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Pyria. Elin Bedelis
Читать онлайн.Название Pyria
Год выпуска 0
isbn 9783754940136
Автор произведения Elin Bedelis
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Erst wenn du wieder bei Verstand bist«, antwortete der Magier und sie fühlte sich unangenehm gemustert. Manchmal konnten Blicke penetrant wie eine tatsächliche Berührung sein. Dies war ein solcher Moment. Selbst Vicas trauerschweres Gemüt erkannte, dass ein nicht ganz unberechtigter befremdeter Blick auf ihr lag.
»Ich bin bei Verstand«, stellte sie klar und klaubte endlich genug Fassung zusammen, um zumindest zu einer natürlichen Stimmlage zurückzukehren. »Was kümmert es dich, wenn ich es kaputt mache? Spítha war dir doch ohnehin egal!« Endlich schaffte sie es, einen bissigen weniger weinerlichen Tonfall zustande zu bringen.
»Vica, dein toller Freund hat uns alle fast getötet und nicht nur mich nachhaltig verletzt. Du erwartest doch nicht ernsthaft von mir, dass ich Freundschaft mit sowas schließe.« Erstaunlich ruhig blieb der Magier. Vielleicht war er gezwungen, sich mehr zusammenzureißen, seit ihnen allen Gwyn als Puffer fehlte. Zuvor hatte man sich darauf verlassen können, dass der Gaukler Streit in der Gruppe zuverlässig abfing oder minderte. Scheinbar hatte sich der Griesgram davon beeindrucken lassen, sodass er sich nun nicht mehr so bescheuert verhalten konnte wie zuvor.
»Ihr habt ihm Angst gemacht.« Sacht strich Vica über die kalte Schuppenhaut. Die Erinnerung an den chaotischen Kampf in der Drachenhöhle war präsent und sie hatte auch den Seitenhieb verstanden, weil M in Kauf genommen hatte, von dem damals gigantischen Spítha gebissen zu werden, anstatt sie seinen Zähnen zu überlassen.
»Gwyn hat sich nur bewegt!«, knurrte Mico und sie konnte sich bildlich vorstellen, wie er die Arme verschränkte.
»Erstens hat er nicht verstanden was ihr von ihm wolltet und zweitens hat er sehr schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht«, verteidigte sie ihren Freund. »Er konnte doch nicht sehen, dass er nicht nach einer Waffe gegriffen hat.« Es war schon schlimm genug, dass sie nicht gewusst hatte, dass Drachen ein Reserveherz hatten. Sie musste sich nicht noch weiter belehren lassen.
Ihr Gegenüber schnaubte. Natürlich verstand er das nicht, obwohl sie sich gut vorstellen konnte, dass Mico an Spíthas Stelle nicht anders gehandelt hätte. »Jedenfalls«, beendete er das Thema, »sind Drachen mächtige magische Wesen. Wenn ich nicht zerfleischt werde, habe ich nichts gegen sie einzuwenden, und anhand der Größe dieses Eis ist wohl davon auszugehen, dass der Nachkomme mitgeschrumpft ist. Es wäre Frevel, es zu zerstören.« Vielleicht klang gar etwas Bewunderung in der Stimme des Magiers mit. Manchmal vergaß Vica, dass er vielleicht doch eine ganze Menge über Magie wusste und trotz seines abstoßenden Charakters ein echter Magier war.
»Du hättest einfach Spítha retten können.« Fast drängten sich wieder Tränen auf, als sie darüber nachdachte, wie alle ihn im Stich gelassen hatten.
»Er war nicht mehr zu retten! Das zweite Herz kann das erste nicht ersetzen«, erklärte er mit einem genervten Seufzen, als sei das Allgemeinwissen, das jeder haben musste.
»Und du bist jetzt Drachenexperte, oder was?« Sie wollte nicht zugeben, dass sie keine Vorstellung davon hatte, warum ein Drache ausgerechnet zwei Herzen hatte. Warum nicht zwei Lungen oder zwei Leben generell? Und was sollte ein zweites Herz, mit dem man nicht leben konnte? Warum hatte er nicht einfach eine starke Selbstheilung?
Mico stöhnte ein zweites Mal und sie spürte, wie das Bett wippte, als er sich setzte. Sah er sie an oder betrachtete er das Ei oder gar Spítha? »Drachenherzen haben einzigartige und unersetzliche magische Eigenschaften. Wird ihnen das erste gestohlen oder durchstochen, sind sie dem Tode geweiht. Sie haben aber noch ein zweites Organ, das das Herz für kurze Zeit ersetzen kann, bis sie es schaffen, ein Ei zu legen, um den Fortbestand der wenigen existierenden Drachen zu sichern.«
Vicas Kiefer malmte und sie verdrückte schon wieder eine Träne, als sie daran dachte, wie Spítha sein Herz verloren hatte. Sie war immer davon ausgegangen, dass Spítha ein Männchen war, aber vielleicht gab es bei Drachen keine zwei Geschlechter. Micos Erklärung klang eher, als wäre sie für Drachen im Allgemeinen gültig. »Was soll die Nachhilfe?«, knurrte sie. Die Blinde ärgerte sich, dass sie nichts davon gewusst hatte. Normalerweise wusste sie mehr über die Tierwelt als alle anderen, aber nur, weil sie eine tiefe Verbundenheit mit den Tieren hatte. Wenn es um Magie oder Bildung ging, hatte sie kaum Wissen oder Erfahrungen.
»Damit du verstehst, dass es wichtig ist, dass ich sein Herz an mich nehme.« Sie schlug ihn so schnell, dass er keine Chance hatte, ihr auszuweichen. Laut schallte die Ohrfeige durch den Raum und sie hoffte, dass sie die Narbe, die Spíthas Kralle hinterlassen hatte, getroffen hatte.
Mico zischte einen äußerst rüden Fluch und stand auf, um sich aus ihrer Reichweite zu bringen. »Es ist nicht so, als würde es ihn stören!« Ärgerlich murmelte er eine weitere Verwünschung.
»Du legst keinen Finger an ihn.« Wieder drückte Vica den toten Drachen an ihre Brust. Das kam überhaupt nicht in Frage! Spítha würde nicht als Zutat für einen bescheuerten Magier herhalten. Magie, die über die Organe eines anderen Lebewesens wirkte, konnte ohnehin nichts Gutes bedeuten.
»Es könnte uns allen den Arsch retten! Was kümmert es dich, ob du ihn mit oder ohne Herz begräbst?« Völliges Unverständnis schlug ihr von ihm entgegen und sie hätte ihn am liebsten noch einmal geschlagen, hätte er nicht so weit außerhalb ihrer Reichweite gestanden.
»Es kümmert mich, weil du ihm erst nicht hilfst und ihn dann für deine dreckigen Spielchen missbrauchen willst«, fauchte sie ihn an und spürte Ekel in sich aufwallen. Was für Menschen waren nur um sie herum?
»Nichts daran ist dreckig! Es ist göttergegebene Kraft, im Gegensatz zu deiner heidnischen Absonderlichkeit!« Schnaubend plusterte er sich weiter auf. Er glaubte doch tatsächlich, dass seine Magie wertvoller sei als ihre. Sie hatte fast vergessen, wie unausstehlich arrogant er war.
»Immerhin konnte ich mit meiner Absonderlichkeit dein beschissenes Leben retten, ohne einem unschuldigen Wesen das Herz rauszureißen«, schrie sie ihm entgegen. Sie hatte ihn zwar in Om’falo nicht direkt gerettet, aber ohne ihre Karten wäre er im Kerker oder am Galgen geendet.
»Unschuldig?!« Sarkastisch lachte er auf. »Ja, geradezu harmlos!« Vermutlich deutete er auf sein entstelltes Gesicht. Das hatte er definitiv mit jeder Minute mehr verdient. »Er ist schon tot, Vica!« Ärgerlich fuhr auch er sie an.
»Wenn du jetzt nicht aufhörst, sein Herz zu verlangen, jage ich dir eine giftige Schlange auf den Hals!« Es war die beste Drohung, die ihr einfiel. Aktuell war sie sich nicht sicher, ob sie ihn im direkten Kampf hätte besiegen können. »Gib mir das Ei und verschwinde!«
Mico machte ein spöttisches Geräusch. »So viel zu dreckiger Magie«, murmelte er. Laut sagte er: »Kein Herz, kein Ei. Das taugt im Notfall sicher auch.« Dann ging er und Vica explodierte. Was nahm er sich heraus? Dieses Ei stand ihr zu und sie würde es nicht seinen dreckigen Fingern überlassen.
Wütend stürmte sie ihm hinterher. Sie fand sogar auf Anhieb ihren Stock auf dem Boden. Der Ärger schärfte ihre Sinne wieder genug, um sich zurechtzufinden. Spítha ließ sie auf dem Bett liegen und rannte dem Magier hinterher. »Mico«, schrie sie und lauschte auf seine Schritte. »Das wirst du bereuen!« Das erste Tier, das ihr über den Weg lief, war ein kleiner Gecko. Ohne zu zögern, packte sie ihn, setzte ihn auf ihre Schulter und nutzte seine Augen, um Mico auszumachen, der geradezu vorsichtig auf den Wald zuhielt. Was auch immer er da wollte.
Hastig rannte sie ihm nach. Sie würde ihm den Schädel spalten, wenn sie musste. Dieses Ei gehörte ihr und nichts in der Welt konnte sie dazu bringen, davon abzulassen. Der Magier kümmerte sich nicht weiter darum und sie musste rennen. Das Dorf blieb schon nach wenigen Schritten hinter ihr und sie musste sich durch den Wald schlagen. Es forderte zu viel von ihrer Konzentration, um die Verbindung mit dem Gecko zu halten. Verstört und hektisch huschte das kleine Reptil von ihrer Schulter und verschwand im Wald. Es war egal. Sie hatte ihn gefunden. Hier im Wald reichte das Rascheln seiner Schritte im Unterholz, um ihn anzugreifen. Gerade als sie ihm einen kräftigen Schlag überziehen wollte, blieb er stehen. »Nicht!«
Sie erstarrte. Ja, sie hatte es auch gehört. Jetzt verstand sie auch, weshalb er in den Wald gegangen war: Er hatte etwas Verdächtiges gesehen