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obgleich die diesem Namen zugrundeliegende historische Konstruktion als irrig erkannt ist. Zum Schönsten dieses sog. Übergangsstils gehört eine von Köln ausgehende, um und nach der Wende des 12. zum 13. Jahrhunderts entstandene Gruppe von Kirchen (Apostelkirche, Groß-S. Martin, S. Quirin in Neuß u. a. m.), die sehr verschieden vom gotischen Gedanken, in freier Weise an antike Nischensysteme anknüpfen. So hat auch Deutschland eine Art Protorenaissance gehabt. – Ein Hauptinteresse des Spätromanismus betrifft die Detailformen. Diese verlieren nun den letzten Rest von dem strengen und wortkargen Wesen der älteren Zeit. Geschmeidige Kraft, Fülle ohne Unruhe, leichter Fluss der ornamentalen Erfindung, schöne Sicherheit des plastischen Ausdrucks und vor allem ein unbeschreibbarer, bis auf den heutigen Tag nicht verflüchtigter poetischer Duft, dies zusammen lässt die Hohenstaufenzeit als die glücklichste in der Geschichte der deutschen Baukunst erscheinen, jedenfalls als die Zeit, in welcher die Begriffe der Vornehmheit und der Volkstümlichkeit in erfreuliche Nähe gerückt waren; vornehm von Geburt und Sitte waren die Bauherren, aus dem Volk kamen und in beneidenswerter Naivität schufen die Künstler. Volkstümlich ist die deutsche Kunst noch einmal, im 15. und frühen 16. Jahrhundert, gewesen, aber nicht mehr vornehm. Und vornehm noch einmal im 18. Jahrhundert, aber nicht mehr volkstümlich.

      Ein bedeutsamer Zug in der künstlerischen Kultur des Jahrhunderts der Staufer ist endlich das Eindringen künstlerischer Absichten in den Wohnbau. Voran gingen die Klöster mit ihren Refektorien, Kapitelsälen und Kreuzgängen. Doch konnte es sich hier nach der Natur der Sache nur um Innenarchitekturen handeln. Heitere und glänzende Repräsentation nach außen kennzeichnet den vornehmen Profanbau. In der Burg waren der Entfaltung dieser Tendenz bestimmte Grenzen gesetzt, doch wird man nicht übersehen dürfen, dass auch die unmittelbar dem Wehrzweck dienenden Teile in der schönen und mächtigen Behandlung der Quadertechnik und der ausdrucksvollen Führung der Silhouetten mit Bewusstsein auf den ästhetischen Eindruck abgestimmt wurden. In den Städten greift der Steinbau um sich. Das Patrizierhaus ist nicht mehr unter allen Umständen Stadtburg, ein neuer Typus mit offenen Fensterreihen und hohen Giebeln, der Anfang zum Bürgerhaus des späten Mittelalters, bahnt sich den Weg. Ja es nehmen sogar in Stadtbefestigungen hier und da die Tore einen Charakter mehr des festlichen Empfanges als der Abwehr an.

      Das mittelalterliche Kultursystem war in die Phase sommerlicher Reife getreten, als ein neuer Stil, der gotische, geboren wurde. Neu ist er freilich nur bedingungsweise zu nennen. Er tritt nicht in Opposition zu den Zielen der bisherigen Entwicklung, es ist vielmehr das Hauptproblem derselben, die Gewölbebasilika, das er mit vollkommeneren Mitteln zu lösen unternimmt. Der Vielheit nationaler und landschaftlicher Varianten, in die der romanische Stil immer mehr sich auseinandergelegt hatte, macht er ein Ende; er siegt als künstlerischer Ausdruck des eben damals kräftig vordringenden Einheitsstrebens im Geistesleben der abendländischen Völker. Obgleich in seinem Ursprung landschaftlich scharf begrenzt, ist er nach seiner Tendenz kosmopolitisch.

      Der gotische Stil nimmt seinen Ausgang vom konstruktiven Gebiet, und zwar von einer bestimmten Einzelfrage. Wie ist die Form des Kreuzgewölbes gemäß den Bedingungen des basilikalen Aufbaus zu verbessern? Zugleich materiell fester und formell biegsamer zu machen? Das vollentwickelte gotische Gebäude ist in seiner Erscheinung unsäglich kompliziert, und doch sind die Grundgedanken einfach und von so geschlossener Fügung, dass sie sich in eine kurze, dreigliedrige Formel zusammenfassen lassen: Konzentration des Gewölbedruckes auf die Eckpunkte mittels selbständig gemauerter Diagonal- und Randbögen; Einführung des Spitzbogens als desjenigen, der den geringsten Seitenschub ergibt und für das Verhältnis von Grundlinie zu Scheitelhöhe freie Wahl gestattet; Widerlagerung durch ein selbständiges Strebesystem. Einzeln waren diese Formen schon alle, auch der Spitzbogen, in der romanischen Baukunst verschiedener französischer Schulen vorgekommen, das Neue liegt in ihrer Verbindung. Daraus entwickeln sich alle übrigen Eigenschaften des Systems mit fast naturgesetzlicher Folgerichtigkeit. Wurden die tragenden Mauern für die Last des Gewölbes nur intermittierend von Punkt zu Punkt in Anspruch genommen und wurde an jedem Punkt der auf ihn wirkende Druck in eine seitliche und eine senkrechte Komponente gespalten, so dass nur noch die letztere in Frage kam, dann konnte auch die Mauer, ähnlich wie schon das Gewölbe, zerlegt werden in aktive und passive Bestandteile, in solche, welche struktive Arbeit leisten und solche, welche lediglich zum Raumabschluss dienen. Die Letzteren sind für die Stabilität des Gebäudes entbehrlich. Sie werden angewendet, nur wo andere Zwecke es erheischen, vor allem an der Decke; dagegen die Wände, welche jetzt nur noch Füllungen zwischen Pfeilern sind, können so vollständig von den Fensteröffnungen absorbiert werden, wie man jeweils für gut befindet. Es war gleichsam eine Ehrenfrage für das System, darin bis an die letzte Grenze zu gehen. Gewiss hätte man sich soweit nicht vorgewagt, hätte nicht eine andere inzwischen ebenfalls vervollkommnete Technik ihre Dienste angeboten: die Glasfabrikation. Das Korrelat zur Auflösung der Steinwände ist ihr Ersatz durch Glaswände. Sie sollen aber nicht bloß vor Wind und Wetter schützen, sie haben auch eine ästhetische Aufgabe. Ein Raum ohne Wände, ohne solche, die das Auge als Raumgrenze empfindet, wäre ästhetisch ein Widerspruch in sich selbst. Es darf also die verglaste Fensteröffnung nicht als ein Leeres erscheinen. So wird sie mit einem Gitterwerk feiner steinerner Stäbe und Bögen ausgestattet, und die Glastafeln werden gefärbt. Damit ist der zerstörte Flächenzusammenhang wiederhergestellt, sind gleichsam Teppiche zwischen den Pfeilern ausgespannt von unerhörter Farbenpracht, durchlässig für das von außen eindringende Licht, eine Schranke für das von innen vordringende Auge des Beschauers. Nichts mehr im Steinwerk ist ruhende Masse (außer den Gewölbekappen), alles Bewegung. Und diese teilt sich dem Raumbild selber mit, das sich nun gewaltig in die Höhe reckt. Neben allem, was unmittelbar im System liegt, sind die Veränderungen in den Proportionen, dann aber auch in der Beleuchtung wesentliche Momente in der Wandlung der Grundstimmung vom Romanischen zum Gotischen. Äußerste Vervielfältigung der Einzelglieder, Steigerung der Höhen, Verringerung der Durchmesser, Schweifung der horizontalen Linien, Verlegung des Gemäldeschmucks in die Fenster und Durchflutung des Raumes mit farbigem Licht; damit ist die Basilika, obschon in den allgemeinsten Bestimmungen unverändert, doch zu einem völlig neuen ästhetischen Charakter umgebildet. Die Gotik ist in den Mitteln, die sie anwendet, ganz Logik, im Gefühlsausdruck ganz Mystik. Kann ein vollkommeneres Symbol der mittelalterlich-kirchlichen Weltanschauung als in dieser Synthese gedacht werden?

      Noch eine andere Seite in der geschichtlichen Stellung des gotischen Stils, die wir hier freilich nur ganz eilig streifen können, verlangt gewürdigt zu werden. Sie bedeutet ein sehr merkwürdiges Kapitel in der Geschichte der menschlichen Arbeit. Wir wissen, wie sehr den nordischen Völkern der Steinbau ursprünglich etwas Fremdes und Mühsames war. Bis zum Jahr 1100 bleibt der Mauerbau schlecht gefugt, die Meißelführung ungelenk. Von dann ab ist der Fortschritt rapid, mit unverkennbarer Überlegenheit der Romanen. Der gotische Stil ist recht eigentlich ein Triumph der Arbeit, und er stellt seinen Sieg über die Materie mit heller Freude ins Licht. Kann man in runder Summe sagen, dass ein gotischer Bau im Vergleich zu einem gleich großen romanischen dreimal weniger Material braucht, so erfordert er das Zehnfache an Arbeit. Der gotische Stil wurde nur möglich durch einen großen Umschwung aller gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Entstehung des gotischen Stils fällt zusammen mit den Anfängen der Geldwirtschaft. An die Energie, mit der die neuen, nach modernem Maßstab noch immer sehr unvollkommenen Hilfsmitteln ausgenutzt wurden, kann nicht ohne größte Bewunderung gedacht werden.

      Der gotische Stil zeigt sich vom romanischen durch einen tieferen Einschnitt nur dort getrennt, wo er als ein fremder eindrang. Im Land seines Ursprungs, in Nordfrankreich, ging er in fließendem Übergang aus den älteren Zuständen hervor. Die Schule der Isle de France war länger als irgendeine andere im Frankenreich dem Wölbungsproblem ausgewichen; frühestens um 1100 hatte sie, in noch rein romanischen Formen, mit ihren ersten Versuchen begonnen, und schon 1140 erstand der Bau, der den Ruhm genießt, der Erstgeborene des gotischen Stils zu sein, die Abteikirche St. Denis. Nebenher hatte auch in mehreren Nachbarschulen der gotische Kerngedanke, d. i. das Kranzrippengewölbe, zu keimen begonnen, in der Normandie, im Anjou, in Nordburgund. Entscheidend war doch, dass die franko-picardische, dank einer eben jetzt einsetzenden, ungemein regsamen Bautätigkeit, sich an die Spitze stellen konnte. Überall sonst war eine gewisse Sättigung eingetreten durch die großartigen Leistungen der ersten Hälfte des Jahrhunderts: hier im Norden war noch alles nachzuholen. Die Erfahrungen der älteren Schulen hatte man zur Verfügung, man hatte frische

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