Скачать книгу

und das zehn Mal. Ich komme auf 500, oder?“

      Melanie rechnete nach. „Ja, glaub auch.“

      „Also, dann wäre da noch ein Bett frei bei Emma im Zimmer. Sie hat bestimmt nichts dagegen.“

      In dem Moment ging die Tür auf und ein hübsches Mädchen kam herein. Melanie nahm an, dass sie eine Schülerin hier war und musterte sie neugierig. Sie hatte einen goldblonden, dicken Zopf, der über ihre rechte Schulter fiel, und schöne, graue Augen. Sie war etwa in Melanies Alter und ein bisschen kleiner. Als sie Daniel sah, lächelte sie ihm freundlich zu, dann blieb ihr Blick am Neuankömmling hängen.

      Sofort wurde Melanie nervös und fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar.

      „Ähm, sorry, ich wollte bloß so einen Koffer holen.“ Das Mädchen musterte Melanie neugierig, machte jedoch keine Anstalten, einen Koffer zu nehmen. Melanie fiel auf, dass es sich ausgesprochen leise bewegte.

      „Äh, das ist Melanie“, stellte Daniel die beiden vor. „Und das Emma.“

      Besagte Emma kam zu ihnen herüber. „Hi. Bist du neu? Ich hab dich noch nie gesehen.“

      „Ja, also … Ich bin erst gerade jetzt hierhergekommen“, stotterte sie herum, nicht sicher, was sie antworten sollte.

      „Sie hat gerade beschlossen, dass sie hierbleiben will. Ich dachte, dass bei dir noch ein Bett frei ist ...?“

      Emma lächelte erfreut, ihre Augen leuchteten. „Klar, du kannst zu mir kommen!“

      Erleichtert, dass sie so schnell ein Zimmer bekommen hatte, erwiderte Melanie das Lächeln und stand auf. „Dann ... hol ich meine Sachen und komme wieder.“ Es fühlte sich komisch an, eine so große Entscheidung in ihrem Leben zu treffen, aber plötzlich freute sich Melanie darüber.

      Daniel erhob sich. „Ich komme mit.“

      Emma machte Anstalten, aus der Krankenstation zu verschwinden. „Ich geh mal John benachrichtigen.“ Dabei vergaß sie den Erste-HilfeKoffer und eilte schon aus der Tür.

      Melanie wollte ihr hinterherrufen, doch bevor sie den Mund öffnete, hatte Daniel einen Koffer gepackt und joggte ihr hinterher. „Emma! Du hast den Koffer vergessen, mi amor.“ Er blieb direkt hinter ihr stehen.

      „Oh.“ Emma drehte sich um und schlug sich gegen die Stirn. „Wie blöd, danke.“ Sie nahm ihm den Koffer ab, murmelte Daniel etwas zu und war dann gänzlich verschwunden.

       Mi amor?

      Melanie verdrängte das Eifersuchtsgefühl, das sie verspürte, als sie daraus schloss, dass Emma Daniels Freundin war. Es musste ja nicht gleich jeder Junge in ihrem Umfeld single sein!

      „Was soll ich denn eigentlich mitnehmen?“, fragte Melanie Daniel, als sie gemeinsam durch den Wald zurückgingen.

      „Ein paar Kleider, wichtige Dinge, aber keine Schulbücher oder so.“ Daniel grinste.

      „Okay.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und wagte die Frage. „Wieso ist denn bei deiner Freundin ein Bett frei?“

      Daniel schaute sie zutiefst irritiert an. „Welche Freundin?“ „Emma“, antwortete Melanie verunsichert. Daniel lachte. „Emma ist doch nicht meine Freundin!“ Melanie runzelte die Stirn.

      „Wie kommst du denn darauf?“, wollte Daniel belustigt wissen.

      „Äh ...“ Sie fuhr sich nervös durchs Haar. „Du hast sie mi amor genannt ...“

      Daniel begann schon wieder zu lachen. „Oh, nein! Dann hätte ich aber viele Freundinnen.“ Verlegen rieb er sich die Stirn. „Auf Spanisch sagt man das viel offener, das darfst du nicht wörtlich nehmen. Ist sowas wie ein Kosename.“

      „Ach so.“ Jetzt musste Melanie auch lachen. Aus irgendeinem Grund freute es sie, dass Emma und Daniel nicht zusammen waren, obwohl sie nicht auf der Suche nach einem Freund war.

      Der Verband an ihrem Arm drückte beim Gehen leicht, aber erleichtert stellte Melanie nun fest, dass die Wunde kaum noch wehtat. Eine Weile lang schwiegen sie.

      „Hier links“, sagte Daniel plötzlich.

      Erst jetzt fiel Melanie auf, dass sie bereits den Wald durchquert hatten und auf das kaputte Haus zugingen, durch das sie vorhin ins Land der Nacht gekommen waren. Zum Glück war Daniel mitgekommen, denn Melanie hätte den Weg nie und nimmer alleine gefunden.

      „Ist das so ‘ne Art Tarnung?“, fragte Melanie, die hinter Daniel auf das zerbrochene Fenster zusteuerte.

      Daniel nickte. „Für normale Menschen sieht es hier so abscheulich aus, dass sie gar nicht reinkommen wollen. Spätestens beim Garten jedoch kehren die Mutigsten um, weil sie den Wald gar nicht sehen.“

      „Cool“, murmelte Melanie. Es würden bestimmt noch viele Überraschungen im Land der Nacht auf sie warten.

      Wieder half ihr Daniel durch das Fenster, obwohl sie protestieren wollte. Aber er hielt sie trotzdem fest und schlussendlich war sie dennoch dankbar, da ihre verletzte Schulter ihr Gewicht nicht tragen wollte. Als sie in der zwielichtigen Gasse standen, übernahm Melanie die Führung. Sie spazierten ohne große Eile die Gasse entlang bis zur Querstraße, wo sie rechts abbogen.

      „Bist du oft in dieser Gegend?“, fragte Daniel und nickte zu der Gasse, die sie gerade verlassen hatten.

      Melanie zögerte. „Manchmal“, wich sie aus. Sie mochte keine privaten Fragen.

      „Und warum kannst du so gut kämpfen?“, wollte er wissen.

      Die Frage war Melanie nun doch etwas zu persönlich. Sie spielte mit ihrer pinken Haarsträhne herum. „Nachdem ich ...“ Sie brach ab. Auf keinen Fall würde sie ihm jetzt erklären, dass sie nach einem bestimmten Ereignis im Alter von dreizehn Jahren mit dem Kämpfen angefangen hatte. „Nachdem ich dreizehn wurde, habe ich mich bei Selbstverteidigungskursen angemeldet. Und wenn irgendwo eine Prügelei losgeht, was hier nicht selten vorkommt, mische ich mich eben ein. Ich seh‘ nicht gern zu, wie andere verprügelt werden“, meinte sie und fügte rasch hinzu: „Mit einmischen meine ich, dass ich sie davon abhalte, sich die Köpfe einzuschlagen. Nicht, dass ich mich ins Getümmel werfe.“

      „Cool, das machen nicht alle.“ Daniel blickte sie von der Seite her an.

      Melanie errötete. „Hier entlang.“ Sie zog ihn nach rechts in eine

      Seitengasse, um von sich abzulenken. „Wie alt warst du, als du ins Land der Nacht gegangen bist?“, fragte sie Daniel und drehte somit den Spieß um.

      Er überlegte. „13 Jahre, ungefähr.“

      Melanie versuchte, sich Daniel als 13-Jährigen vorzustellen – erfolglos, dazu war er zu groß.

      Bevor sie ihn zu einer Antwort bewegen konnte, die mehr als zwei Wörter umfasste, sprach er von alleine weiter. „Meine Gabe habe ich entdeckt, als ich quasi in eine See ertrunken bin, bis ich gemerkt habe, dass ich unter Wasser atmen kann. Beim nächsten Vollmond hat mich Emma in die Nähe eines Eingangs gefunden und mit ins Land der Nacht genommen. Meinen … Eltern hab ich das Ganze ein wenig abgewandelt erzählt. Sie stehen nicht so auf das Mystische.“ Er warf ihr einen Blick zu. „Seitdem sind Emma und ich Freunde. Aber so wie Geschwister“, fügte er nachdrücklich hinzu und Melanie lachte verlegen.

      „Schon kapiert. Du kannst unter Wasser atmen?“

      „Ja, ziemlich cool im Meer.“ Er grinste sie schräg an.

      „Glaub ich dir.“ Sie zog es vor, nicht zu erwähnen, dass sie so gut schwimmen konnte wie eine Hauskatze. „Ihr habt einen Strand?“ „Ja, ich kann ihn dir mal zeigen“, antwortete Daniel.

       Oh nein, der Schuss ging total hinten los.

      „Wir müssen abbiegen. Hier rechts. Dauert nicht mehr lange“, sagte sie, anstatt eine Antwort auf sein Angebot zu geben, und wich seinem Blick aus. „Woher kommst du denn? Also,

Скачать книгу