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würden …

      In der Diele erwartete Marie die Besucher. War es Zufall? Sie hielt Karl Landmanns Mantel bereit.

      Es war dem Mann unangenehm, von ihr eine derartige Dienstleistung anzunehmen. Sein Mantel schien schwerer zu sein als sie selbst. »Mister Landmann, bitte!« Maries auffordernde Geste erinnerte ihn daran, dass er den Arm in den Ärmel schieben sollte. Als ihre Finger dann zufällig seinen Nacken berührten, weil sie ihm den Kragen zurechtrückte, wünschte er, dieser Augenblick möge etwas länger andauern. Himmel! Welche Gedanken kamen ihm da?

      »Danke«, sagte er mit belegter Stimme. »Sehen wir uns am Mittwoch wieder?« Fiel ihm denn keine intelligentere Floskel ein? Karl Landmann ärgerte sich über sich selbst.

      »Sicher sehen wir uns. Ich arbeite ja hier.« Marie lächelte freundlich und unverbindlich.

      Sie hatte während des Servierens im Salon wohl bemerkt, dass sie die Männer in besonderer Weise beeindruckte. So etwas geschah ihr nicht zum ersten Mal. Der Lord erhielt häufiger männlichen Besuch, doch Maries Interesse an Männern hielt sich in Grenzen: Sie hatte eine gescheiterte Ehe hinter sich und keinen Bedarf an Erfahrungen ähnlicher Art.

      Sir Edward war seinen Besuchern in die Diele gefolgt. »Ist Antoine vorgefahren?«, erkundigte er sich bei Frederic.

      »Ja, Eure Lordschaft, der Wagen steht bereit«, meldete der Butler und hielt das Portal höflich für die Männer auf.

      »Auf Wiedersehen«, sagte Karl Landmann leise zu Marie.

      »Kommen Sie gut ins Hotel«, erwiderte Marie ebenso leise.

      Die Männer schritten die geschwungene Außentreppe hinunter und stiegen in die Limousine.

      Marie lief in den Salon zurück, stellte das Geschirr auf den Servierwagen, säuberte den Tisch und öffnete für ein Weilchen die Fenster, um Frischluft hereinzulassen. Wind war aufgekommen, man spürte eine salzige Brise in der Luft.

      Sir Edward verschwand mit der Mappe ins Arbeitszimmer. Er rief den Anwalt an. Avvocato Girardi war ihm mit den Jahren ein guter Berater und fast ein Freund geworden, dessen Meinung ihm in diesem Fall besonders wichtig war. Sie verabredeten sich zum Abendessen.

      Auf dem Weg in den Wintergarten warf Sir Edward noch einen Blick in den Salon. Alles stand wieder auf seinem Platz. Er informierte Frederic, der sich dezent im Hintergrund hielt, dass Signore Girardi gegen Abend zum Supper zu erwarten sei.

      Mit den Unterlagen der Winestore Company ließ er sich dann auf seinem Lieblingsplatz im Wintergarten nieder. Sobald die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne das Wolkenmeer durchbrachen, würde Frederic die gläsernen Flügeltüren in den Garten öffnen. Bald war es so weit, denn hier währte der Winter nur kurze Zeit und Nebel war so gut wie unbekannt.

      ***

      Gegen achtzehn Uhr vernahm Frederic die quietschen Reifen eines bremsenden Wagens.

      Der Avvocato hatte seinen Chauffeur heute nicht bemüht. Der durfte dem Duell der rivalisierenden Fußballclubs sein Interesse schenken, statt den Rasern auf der Straße, zu denen der Anwalt – nebenbei gesagt – auch selbst gehörte.

      Der reiche Club des AS Roma spielte gegen den immer mit Geldsorgen kämpfenden Club von Napoli. Für die Neapolitaner bedeutete es ein Freudenfest, sollte ihr Club gewinnen. Mit erhobener Faust würden sie durch die Straßen laufen und forza Napoli brüllen. Eine Niederlage zog man vor dem Spiel gar nicht erst in Betracht.

      Der Avvocato war kein Anhänger des Ballsports. Viel lieber hörte er sich in seinem appartamento mittels einer gigantischen Musikanlage eine der italienischen Opern an. Nicht selten schwang er dazu einen imaginären Taktstock.

      Sir Edward und Girardi begrüßten sich herzlich. Mit einladender Geste bat der Lord den Gast ins Arbeitszimmer. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen«, scherzte er.

      Girardi wusste die gute Küche des Hauses zu schätzen, deshalb lag ihm daran, die Prüfung des Vertrages rasch hinter sich zu bringen.

      Sir Edward schob ihm die Unterlagen über den Tisch und hielt sich ansonsten still in seinen Sessel.

      Der Avvocato überflog die ersten Absätze. »Diesen Vertrag hat ein Manager geschrieben, kein Jurist«, murmelte er.

      Seine Formulierungen wären anders gewesen, eleganter, um vieles ausgefeilter. Aber darum ging es ja nicht: Es galt, Fallstricke aufzuspüren. Gedanklich zerlegte Girardi Zeile für Zeile. »Ich werde den Vertrag neu ausformulieren, dann können Sie unterschreiben«, sagte er schließlich. »Über die Nutzungssumme werden Sie, wie ich Sie kenne, nicht verhandeln wollen, obwohl da noch einiges …« Er sprach nicht weiter. Ein Blick in Sir Edwards Gesicht hatte ausgereicht. Für ihn als Italiener war es unverständlich, dass jemand nicht feilschen wollte.

      »Ich möchte nur die Sicherheit haben, dass auf dem Anwesen kein Schaden entsteht«, unterstrich Sir Edward. »Insbesondere ist festzuhalten, dass mein Personal nicht für die Obliegenheiten der Filmcrew zuständig ist. Für die Trailer müsste der große Platz am Ende des Anwesens ausreichen. Die Leute könnten dort für die Dauer der Dreharbeiten wohnen, Strom und Wasser sind vorhanden. «

      Es wurde Zeit für das Supper.

      Vorsorglich erkundigte sich der Anwalt, ob sie später eine Partie Schach spielen würden.

      »Aber gern, ich bin Ihnen doch noch die Revanche vom letzten Mal schuldig.«

      Es klopfte an der Tür. Frederic trat ein und verkündete, dass angerichtet sei. Die lange Tafel des Esszimmers war für nur zwei Personen gedeckt.

      Der Butler erkundigte sich nach den Wünschen für einen Aperitif. Danach servierte Marie die verschiedenen Gänge und nach einem hervorragenden Tiramisu zogen sich die Männer mit einem Glas Sherry in den Salon zurück, wo bereits das Schachbrett auf dem Tisch stand.

      Girardi beneidete Sir Edward um diese Leute, die offenbar immer im Voraus wussten, was ihr Herr wünschte.

      ***

      Die Angestellten saßen währenddessen beim gemeinsamen Abendessen zusammen.

      Francine wollte wissen, wie der Regisseur und die Schauspieler ausgesehen hätten.

      Marie ließ sich nicht lange bitten: Mit treffsicheren Handbewegungen und Gesten imitierte sie die drei Männer, was zeitweilig für Belustigung sorgte. Der eine schnitt besser, der andere schlechter ab. Besonders Mister Mortimer war Marie negativ aufgefallen. Auch der sonst zurückhaltende Frederic äußerte sich wenig freundlich über ihn. »Der Kerl trägt die Nase sehr hoch. Irgendwann wird er stolpern und sich ordentlich dran stoßen«, prophezeite er. »Er fand es nicht einmal der Mühe wert, sich zu bedanken, als ich ihm in den Mantel half. «

      Marie dachte an den Moment, in dem sie Karl Landmann in den Dufflecoat geholfen hatte. Als Schauspieler war ihr der Mann natürlich ein Begriff. Mehr als einmal hatte sie seine positive Ausstrahlung in Filmen bewundert. Doch wer wusste bei einem Darsteller schon, wie viel davon Spiel, wie viel davon eigener Charakter war? Heute hatte sie den Eindruck gewonnen, dass er diese sympathischen Eigenschaften auch ins Privatleben übertrug.

      ***

      Sir Lindsays Chauffeur empfand es als große Erleichterung, dass aufgrund des Fußballspieles nicht so viel Verkehr herrschte. Das Chaos würde erst wieder ausbrechen, wenn das Spiel zu Ende war. Egal, ob gewonnen oder verloren – auf der Piazza würde es brodeln und die Straßen wären heillos verstopft.

      Vorschriftsmäßig diskret hatte er die Scheibe zum Fahrgastraum hochgefahren, sodass die Gespräche der Männer nicht nach vorn drangen. Ihn interessierte wenig, worüber sie sich unterhielten.

      »Ich denke, Lindsay hat meinen Vortrag gut aufgenommen. Was meint ihr?«, wollte Graham wissen.

      In Malcolm nagte noch immer der Zorn darüber, dass der Lord ihn so abgekanzelt hatte. Von sich selbst eingenommen, suchte er natürlich den Grund dafür nicht bei sich. »Der Alte sollte seinen Tee besser in London schlürfen, als sich hier um Dinge zu kümmern, von denen er nichts versteht«,

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