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Frevlersbrut. Katharina Maier
Читать онлайн.Название Frevlersbrut
Год выпуска 0
isbn 9783753198965
Автор произведения Katharina Maier
Жанр Языкознание
Серия Die Erste Tochter
Издательство Bookwire
»Du solltest nicht hier sein«, sagte Eftnek, und das Dunkle aus seinen Augen bebte in seiner Stimme.
»Wo bitte sollte ich denn sonst sein?«, entgegnete Vairrynn. Er wollte nicht auf Konfrontationskurs mit Eftnek gehen, nicht heute. Er tat es trotzdem. Aber Eftnek stand nur weiter an der Tür, als würde er sich nicht in das bunte Mädchenzimmer hineinwagen.
»Vater?«, drang da Myns Stimme in die Stille zwischen den beiden Männern. »Kommt Mutter nach Hause?«
Es war eine Kinderstimme, die da sprach, und es war eine Kinderfrage. Myn wusste die Antwort, und trotzdem setzte sie sich auf und sah ihren Vater mit großen, erwartungsvollen Augen an. Eftnek Neoly vergrub das Gesicht in seinen zitternden Händen und begann zu weinen. Schatten tropften durch seine Finger hindurch. Vairrynn zog Myn an seine Brust zurück, weg von der Dunkelheit, die er aus ihrem Vater heraussickern sah wie Wein aus einem löchrigen Schlauch.
»Du solltest nicht hier sein«, sagte Eftnek, und das Dunkle aus seinen Augen bebte in seiner Stimme. Was um der Einheit Willen war da passiert?
Ktorram Asnuor kam zu Lys Neoly am Abend vor ihrer Hinrichtung. Er hatte hin und her überlegt, ob es nicht grausamer wäre, überhaupt nicht zu erscheinen – und er hatte längst, was er wollte.
Nur stimmte das nicht ganz.
Er wollte ihr in die Augen blicken und das Wissen darin sehen, dass er gewonnen hatte. Und so fand sich Asnuor in der vor Alter modernden Gefängniszelle wieder, deren spärliches Licht Lys Neoly dreizehn Jahre jünger aussehen ließ. Er hatte keine Probleme, ihren Körper unter all den Schichten schwarzen Stoffes zu erahnen, die die Wypriester der Widernatürlichen aufgezwungen hatten, und er konnte sich an eine Zeit erinnern, da das Licht golden gewesen war auf ihrer Haut und in ihrem Haar. Das metallene Geräusch der Gefängnistür hatte sie sich halb von ihrer Pritsche aufrichten lassen, und sie blickte ihm mit ihren dunklen, rotbraunen Augen entgegen.
»Da bist du also«, sagte sie. »Ich habe auf dich gewartet.«
Eine eigenartig gedämpfte Resignation war in ihren Gesten. Er zeigte ihr die Zähne. Kein Lächeln, auch wenn es so aussah.
»Tatsächlich? Was hat dich so sicher gemacht, dass der Oberste Priester seine Aufmerksamkeit einer verurteilten Nembdr schenken würde?«
Sie sah ihn müde an, und Asnuor erkannte, dass das schäbige Licht ihn getäuscht hatte; Lys’ Gesicht zeigte jedes einzelne jener Jahre, die sich in ihre Seele geätzt hatten.
»Ich bitte dich, Ktorram. Hörst du nie auf, deine Spielchen zu spielen? Sag schon, was du willst.«
»Was ich will«, echote er, als hätte er keine Ahnung, was sie meinte, und legte die Stirn in Falten. »Oh, ich verstehe. Du denkst, ich würde das Angebot wiederholen, das ich dir vor dreizehn Jahren gemacht habe.« Er grinste. »Nein, meine Schöne, da hast du etwas falsch verstanden. Siehst du, meine genauen Worte damals waren: Gib mir den Jungen oder du stirbst. Und siehst du?« Er machte eine demonstrative Geste. »Du hast dich damals geweigert, mir den Jungen zu übergeben. Jetzt wirst du sterben. Ich bin ein geduldiger Mann, Lys. Dass du mich damals nicht beim Wort genommen hast, ist nicht mein Problem. Es tut mir fast leid, aber mein Angebot war ein einmaliges.«
Er sah zu, wie sich die Flammen des Scheiterhaufens in ihren Augen brachen, und er wusste, dass sie in diesem Augenblick zum ersten Mal glaubte, dass sie sterben würde. Ihn schauderte, weil es so kalt in der Zelle war, aber das war es ihm wert.
»Ich bin nicht dein«, sagte sie, der letzte Widerstand, den sie ihm noch entgegensetzen konnte.
»Wieder falsch, mein Schatz. Du bist eine verurteilte Nembdr, und damit Eigentum des Wyordens. Mein Eigentum.« Er beugte sich zu ihr vor. »Aber die Wahrheit ist doch: Seit Jahren gehört jede Xa deines Lebens mir. Jeder einzelne Moment.« Lächelnd richtete er sich auf und klopfte sich imaginären Staub von seinem Ärmel. »Ich habe mit deinem Ehemann gesprochen. Armer Kerl. Hätte ich geahnt, wie sehr du ihn im Dunkeln gelassen hast in der ganzen Angelegenheit, hätte ich ihn vielleicht verschont.«
Ihre Augen hoben sich ihm entgegen, und sie waren dumpf wie Steine. Er hatte schon immer wissen wollen, ob man auch Fels brechen konnte.
»Du hast es ihm erzählt? Was zwischen uns passiert ist?« Lys’ Stimme verriet eine Mischung aus Müdigkeit und Furcht, die jemand anderem das Herz gebrochen hätte. Oder zumindest berührt. Doch Asnuor war nicht jemand anderer. Er war es nie gewesen.
»Welchen Zweck sollte das wohl haben? Das macht doch keinen Unterschied mehr nach so langer Zeit. Ich enttäusche dich ja nur ungern, mein Schatz, aber diese Nacht hat nur deine Welt erschüttert, sonst niemands.« Er gab ihr sein bestes anzügliches Lächeln. Sex war eine ausgesprochen nützliche Waffe. Doch es gab schärfere.
»Nein, Lys, unser kleines Geheimnis ist sicher bei mir. Außerdem: Glaubst du wirklich, dass nach allem, was passiert ist, ein weiterer Verrat deinerseits noch einen Unterschied machen würde? Nein, so viel Selbstwertgefühl hast du dem Holzsteinschnitzer nicht gelassen. Und wir wissen beide, dass es in Wahrheit nur einen Weg zu seinem Herzen gibt, zum Guten oder zum Schlechten.«
»Nohaín«, hauchte sie, und ihre harten Augen glänzten seltsam. »Du hast ihm Sannáhs Tagebuch gezeigt. Große Göttin …«
Das bisschen Farbe, das noch in Lys’ Gesicht gewesen war, verschwand, und der Kontrast zwischen ihrer Haut und dem schwarzen Gewand war befriedigend in seiner Harschheit. Asnuor konnte die Risse in ihren Steinaugen sehen. Der Triumph war fast zu weit für seine Brust. Wenn er sie jetzt berührte, würde sie ganz einfach in sich zusammenfallen? Seine Finger zuckten, aber es war noch zu früh. Er war noch nicht fertig.
»Warum um alles in der Welt hast du das getan?«, flüsterte sie.
Asnuor zuckte mit den Schultern, als wäre die Sache kaum weiterer Worte wert. »Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist es Schwäche. Und dein Mann ist schwach, Lys. Wäre er das nicht, hättest du nie all deine kleinen Spielchen treiben können. Ich bin nachtragend. Und ich will, dass du mit dem Wissen stirbst, deinen Mann verdammt zu haben.« Er glaubte, das Ächzen von Fels zu hören und lächelte. »Ich habe seine Dämonen gesehen, Lys. Und sie werden ihn sich holen, das garantiere ich dir.«
Gebrochene Steindumpfheit antwortete ihm aus ihrem Blick und ihren Gesten, und er wusste, er hatte es geschafft. Ihre Niederlage rollte wie Norrnbeerenwein über seine Zunge.
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte sie leise. »Aber weißt du was? Ich habe nicht genügend Kraft übrig, dass mich das berühren könnte. Du hast mir nicht genug gelassen. Es gibt nur noch eins, das mir etwas bedeutet, und da du mir nichts anderes übrig gelassen hast, muss ich dich bitten.«
Ihre Augen fingen seinen Blick ein, und da war etwas unter all der Gebrochenheit, aber es gab zu viele Risse, und er konnte nicht erkennen, was es war. Die Süße ihrer Worte jedoch durchflutete seine Glieder: »Ich flehe dich an, Ktorram. Bitte, verschone meine Kinder.«
Ihre Hände waren in der Geste demütiger weiblicher Bitte über die Brust gekreuzt, und in seinem quasi-orgasmischen Rausch antwortete er ihr wegwerfend: »Ich will Sannáhs Sohn, Lys. Was sollten mich schon die beiden Bälger interessieren, die du mit dem Holzsteinschnitzer in die Welt gesetzt hast?«
Asnuor konnte den exakten Moment benennen, da er verloren hatte. Er hatte nur nicht die geringste Ahnung, warum. Lys’ matte Augen erhielten wieder Glanz, und er sah auf einmal, dass die Risse nur hauttief gingen. Darunter lag blanker Granit.
»Natürlich«, sagte er in dem Versuch zu retten, was zu retten war, »kann kaum jemand vorhersehen, was es den jungen Neolys antun wird, in einem so zarten Alter die Mutter zu verlieren und dabei zuzusehen, wie der Vater langsam im Wahnsinn versinkt. Und das wird