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Allegorie, welche unzweifelhaft zu gleicher Zeit mit der Erbauung dieses Chores entstanden, also mindestens in den Anfang des 12. Jahrhunderts zu versetzen ist. Diese Sculptur stellt eine weibliche Figur dar, welche den Teufel in Gestalt eines Drachen an einem Stricke hält. Ein Engel faßt das Ungethüm bei den Haaren und stößt ihm ein Messer in den Rücken. Die Arbeit ist unbeholfen, formlos, ohne Ausdruck. Ueber den Figuren stehen die Worte: Juliana, rechts Otto me fecit, - links Adpebraht Monetarius. (Otto Adpebraht, Münzmeister, hat mich gemacht?)

      Begeben wir uns nunmehr in das linke Seitenschiff des Domes, so finden wir da den Grabstein dreier fränkischen Königstöchter aufgestellt, mit Namen St. Embede, Warbede und Wilbede. Dieser Stein stammt aus der Kirche des ehemaligen Bergklosters und die Tradition berichtet uns, daß diese drei königlichen Schwestern zur Zeit als die Rheinlande von den Horden der Normannen überschwemmt wurden, für den christlichen Glauben gestorben seien. Daher kam es auch, daß die Franzosen dieses Kloster bei Zerstörung und Verbrennung der Stadt zu Ehren dieser fränkischen Königstöchter, deren Gebeine man noch unter dem Steine wähnte, verschonten, während sie im Jahre 1794 den prächtigen bischöflichen Palast blos um deßwillen verbrannten, weil der Prinz Condé hier auf kurze Zeit eine Zufluchtstelle gefunden hatte. – Genannter Grabstein in Haut-Relief gearbeitet, gehört zu den besten Zeiten der Gothik an und ist wohl in das vierzehnte Jahrhundert zu versetzen. Der jugendliche Gesichtsausdruck der drei Schwestern ist lieblich, fromm und Mitleid erregend; die Gewandung ist außerordentlich schön und edel gehalten. Während das Unterkleid sich leicht den Formen des Oberkörpers anschmiegt und um die Lenden von einem einfachen Gürtel zusammengehalten wird, umfließt und bedeckt ein faltenreicher Mantel den übrigen Theil des Körpers.

      Die übrigen, im Ost- und Westchore des Domes noch enthaltenen Sculpturen im Rennaissance- und Zopfstyle übergehen wir, da dieselben nach unserer Ansicht weder von historischer, noch von künstlerischer Bedeutung sind.

      Betrachten wir nun noch kurz die interessanten Ueberreste von Wandmalereien, mit welchen der Dom ehemals geschmückt war und welche allenthalben noch zu Tage treten. An vielen Stellen sind die Spuren derselben nur noch an den in das Mauerwerk eingegrabenen Heiligenscheinen zu entdecken. Die Reste dieser Malereien, obgleich das fünfzehnte Jahrhundert wohl nicht überschreitend, scheinen aus verschiedenen Zeiten zu stammen. Den ältesten Zeiten, und wie wir vermuthen, dem Ende des zwölften Jahrhunderts mögen die überlebensgroßen Gestalten der Apostel Petrus und Paulus angehören, welche wir an zwei Pfeilern der linken Seite des Mittelschiffes wahrnehmen, sowie das noch colossalere Gemälde des h. Christophorus im linken Kreuzflügel, mit der nicht ganz zu entziffernden Inschrift: Per. Te. Strena. Datur. Morbi. Genus. Ome. Fugarur (kreuz) aura. Fames. Pestis. Christi christo fore te CT. – Diese Gemälde zeigen uns eine strenge, fast schroffe, an Mosaiken erinnernde Würde zu tragen, nach den Principien der Plastik entworfen, vollständig den Charakter colorirter Zeichnungen. Die arabeskenartige Einrahmung besteht aus schlicht aneinander gereihten und verschieden gefärbten Vierecken.

      Jüngeren Ursprungs scheinen die übertünchten und kaum durchscheinenden Reste eines großen Gemäldes im linken Seitenschiffe zu sein. Es stellt Christus am Kreuze dar, umschwebt von vielen Engeln. Die noch deutlich zu erkennende überlebensgroße Figur Mariä zeigt uns einen schönen, durchgebildeten, bereits vollständig individualisirten Kopf.

      Höchst interessant sind die an dem ersten Hauptpfeiler und dessen Verbindungbogen auf der linken Seite des Hauptschiffes erhaltenen Arabesken. Der Kämpfer dieses Pfeilers zeigt in schön verschlungener Aneinanderreihung die Brustbilder der Apostel, während Capitäl und Bogen mit reichem Arabeskengewinde geziert sind.

      Als besondere Zierde sind noch die in den Rosetten des Lorenzi-Chores befindlichen Glasmalereien anzuführen. Dieselben stammen aus der Stiftskirche in Wimpfen und gehören der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts an. Diesen herrlichen Schmuck verdankt der Dom dem Kunstsinne des Ministerpräsidenten Frhrn. V. Dalwigk, welcher diese Malereien aus ungeeigneten Händen für den Dom erwarb und so die Verschleppung dieser Kunstwerke verhütete. Die Glasmalereien der Stiftskirche in Wimpfen zählt die Kunstgeschichte zu den bedeutendsten Leistungen ihrer Zeit. Leider wurden dieselben zu Anfang dieses Jahrhunderts aus der Stiftskirche herausgenommen und befinden sich die Hauptfenster gegenwärtig im Museum zu Darmstadt.

      Ehe wir den Dom verlassen, verdient noch ein altes Oelbild in der Marienkapelle, die h. Jungfrau mit dem Kinde auf dem Arme darstellend, unsere Beachtung. Dieses Bild, welches wir der fränkischen Schule zuzählen, sowie die beiden in der Taufkapelle aufbewahrten Gemälde, sind die einzigen, welche glücklich die Verheerung des Domes überstanden haben. Ein auf der Rückseite unseres Marienbildes angebrachtes Pergament erzählt, daß im Jahre 1689, als die Gallier schändlicher denn die heidnischen Türken in dem Dome gewüthet, dieselben auch den Muttergottesaltar, welchen dieses Gemälde zierte, in Brand gesteckt hätten und dieser bis auf die letzten Trümmer von den Flammen zerstört, unser Marienbild selbst aber als „manifestum miraculum“ gänzlich von dem Feuer verschont worden sei.

      Hiermit nehmen wir von dem Dome Abschied, fest vertrauend auf den besseren Geist unserer Zeit, welcher diese durch Alter, Geschichte und Kunst so würdige Haus Gottes gewiß nicht in Trümmer sinken lassen wird.

      Weitere architektonische Sehenswürdigkeiten in Worms sind:

      1) Die Paulskirche,

      erbaut im J. 1016, umgebaut wegen drohenden Einsturzes 1110, neu aufgeführt nach einem Brandschaden 1261. Von den Franzosen 1689 in Brand gesteckt, wurde das Mittelschiff völlig zerstört, später im Zopfstyle neu aufgeführt und mit Fresken von Seekatz ausgemalt.

      2) Die Andreaskirche,

      erbaut 1020. Aus dieser Zeit stammt noch das Portal und der untere Theil des östlichen Thurmes mit einer Inschrift aus dem Jahre 1326, wonach auf einen Tag 70 Sarkophage in einer Gruft bei diesem Thurme versenkt wurden. Diese Kirche erfuhr verschiedene Umbauten, zuerst im spätromanischen und dann im gothischen Style.

      3) Die Martinskirche

      Erbaut in der letzten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Sie ist eine in verüngtem Maßstabe ausgeführte und wohldurchdachte Wiederholung des Domes. 1265 umgebaut (siehe das schöne westliche Portal) erlitt diese Kirche durch die Zerstörung im J. 1689 wesentlichen Schaden.

      4) Die Liebfrauenkirche

      Aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. 1467 völlig umgebaut, zeichnet sich diese auf 24 Pfeilern ruhende Kirche durch ihre einfache, edle und schmucklos gothische Bauweise aus. Besonders zu bemerken das schöne Portal, den Tod Mariä darstellend und die klugen und die thörichten Jungfrauen. Die Restauration dieser Kirche steht in baldiger Aussicht.

      5) Die Synagoge,

      wohl die älteste in Deutschland, aus dem Anfange des 11. Jahrhunderts; bei einem Aufstande gegen die Juden im J. 1615 im Innern verwüstet. Bemerkenswerth das Portal, zwei Säulen im Innern, das leider zerfallene uralte Frauenbad und die Raschi-Kapelle.

      5) Die Dreifaltigkeitskirche

      1725 erbaut, mit dem bekannten, künstlerisch jedoch werthlosen Gemälde von Seekatz, den Reichstag zu Worms 1521 darstellend.

      DER DOM zu WORMS

      und seine Wiederherstellung.

      Rede

      zur Feier des Geburtstages

      Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs

      Ernst Ludwig

      und

      Ihrer Königlichen Hoheit der Grossherzogin

      Victoria Melita

      von Hessen und bei Rhein

      am

      25. November 1897

      in der

      Aula der Grossherzogl.

      Technischen Hochschule

      zu Darmstadt

      gehalten von

      Baurat Professor HOFMANN.

      DARMSTADT

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