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den Fremden kaum zu erreichen, doch zumindest rannte er endlich schneller und ersparte sich weiteren Small-Talk. Während die Häuser neben ihnen immer weniger wurde, sank die Zahl ihrer Verfolger kaum. Ellie schien es, als würden immer mehr der grauen Absurditäten aus dem Nichts auftauchen, während die Straßen und Fassaden langsam von schlammigen Pfaden und blanken Felsen abgelöst wurden. Doch sie hatte keine Zeit sich zu freuen, dass sie die triste Stadt hinter sich gelassen zu haben schien. Außerhalb der dunklen Mauern konnte das Licht sich ungestört ausbreiten und die plötzliche Helligkeit schien die Biester langsamer zu machen - aber nicht zu stoppen.»Keine Panik, gleich sind wir da!« Was auch immer da war, sie konnte es nicht sehen und die Lust auf Ratespiele war ihr vergangen.»Wieso auch - « Ruckartig hielt sie inne, stoppte und wäre beinahe vornüber gefallen. Mit weit aufgerissenem Mund starrte sie vor ihre Füße. »Diese Stadt …« Ellie sah den Abgrund vor sich, bröckelnde Felsen, die sich langsam lösten und vor ihr hinab stürzten. In der Ferne konnte sie etwas ausmachen, das an Berggipfel erinnerte und langsam fügten sich die Bruchstücke zusammen. Die Gipfel lagen nicht vor, sondern unter ihr. Unter der Klippe die sich so plötzlich vor ihr offenbart hatte, gab es meilenweit nichts als klare Luft. »Die Stadt fliegt.« Ihr Mund wurde trocken und sie spürte, wie Übelkeit sie übermannte. »WARUM IN DREI TEUFELS NAMEN FLIEGT DIESE STADT!?«»Willkommen in Lacrimosa,« Bevor Ellie ihre Sprache wiederfinden konnte, trat der Blonde beunruhigend nahe an den Abgrund heran. »Erklärungen später, jetzt müssen wir erstmal hier weg. Einfach springen - «»…springen?« Ellie starrte immer noch mit geweiteten Augen den Abgrund hinunter. Hatte er noch alle beisammen? »Bist du nicht ganz dicht?«»Vertrau mir - «»Dir vertrauen? Ich kenne dich nicht mal!«»Aber mich willst du lieber kennen lernen als die hinter uns!« Mit einem Blick zurück musste sie feststellen, dass er Recht hatte. Die Ungetüme kamen immer näher, ihre brennenden Augen strahlten wie dämonische Scheinwerfer durch die Dunkelheit und das Gefühl der Verzweiflung in ihrer Brust stieg mit jedem gleitenden Schritt, den sie taten. »Keine Sorge, ich bin großartig, du wirst es nicht bereuen.« Es war nur ein Traum. Ihr konnte nichts passieren. Einen Lidschlag später packte der Fremde Ellie an der Hand und zerrte sie mit sich in die Tiefe.Divider ImageSie flog. Kein angenehmer, schwebender Flug, wie man ihn sich als Kind vorstellte, wenn man das erste mal Peter Pan las: Ein rasanter, steil sinkender Sturz, der ihr den Atem raubte und ihr Abendessen gefährlich schnell durch ihren Magen rumpeln ließ. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht und Ellie war sicher, einem baldigen Ende entgegen zu blicken. Doch das Unsanfteste war die Landung. Benommen kämpfte sie sich von dem rauen Holzboden hoch, auf dem sie mit lautem Krachen aufgeschlagen war, und versuchte die Splitter zu ignorieren, die ihr überall in die Haut gefahren waren: Von den wahrscheinlichen Prellungen und möglichen gebrochenen Rippen ganz zu schweigen. Sie spürte warmes Blut ihr Knie hinab laufen, doch das Adrenalin zwang sie auf die Beine, ohne auf den Schmerz zu achten. Verwirrt blickte sie sich um, es dauerte eine Weile bis sie erkannte, dass die rauen Holzplanken zu einem kleinen Boot gehörten - das nicht weit unter der fliegenden Stadt durch die Luft schwebte.»Das war etwas unsanfter als geplant, Bel.« Die Stimme des Fremden holte sie zurück in die Gegenwart. Als sie sich nach ihm umdrehte, begann sie endgültig an ihrem Verstand zu zweifeln. Er sprach mit einem leuchtenden Punkt - Einem faustgroßen Orb, der vor ihm in der Luft schwebte. Das Ding leuchtete in mattem Grün und seine ‘Antworten’ beschränkten sich auf inkohärente Brummgeräusche. Im Gegensatz zu Ellie konnte dieser Layan offenbar alles ohne Problem zu verstehen und die beiden schienen drauf und dran in einen Streit auszubrechen - bis sich ein zweiter Orb einmischte. Die nebelblau leuchtende Kugel war etwas kleiner als ihr Kollege und nannte eine glockenhelle Stimme ihr eigen, mit der sie den Blonden rasch zum Schweigen brachte. Ellie indes verfolgte die Unterhaltung mit weit offenem Mund … bis sie die Barriere bemerkte.»Was zur Hölle … ?« Eine durchscheinende, grün schimmernde Membran schwebte nur knapp über ihrem Kopf, umhüllte die Nussschale wie eine Seifenblase und reflektierte das spärliche Licht um sie in bunten Farben. Zögerlich streckte Ellie die Hand danach aus und stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass die Blase solide war. Eine kalte, glatte Oberfläche, die bei jeder Berührung kurz aufblitze. Erst jetzt erinnerte ihr ‘Retter’ sich an ihre Anwesenheit und wandte sich, mit dem breitesten Lächeln, dass sie je gesehen hatte, nach ihr um.»Oh, das hätte ich beinahe vergessen!«»Was? Die Erklärung, was hier eigentlich vor sich geht?« Die schnippische Bemerkung überhörte er geflissentlich.»Ich darf vorstellen, Bel und Rem.« Er deutete auf die beiden Kugeln, die kurzerhand auf Ellie zu flogen, während sie nur verdattert nickte. Wahnsinniger Albtraum.»Wir nennen sie Feen aber ihr bezeichnet sie als Sandmännchen.« Ihr Unglauben musste offensichtlicher sein als gedacht, denn der Junge gab ein verschämtes Lachen von sich. »Sie bringen Träume.« Leuchtende Seifenblasen. Sandmännchen. Das wurde ja immer besser.»Sind wir zumindest die Monster losgeworden?« Ellie kniff die Augen zusammen, doch durch die schimmernde Barriere und das fahle Licht war es schwer, etwas zu erkennen. Am Himmel konnte sie mittlerweile eine Art Sonne ausmachen, doch ihr Licht war schal und die fliegende Stadt von deren Klippe sie eben gesprungen war, konnte sie kaum noch sehen.»Keine Sorge.« Ein siegessicheres Lächeln umspielte Layans Lippen als er das Ruder auf der anderen Seite der Nussschale packte. Wie das Schiff dadurch gesteuert wurde, war ihr ein Rätsel. »Die Schatten unterstehen der Kontrolle des Wandlers. Sie entfernen sich nicht grundlos aus Lacrimosa, hier sind wir also siche - « Das laute Krachen von Backbord war anderer Meinung. Ein kräftiger Aufprall versetzte das Schiff in Schwung und die beiden Feen landeten unsanft auf dem Boden, während der Blonde etwas Unverständliches fluchte und sich nur durch seinen Griff am Ruder aufrecht halten konnte. Ellie hatte inzwischen den Ursprung des Rumpelns bemerkt.»Soviel zu dem Thema!« Panisch versuchte sie in die Mitte des Boots zu gelangen: Eines der Dinger war ihnen gefolgt und krallte sich nun mit seinen Greifer-ähnlichen Klauen an der Barriere fest. Ein weiteres Fluchen von Layan löste ihren Blick von dem Ding um dem seinen zu folgen … großer Fehler. Denn nun sah sie das gute Dutzend silbrig-schwarzer Figuren, die sich ihren Weg zu dem Boot bahnten - fliegend. »Die Greifer haben uns eingeholt!«»Greifer!? Als was siehst du die Schatten - Baukräne?« Wie fand er in dieser Situation noch Zeit, ihr Vorwürfe zu machen?»ENTSCHULDIGE? Als was ich sie sehe? Als ledrige Albträume mit glühend roten Augen, die den sehr bestimmten Eindruck vermitteln, mir die Haut vom Leib reißen zu wollen! Als was, sollte ich sie den sonst sehen!?« Einer eben dieser Albträume streckte gerade seine Klaue nach ihr aus - wurde jedoch zurück gestoßen, als seine vergilbte Haut die grüne Wand berührte. Als Antwort gab er ein zischendes Fauchen von sich und bald versuchten die Monster von allen Seiten, sich einen Weg durch die Barriere zu bahnen.»Keine Ahnung, Spinnen? Ja, ja, die meisten sehen sie als Spinnen.« Ihr verwirrter Blick schien genug Anlass für eine ausführliche Erklärung zu geben, völlig ungeachtet der Verfolger die zunehmend ihre Geduld zu verlieren schienen. »Es sind Alben, Wesen aus den dunkelsten Abgründen. Sie sind jene, vor denen wir Traumtänzer euch beschützen, denn sie rauben euch mit Albträumen das Leben. Sie sind keine physischen Wesen, vielmehr Existenten aus Verzweiflung, die sich in der Angst jener manifestieren, die vor ihnen stehen. Sie lähmen ihre Opfer und ziehen ihre Kraft aus deren Starre.« Ellie musterte den Jungen wortlos. Er hatte eindeutig nicht alle an der Waffel. Andererseits war das hier ein Traum und da konnten schon irrere Dinge passieren. Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken sich einfach aus dem Boot zu stürzen - der Fall würde sie bestimmt aufwecken. Doch als sie über die Reling nach unten blickte, besann sie sich eines besseren.‚Existenzen aus Verzweiflung‘ … Ellie holte tief Luft und blickte zu dem abstoßenden Wesen, das immer wieder mit dem Kopf gegen die Barriere krachte und zwang sich, das Wesen genauer zu mustern. Die Spitzen Ohren und die gebogenen Hände erinnerten sie an etwas … das Bild einer Geschichte blitzte in ihren Gedanken auf. Das Bild eines Märchens, das ihr Vater ihr als Kind so oft erzählt hatte. Die Geschichte der strahlenden Ritterin der Träume, die trotz aller Gefahren die Mächte der Finsternis bezwang, die sich mit glühenden Augen durch die Seelen ihrer Opfer fraßen - Sie glichen jenen Albträumen, die nun vor ihr standen. Und dann war da noch ihr Geruch. Ellie verabscheute Vanille. Die Verzweiflung, der Kummer - die Angst, die diese Wesen in ihr weckten… es waren manifestierte Albträume. Abscheulichkeiten, die sich der Monster ihrer Kindheit bedienten, um sie zu lähmen. Und sie rasten immer noch gegen die Barriere vor ihr.»Gut, das ist eine Sache,« Ihre Stimme fühlte sich viel leiser an, als sonst. »Aber warum verfolgen uns diese verfluchten Dinger?«»Vielleicht mögen sie dein Parfum?«

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