Скачать книгу

Blanchiert, nicht gedünstet, wie sie zuerst gedacht hatte. Ja, so kann Blumenkohl schmecken, wenn er nicht in einer Mehlpampe ertränkt oder unter einer Hollandaiseschlotze begraben wurde. Der Broccoli war genauso gut. Ein ganz milder Kohlgeschmack, mit einer Note Spargel. Einfach perfekt.

      Sie wand sich wieder dem Hauptdarsteller zu, diesmal mit Apfel und ein wenig Schmorrzwiebeln. Die restlichen Zwiebeln sparte sie auf, um sie unter das Püree zu mischen, wie sie es schon als Kind geliebt hatte. Wobei das hier natürlich kein Püree war. Die Kartoffeln waren von Hand gestampft, leicht und locker, mit einem Stich Butter, etwas Muskat und einem Schuss Milch. Hier zeigte es sich wieder: Wer kochen kann, braucht keine Sahne.

      Das letzte Stück Leber bestrich sie mit Kartoffeln, darauf dann Zwiebeln und Apfel. Herrlich! Sie schielte auf Martins Teller hinüber, der unberührt da stand. Eigentlich eine Schande, aber zwei Portionen schaffte sie unmöglich. Zumal es Nachtisch geben sollte, Erdbeercrumble mit Vanilleeis. Der Crumble stand im Ofen, wie sie gesehen hatte.Der Teller am anderen Tischende reizte sie schon. War Martin selbst schuld, dieses Gequassel wie ein Wasserfall. Bei so einem fantastischen Diner. Sie hatte es nicht länger als die Vorspeise ausgehalten. Genuss war die Zwillingsschwester der Ruhe. Das Schöne am gemeinsamen Essen war der geteilte Gaumenkitzel. Reden konnte man beim Kaffee oder am Telefon. So sehr sie Martin mochte, dies dürfte das Ende ihrer Freundschaft sein. Brigitte seufzte und griff nach seinem Teller; nur noch ein bisschen Kartoffelstampf mit Zwiebeln. Sie durfte nachher, bevor sie ging, nicht vergessen, im Bad vorbeizuschauen, um die Fesseln und den Knebel zu lösen.

       Ausgebootet – Ausgeknockt

      Ruth Montnacher

      Es würde ein Gartenfest werden, das keiner mehr vergas. Dafür hatte ich gesorgt. In den Bäumen baumelten Schiffslaternen. Über den Sträuchern waren Fischernetze gespannt, in denen Fische und Krabben lagen. Nur wenn man genau hinsah, sah man noch ein Zucken. Mit dicken Schiffstauen hatte ich eine Reling von der Terrassentür zum Tisch gebaut. Es sah hübsch aus.

      Auf dem mit Muscheln und kleinen Ankern verzierten Tisch hatte ich acht große Teller verteilt. Auf den Tellern standen zu Segeln geformte, weiß-blaue Servietten. Marinelook.

      Es klingelte. Sie war natürlich die Erste. Pamela hatte sich mal wieder in eine viel zu enge Hose gezwängt, aus der die Fettpolster um den Bauch hervorquollen. Der Ausschnitt ihres dünnen Blüschens - viel zu tief - machte den Blick frei auf die verrunzelte Haut einer 60-jährigen Raucherin. Peinlich, wie immer. Neugierig fiel ihr Blick in den Garten. Ja nichts verpassen.

      Tobi und Elvira kamen ums Haus herum in den Garten geschlendert. Ohne zu klingeln. Warum auch. Wir waren doch ziemlich beste Freunde. Die beiden Ossis, Jörg und Susi, kamen direkt im Schlepptau hinterher, wie zwei Dackel. Es dauerte ewig, bis es dann nochmal an der Tür klingelte, und Peter und Maren erschienen. Immer etwas Besonderes. Und als Letzte hatten sie den besten Auftritt mit Publikum.

      Skipper Tom hatte ich nicht eingeladen. Ich wusste, warum.

      Da hatte ich sie zusammen, die feine Gesellschaft.

      Während sich alle freudig begrüßten (diese Scheinheiligen), holte ich den Sekt aus der Küche, roten Sekt, den ich vor dem Raustragen nochmal kräftig schüttelte. Tobi winkte sofort und ich drückte ihm die Flasche in die Hand. Alles lief nach Plan. Seine Elvira neben ihm war mal wieder rausgeputzt wie ein Pfau, im weißen Kleid. So ein Pech. Die Flecken gehen ja so schlecht raus.

      Nachdem Elvira ein Tränchen verdrückt und Tobi als Schuldigen beschimpft hatte, stießen alle miteinander an. Auf die schönen Segeltörns. Es war vor Jahren meine Idee, mit zwei Freunden zu segeln. Danach kamen immer mehr aus Tobis Kreis dazu. Alle passabel. Aber dann … Am lautesten labberte Pamela vom Segelrevier, von den Manövern und den Tavernen. Hätte ich damals doch nur darauf bestanden, selber jemanden für den freien Platz an Bord vorzuschlagen. Ich konnte nicht ahnen, was auf mich zukommen würde. Bei der Planung des nächsten Törns hatten sie mich dann tatsächlich ausgebootet. Und diese intrigante Kuh wieder mitgenommen.

      Mit einem aufgesetzten, breiten Lächeln betonte ich, wie sehr ich mich freute, die Crew wieder zu sehen, und bat alle am Tisch unter dem alten Apfelbaum Platz zu nehmen.

      Die Augen der Sieben glänzten vor Vorfreude. Ich war als gute Gastgeberin mit raffinierten Ideen bekannt. Na, dann los. Mit Schwung platzierte ich vor jedem Gast ein kleines Tellerchen mit runden Vertiefungen. In jeder Mulde kringelte sich eine Schnecke. Es duftete herrlich nach Knoblauch. Pamela schob den Teller angewidert von sich. »Wie? Du magst nicht? Naja, ist halt was für Leute mit Geschmack.« Die Dekoration aus großen Blättern in der Tischmitte begann sich zu bewegen. Perfektes Timing. Die Weinbergschnecken waren gerade warm geworden (ich hatte sie die Nacht über im kalten Keller ruhig gestellt). Den schrillen Schrei stieß Maren aus, diese Memme.

      »Ich sehe was, was du nicht siehst.« Langsam seilten sich kleine und große Spinnen vom Baum ab Richtung Tisch. Das war der schwierigste Teil der Vorbereitung für dieses Fest. Ich hatte tagelang gesammelt und die gut gefüllte Dose kurz vor dem Eintreffen der Gäste in der Astgabel direkt über dem Tisch platziert. Läuft. Ich war überaus zufrieden mit meinem Arrangement.

      Ich servierte Cuy Chactado. Knusprig. Die Ossis machten sich direkt über die Fleischplatte her. Als Susi gerade ein großes Stück abbiss, verkündete ich, dass das ein typisches Gericht aus Ecuador sei – gegrilltes Meerschweinchen. Susi erbrach sich über den ganzen Tisch und lief würgend ins Haus.

      Jörg blieb grinsend sitzen und krallte sich ein weiteres Tier. »Dat schmeckt doch jut, wa? Ick wes jarnich, wat die Alte hat.« Den anderen war der Appetit vergangen. Sicher nur wegen des Geruchs nach Erbrochenem, der jetzt über dem Tisch lag, oder? Dieser Gang war ein voller Erfolg.

      Ich lies ihnen keine Zeit zum Verschnaufen und schon gar nicht zum Nachdenken. Sonst hätte sich der ein oder andere vielleicht schon verdrückt vor dem großen Finale.

      Ich balancierte eine große Platte mit Trauben und runden, weiß-milchigen Käsen über den Rasen. Peters Augen leuchteten. Gierig schnappte er sich einen ganzen Käse und biss hinein. Es konnte ja nichts mehr Schlimmes kommen, dachte er. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er kaute und plötzlich stutzte. Er stülpte die Lippen um und eine dicke, fette Made fiel im aus dem Mund. Starr vor Schreck kippte Peter mit dem Stuhl nach hinten. »Voilà«, rief ich voller Begeisterung. »Hier haben wir einen Original Casu Marzu – überreifer, sardinischer Schafsmilchkäse mit einem besonderen Pfiff.«

      Die Gesellschaft verlangte dringend nach Hochprozentigem, um meine wunderbaren Ekeligkeiten herunter zu spülen.

      Ich hatte extra kleine Tonbecher gekauft und servierte aus einer Flasche, die ich liebevoll dekoriert hatte, so dass deren Inhalt nicht zu sehen war. Maren stürzte den ersten Becher direkt herunter und griff nach der Flasche. Tobi hatte seinen Becher auch sofort geleert, wie zu besten Segelzeiten. Damals, als ich noch dazu gehörte. Bevor Pamela auf der Bildfläche, sprich auf dem Schiff, erschienen war. Tobi wollte sich auch gerade nachschenken, als er zu würgen begann. Er griff sich in den Mund und zog einen langen, gelblichen Wurm hervor. Elvira war die Nächste, die sich übergab. Was für ein schleimiges Schauspiel auf dem Tisch. Die Schnecken freuten sich. Ich auch.

      »Kinder«, rief ich voller Begeisterung, »ich habe extra für euch Mezcal besorgt. Mögt ihr keinen Tequila?«

      Jetzt war es so weit: Zeit für das Dessert. Ich wusste, dass sich die verfressene Mannschaft den nicht entgehen lassen würde. Ich hatte schöne Glasschalen angerichtet mit einer leckeren, hellbraunen Haselnussmousse, die ihre Zutaten nicht verriet. Die Nocken waren mit in Rum eingelegten Kirschen verziert. War ich nicht liebevoll?

      Es gab ein großes Raunen, als sich die ersten Löffelchen in den weichen Nocken versenkten.

      Irgendwo krachte es. Dann ein Aufschrei. Maren hielt sich ihre Wange, dann spuckte sie aus. Erst einen Kirschkern – und dann ihre Plombe. Auch die Anderen begannen in ihren Mündern zu wühlen und Kerne auszuspucken. »Sollte ich tatsächlich vergessen haben, die Kirschen zu entkernen?« grinste ich in mich hinein.

      »Bitte schön lächeln«, rief ich und zückte mein Handy,

Скачать книгу