Jetzt gibt es für uns nur noch eins zu tun…“

      „Ja?“

      „Wir beten für deinen Papa.“

      „Soll Herr Krönlein auf Intensiv?“, fragt Hartmut.

      „Ja. Auf. Intensiv. Danke, Hartmut. Danke, Renate. Ihr seid ein Spitzenteam.“

      Mein Papa reagiert immer noch nicht. Er liegt ganz still. Sein linker Arm und sein linkes Bein sind immer noch gebeugt. Ob das etwas zu bedeuten hat?

      Auf Intensiv

      Papa bleibt regungslos. Ich greife nach seiner rechten Hand. Da beginnt Papa, meine Hand zu streicheln. Er merkt, dass ich da bin. Seine Augen sind geschlossen. Ich sage nur ein Wort: „Papa.“ In meinem Kopf geht der Gedanke um: „Bitte, Herr Jesus, hilf meinem Papa.“

      Jetzt trifft auch Lisa ein. „Francis ist bei meiner Mutter.“ Sie setzt sich auf die andere Seite des Bettes.

      Inzwischen ist es draußen hell geworden. Ich habe mein Gefühl für die Uhrzeit komplett verloren. Ich sehe auf mein Handgelenk. Es ist 8.00 Uhr.

      Die Visite kommt. Allen voran Lisas Vater. „Könnt ihr bitte kurz draußen warten?“ Bastian bittet Lisa und mich, das Intensivzimmer zu verlassen.

      „Was besprechen die da drinnen?“ Ich schaue Lisa an. Lisa zieht ihre Schultern nach oben. Sie weiß es offenbar auch nicht.

      Die Visite kommt aus dem Intensivzimmer. „Dein Papa geht jetzt auf Normalstation. Einzelzimmer auf Station C5.“

      „Ist Stephan nicht mehr intensivpflichtig?“ Lisa schaut ihrem Vater direkt in die Augen.

      „Nein. Nicht mehr.“ Bastian hebt die Augenbrauen. Was bedeutet das?

      Die Visite zieht weiter.

      „Wartet oben auf C5“, flüstert uns eine Schwester zu.

      Am Krankenbett

      Ich sehe, dass Papas rechte Hand meine Hand sucht. Ich greife sofort nach seiner Hand. Papas Augen sind immer noch geschlossen.

      „Wie merkt Papa, dass ich da bin?“

      Lisa setzt sich auf die andere Seite des Krankenbettes. „Er hört uns, Lars. Und er spürt dich.“

      Schwester Roswita kommt in Papas Zimmer auf Station C5. „Hier ist es besser als auf Intensiv. Hier könnt ihr jederzeit kommen und gehen.“

      „Aber auf Intensiv kann man doch mehr tun, als hier.“ Ich verstehe das alles nicht.

      Die Schwester schaltet das Monitoring ab.

      „Was hat das alles zu bedeuten?“

      „So habt ihr mehr Ruhe füreinander.“ Schwester Roswita schaut mich voller Güte an.

      Ich blicke zu Lisa.

      „Lars… Es ist alles getan, was Menschen tun können. Magst du bei deinem Papa bleiben? Ich glaube, das wäre sehr gut.“

      Ich spüre, dass meine Augen feucht werden: „Wird mein Papa denn jetzt gehen?“

      Lisa nickt.

      „Ich bleibe hier. Ja.“

      Schwester Roswita holt einen bequemen Schlafsessel mit einem Kopfkissen für mich.

      Mein Papa streichelt unablässig meine Hand. Ich spüre, wie sehr er mich liebt. Seine Augen bleiben geschlossen.

      „Papa…“

      Hannah

      Es ist der zweite Tag, dass ich an Papas Bett sitze. Heute ist Sonntag. Die Schwestern bringen mir Essen und Trinken.

      Mit einem Mal geht die Tür auf. Und herein kommen … Hannah und Heidi. „Hannah!“

      Die Station C5 war ja früher einmal ihr Wirkungsort – damals, als sie noch junge Diakonisse war. Lange, bevor sie Johannes geheiratet hat. Ihr Lächeln ist freundlich und mild. „Stephan. Lars. Wir sind da. Hannah. Und Heidi.“ In ihren Händen hält sie ein Buch.

      Ich muss weinen. Ich bin ganz überwältigt und glücklich über Hannahs Gegenwart. „Was für ein Buch ist das?“

      „Ein Liederbuch, Lars. Wenn du es magst, dann können wir später etwas singen.“

      Ich lasse Papas Hand nicht los. Wieder streichelt er meine Hand. Da fühle ich, dass alles gut wird. Die beiden setzen sich zu Papas linker Seite. Heidi hat sich sehr hübsch gemacht.

      Hannah salbt Papa mit Öl aus einem kleinen Fläschchen. Sie lächelt mich an: „Das kommt aus Jerusalem.“ Hannah wendet sich Papa wieder zu. „Der Herr segne und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und leite dich in seinem Frieden.“

      Wir sitzen lange gemeinsam an Papas Bett. Am Abend gehen die zwei wieder. „Auf Wiedersehen, mein Schatz“, sagt Heidi noch.

      Abschied

      Mir wird das Abendessen gebracht. Mir fällt beim Entgegennehmen des Tabletts das Messer auf den Boden hinab. Papa zuckt zusammen. „Entschuldige bitte, Papa.“ Ich hebe das Messer vom Boden auf.

      Ich esse.

      Dann bekomme ich den Impuls, Papa etwas vorzusingen. Ja. Da liegt das Liederbuch. Hannah hat es hier gelassen. Ich blättere im Buch. Ein Lied liegt mir besonders am Herzen.

      Die Gott lieben, werden sein wie die Sonne,

      die aufgeht in ihrer Pracht.

      Noch verbirgt die Dunkelheit das Licht.

      Und noch sehen wir die Sonne nicht.

      Doch schon zieht ein neuer Tag herauf.

      Und das Licht des Morgens leuchtet auf.

      Viele Tränen werden noch geweint.

      Und der Mensch ist noch des Menschen Feind.

      Doch weil Jesus für die Feinde starb

      hoffen wir, weil er uns Hoffnung gab.

      Noch verbirgt die Dunkelheit das Licht

      und noch sehen wir den Himmel nicht.

      Doch die Zeit der Schmerzen wird vergeh'n

      und dann werden wir den Vater seh'n.

      Die Gott lieben, werden sein wie die Sonne,

      die aufgeht in ihrer Pracht.

      Nach der letzten Strophe sehe ich, dass Papa die Augen aufgemacht hat und mich aufmerksam anschaut. Er schaut wie ein kleines Kind, gerade so wie Francis mich als Baby anschaute, wenn ich ihn im Arm hielt und ihm etwas vorsang. Dann sehe ich, dass Papa aufhört zu atmen. Sein Blick bleibt aufmerksam auf mich gerichtet. Da weiß ich, es ist noch Zeit. Ein kleiner Moment. Ich bete. „Ich preise den Namen Jesus Christus über deinem Leben, deinem Sterben und deiner Auferstehung. Amen.“

      Und wie ich „Amen“ sage, sehe ich, dass auch Papa „Amen“ sagt. Nur stimmlos. Er hat ja keine Luft mehr in der Lunge. Aber ich sehe, wie seine Lippen sich zu einem

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