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Geschichten des Windes. Claudia Mathis
Читать онлайн.Название Geschichten des Windes
Год выпуска 0
isbn 9783753197715
Автор произведения Claudia Mathis
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Und das hier sind die beiden Bordunpfeifen. Damit werden die gleichbleibenden Grundtöne erzeugt.“
Jaimie klemmte sich den Sack unter seinen linken Arm, pustete Luft hinein und presste sie in die Pfeifen. Er spielte eine schöne Melodie und Sean war begeistert.
„Das klingt ja wunderbar!“, staunte Sean.
„Die Pfeifen sind aus Hartholz und die Schmuckringe aus Tierhorn. Welche aus Silber oder Elfenbein konnte ich mir nicht leisten.“
„Ich finde sie trotzdem wunderschön“, ermutigte ihn Sean. „Es kommt doch auf den Klang an, und der ist wirklich erstklassig.“
Hocherfreut spielte Jaimie noch eine Weile und Sean ließ sich in die Musik fallen. Er bemerkte gar nicht, wie die Zeit verging. Arthur, der sich nicht einmischen wollte, las ein Buch.
„Willst du es auch mal probieren?“, fragte Jaimie plötzlich. Sean reagierte erst gar nicht, er war mit seinen Gedanken ganz woanders.
„Wie bitte? Was hast du gesagt?“
„He, du Träumer! Ob du auch mal spielen willst, hat er gefragt!“
Das war Arthur, den es insgeheim etwas störte, dass Sean seine Aufmerksamkeit einem anderen schenkte.
„Äh ja, gern“, stammelte Sean.
Umständlich nahm er den Dudelsack in die Hand und wusste erst gar nicht, wie er ihn halten sollte. Nach einer Weile schaffte Sean es irgendwie, sich den Windsack zu Jaimies Zufriedenheit unter den Arm zu klemmen. Aber pusten, pressen und spielen war einfach zu viel für ihn. Sean gab auf.
„Wie hast du das nur gelernt, Jaimie?“, fragte Sean ehrfurchtsvoll.
„Am Anfang habe ich mich genauso wie du angestellt. Aber ich hatte zum Glück einen geduldigen Lehrer und da ging es dann irgendwann. Man muss natürlich sehr viel üben“, antwortete Jaimie stolz.
Nach einer Weile fragte Sean:
„Hast du Lust, mir von deinen Abenteuern zu erzählen?“
Das interessierte ihn brennend.
„Natürlich! Hm, mal überlegen. Ich habe so viel erlebt…. Aha. Mir fällt etwas ein. Also: Einmal haben wir in Edinburgh gespielt.“
„Edinburgh? Da wohnt mein Onkel Ennis. Er ist Professor“, sagte Sean stolz. Arthur verdrehte die Augen, Jamie nickte und erzählte weiter.
„Ich fand es sehr beeindruckend und hatte vorher noch nie so eine große Stadt gesehen. Sie ist ja die Hauptstadt von Schottland.“
Sean nickte eifrig.
„Schon von Weitem konnten wir den Burgberg sehen. Von drei Seiten fallen die Felsen fast senkrecht herab, nur von der Ostseite ist er erreichbar. Auf diesem gigantischen Bergplateau ragt das Edinburgh Castle in die Höhe. Es bildete den Ausgangspunkt der Besiedlung von Edinburgh. Wir wollten es uns anschauen, aber leider ist die Burg seit Anfang dieses Jahrhunderts unbewohnt, da der König nun in London lebt.“
„Das ist ja schade“, sagte Sean bedauernd.
„Aber wir konnten etwas anderes Interessantes erleben. Als wir auf der High Street Richtung St. Giles Cathedral mit unserem Wagen fuhren, strömte eine Masse Menschen in Richtung des Kirchplatzes. Dort muss irgendetwas passieren, dachten wir uns. Je näher wir zu dem Platz kamen, desto schwerer war das Durchkommen. Also stellten wir unseren Wagen in eine Gasse und zählten aus, wer von uns dortbleiben musste, um unsere wertvollen Instrumente, unser Pferd, unseren Wagen und unsere anderen Habseligkeiten zu bewachen. Ich war es zum Glück nicht, den es getroffen hatte.
Als wir bei der Kathedrale ankamen, in der früher die Könige von Schottland gekrönt wurden, war der Platz voll. Man konnte das hohe Stadtkreuz aus den Menschenmassen herausragen sehen. Aber noch eindrucksvoller war ein großer Apparat aus Holz, der auf einer Bühne stand. Wir fragten uns, für was er da sein könnte. Zwei große Balken standen senkrecht in die Höhe und wurden von einem dritten waagerechten gestützt. Zwischen den senkrechten Balken befand sich eine dünne Platte, die man hinauf und hinunter ziehen konnte. Doch weiter konnte ich den Apparat nicht betrachten, da etwas anderes meine Aufmerksamkeit verlangte. Ein Mann mit einem Sack über dem Kopf wurde unter lautem Rufen der Menge auf die Bühne gestoßen. Wir verstanden erst nicht, was die Leute riefen, aber dann hörten wir eindeutig die schaurigen Worte: Tötet ihn, tötet ihn! Wir waren doch tatsächlich bei einer Hinrichtung dabei!“
Sean lief ein kalter Schauer über den Rücken. Auch Arthur zeigte jetzt seine Aufmerksamkeit. Diese Geschichte kannte er von seinem Bruder noch nicht.
„Und wie ging es weiter?“, fragte Sean gespannt.
„Ein Mann rief ein paar Sätze über die Vergehen des Gefangenen, dann wurde der Verbrecher gezwungen, sich vor einen Holzblock unten am Apparat hinzuknien. Die Menge jubelte immer lauter, aber mir war entsetzlich übel geworden. Doch ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Schließlich ging alles ganz schnell. Der Kniende schrie verzweifelt irgendetwas Unverständliches und dann sauste die Platte, die eigentlich ein dünnes Beil war, herab und schon kullerte der Kopf des Verbrechers blutig über die Bühne. Sein Körper sackte zusammen und aus seinem Hals spritzte das Blut in Fontänen. Nie wieder habe ich so etwas Schreckliches beobachtet.“
Sean schwieg betreten, die Bilder des geköpften Mannes vor Augen. Auch Arthur blieben die Worte im Halse stecken.
„Später habe ich erfahren, dass diese Tötungsmaschine Scottish Maiden - schottische Jungfrau heißt. Furchtbar, was sich Menschen alles ausdenken!“
Sean konnte immer noch nichts sagen.
Jaimie, unsicher, ob es richtig war, den Jungen so etwas zu erzählen, fragte: „Soll ich dir noch etwas erzählen, Sean?“
„Ähm, erst einmal nicht. Das muss ich erst verdauen.“
Er hatte vorerst genug von Jaimies Abenteuern.
„Aber wenn du magst, kannst du mir noch etwas vorspielen“, sprach er diplomatisch. Jaimie setzte begeistert den Dudelsack in Gang.
Nach einer Weile, als es bereits dunkelte, wurde Sean unruhig. „Ich muss nach Hause. Vielen Dank, Jaimie! Deine Musik ist traumhaft schön.“
Jaimie, dankbar für das Kompliment, winkte fröhlich zum Abschied. „Danke, bis bald!“
Arthur bot Sean an, ihn nach Hause zu begleiten, was Sean dankend annahm. Auf dem Weg erholten sie sich von ihrem Schreck und unterhielten sich wortreich über die gehörten Grausamkeiten.
***
Mitte September sprach eines Tages Alistair McCunham zu seinem Sohn, als die Familie gerade am Frühstückstisch saß: „Sean, ich habe eine Überraschung für dich.“
Dieser verschluckte sich fast an seinem Bissen Brot und fragte neugierig: „Was ist es, Vater?“ Er schaute zu seiner Mutter, die etwas säuerlich lächelte. Irritiert blickte Sean wieder zu seinem Vater. Was freut meinen Vater so sehr und verärgert gleichzeitig meine Mutter?
„Heute nehme ich dich mit zur Jagd. Friseal ist schon ganz aufgeregt“, antwortete Alistair.
Friseal, deren Name Erdbeere bedeutete, war die Hündin der Familie und ein Schottischer Deerhound. Wie der Name dieser ältesten Hunderasse Schottlands verrät, wurden die Tiere für die Hirschjagd gezüchtet. Die Hunde konnten eine Schulterhöhe von bis zu 30 Zoll16 erreichen und rannten bei der Jagd vor dem Pferd her. Friseal war schon etwas älter, aber immer noch topfit. Alistair, der Tiere sehr mochte, hatte sie selbst zum Jagdhund ausgebildet. Wenn man sagen kann, dass der Laird von Dunnottar Castle Freunde hatte, dann war dieser Hund einer davon.
„Ich darf mit zur Jagd? Wie konntet Ihr Mutter dazu überreden?“, sprudelte es aus Sean heraus. Sean wurde sofort rot, weil er so frech gefragt hatte.
„Dein Vater und ich haben uns darauf geeinigt, dass es gut für dich ist, eine