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alle Zwerge umbringen wollten. Seine Königin hatte recht behalten, sie müssten sich gegen die Menschen erheben, oder sie würden warten, bis der Tod sie alle ergriff.

      Tibur lachte laut auf. Er war in seinen Gedanken weitergelaufen. „Sie würden mich sogar als Held feiern“, meinte er und lachte müde auf, als er es sich vorstellte.

      „Sie?“, fragte der Zwerg angewidert. Gab es denn ganze Gruppen von Verrätern unter diesen Menschen? Und schlimmer noch – waren sie auch noch stolz darauf?

      „Sie?“, wiederholte Tibur, da ihm die Frage von Neuem seltsam vorkam. „Alle die nicht irgendwie im Sold des Königs stehen“, erklärte der Mann, als könnte er nicht begreifen, wie einer das nicht wissen konnte.

      Der Gefangene verfiel dem Schattenspiel der Öllampen. War denn alles falsch, was er zu wissen glaubte?

      „Wollt ihr denn keinen Krieg? Mit den Zwergen meine ich?“ Der Zwerg fürchtete sich vor seinen eigenen Worten.

      „Krieg? Den haben wir so schon genug. Dafür brauchen wir die Zwerge nicht.“

      „Aber, wenn die Zwerge euch nun angreifen? Würdet ihr sie töten?“, wagte es Almar nach einer Weile die Stille zu stören.

      Langsam begann der Mensch den Zwerg für verrückt zu halten. Was der sich alles einfallen ließ. „Glaubst du etwa, wir würden nicht unser Leben verteidigen?“

      „Und wenn wir euren König töten?“, verfeinerte der Gefesselte seine Frage.

      „Wenn du es bloß versuchst, so werde ich dich mit meinem Leben beschützen. Auch wenn das nicht viel wert ist.“ Er lachte, als würde er Gefallen an dieser Vorstellung finden. „Aber du müsstest das ganze System stürzen.“

      Schwere Gedanken belasteten den Zwerg und das anfänglich steinerne Gesicht zeigte deutlich die Spuren seiner Sorgen.

      „Und die anderen? Euer Volk?“

      Der Mann sah auf und lachte dem Zwerg zu. Das erste Mal trug dieses Lachen deutliche Spuren von Freude. „Du würdest zahlreiche Verbündete finden. Nur traut sich keiner mehr gegen seine Handlanger aufzubegehren. Er hat zu viele, die von seiner Herrschaft profitieren, zumindest hier in der Hauptstadt und in den anderen Städten sieht es wohl ähnlich aus. Aber ich wüsste nicht, was die anderen Reiche dann täten. Aber vor allem wären deine Verbündeten ebenso nutzlos wie ich, da sie den Umgang mit Waffen nicht gewohnt sind.“

      Schweigen. Einzig die Flammen der Öllampen bewegte sich noch, und mit ihr tanzten die Schatten wie ein dünner Schleier, der niemanden warmhalten konnte.

      „Und was...“, der Zwerg hielt inne, da er Angst bekam es auszusprechen. Auf einmal spürte er Hoffnung und er fürchtete den Moment, da sie ihn verlassen würde. Er wusste nur zu gut, dass dieses Gefühl nicht lange währen konnte. „Was, wenn ich dich fragen würde, ob du mich hier herauslässt?“, wagte er es dann doch.

      Der Mann schaute den Zwerg verwundert an, zuckte dann aber mit den Schultern.

      „Warum nicht, aber ich habe keinen Schlüssel.“

      Der Zwerg schluckte kräftig, weil er es für unmöglich gehalten hatte, dass dieser Fremde ihn befreien würde. Doch dann verzerrte Almar sein Gesicht zu einem frechen Grinsen. „Du glaubst doch nicht, dass man einen Zwerg in einem Gefängnis aus Stein halten kann, wenn ein Meißel im gleichen Raum ist.“

      Tibur betrachtete verblüfft sein Werkzeug und es schien als würde ihm nun erst bewusst, zu was dieses auch genutzt werden konnte und so erwiderte er das Grinsen. „Du hast recht. Was bin ich doch ein Narr“, lachte er über seine Dummheit. „Warte ich werde dich gleich von deinen Fesseln befreien.“

      Ungläubig starrte Almar zu dem Menschen hoch, da dieser aufstand und zu ihm kam.

      Bereits Augenblicke später ertönten helle Schläge von Metall auf Metall und die spröden Ketten zersprangen wie Glas. Die ledernen Riemen und die übertrieben zahlreichen Schnüre, die sich in das Fleisch des Zwerges gebissen hatten, waren bald schon von dem steif gewordenen Zwerg entfernt.

      Als die letzte Fessel von seinen Fußgelenken gefallen war, stand Almar auf und rieb sich alle schmerzenden Gelenke und blickte ein jedes verwundert an, als könnte er nicht fassen, was eben geschehen war. Er war von einem Menschen befreit worden. Er wusste nicht, ob er sich deshalb schämen oder freuen sollte. Doch als er hoch in Tiburs Gesicht sah, konnte er nicht anders, als sich zu freuen und bedankte sich mit einer kräftigen Umarmung. Obwohl der Zwerg kaum bis an die Brust des Mannes reichte, wäre Tibur beinahe unter der herzhaften Berührung gestürzt.

      „Der Höflichkeit halber will ich dir mich richtig vorstellen. Mein Name ist – wie du sicher gehört hattest – Almar.“ Der Zwerg reichte dem Mann seine Hand. „Und dein Name ist wohl Tibur“, meinte er, als er keine Reaktion erkennen konnte.

      Verblüfft von der Schnelligkeit seines Handels, blieb Tibur motivationslos stehen. Der Zwerg dagegen wurde zunehmend lebhafter und nachdem er den teilnahmslosen Menschen – mit seiner üblichen Verwirrung, was diesen Mann betraf – angesehen hatte, nahm er diesem den Meißel und den kleinen Hammer aus der schlaffen Hand und begab sich mit seinem neu erwachten Tatendrang an die Arbeit.

      Doch es währte nicht lange und Tibur kam zu sich. Es gab noch Einiges zu tun, bis sie hier heraus waren. Denn die Wände waren dick und die Steine hart. Mit dieser Überzeugung ging er zu seinem schweren ledernen Gürtel neben der Statur und suchte nach einem größeren Meißel und passendem Hammer.

      Mit beidem in Händen, eilte er mit verschwörerischen, schleich­enden Schritten zu dem auf der Erde hockenden Zwerg. Seltsam war wieder das Gefühl, diese Angst vor jedem Lärm, den er verursachte, die ihn ergriff und beinahe lähmte. Er war nicht weit davon entfernt den Atem anzuhalten, bei all der Spannung, die ihn ergriff.

      Doch er bereute nichts von dem, was er getan hatte und reichte dem Zwerg seinen um einiges größeren Meißel. Der Zwerg aber lehnte ihn mit einem belustigten Lächeln ab.

      „Danke, dieser reicht mir völlig.“

      Tibur konnte das nicht verstehen und schaute dem Zwerg mit ungläubiger Miene über die Schulter.

      Almar fuhr bedächtig mit seiner Hand über einen mächtigen Stein, in dem eine der zahlreichen Scharniere eingelassen war. An einigen Stellen klopfte er mit dem im Vergleich zum Stein recht zierlich wirkenden Hammer gegen die Wand, horchte und fühlte, wie der Stein ihm antwortete. Mit zufriedener Miene sah er zu dem ratlosen Menschen auf und schenkte ihm ein verschwörerisches Lächeln.

      „Schau mein Freund. Es ist nicht Kraft, die den Stein formt.“

      Mit diesen Worten wandte er sich dem in der Wand eingebetteten Stein zu. Den Meißel legte er sorgfältig an den Stein, führte den Hammer testweise zum Meißel hin und schlug einmal kräftig dagegen. Der Schlag war kaum zu hören, denn der Lärm wurde von sich spaltendem Stein übertönt.

      Tibur zweifelte an seinen Augen. Selbst nach mehrfachem Reiben der Augen war das Bild, das sie ihm zeigten, das gleiche. Der eine mächtige Stein, auf den er unzählige Male mit seinem großen Hammer hätte einschlagen müssen, lag – nach nur einem Schlag – gespalten in der Wand.

      Es dauerte keine Minute und der Zwerg hatte den Stein soweit zerkleinert, dass er ihn in handlichen Größen aus der Wand lösen konnte.

      Sein Leben lang hatte der Steinmetz nichts anderes versucht als diesem harten Material seinen Willen aufzuzwingen und nun musste er mit ansehen, wie ein Soldat ihn vorführte, wie ein kleines Kind. Doch er war ihm nicht böse, im Gegenteil, er konnte seinen Blick nicht von den kleinen dicken und doch erstaunlich feinfühligen Fingern des Zwerges abwenden. Stein um Stein fiel dessen sorgsam ausgewählten Schlägen zum Opfer und trennte sich aus der Wand, die immer zaghafter das Tor festhielt.

      Die eisernen Gitterstäbe entspannten sich, als sich die eine Seite nach außen ziehen wollte. Nun, da sich die feste Verbindung mit der Wand löste, zerrten die Lasten der Steine nicht mehr an der Tür, die über zwei Jahrhunderte den Versetzungen hatte nachgeben müssen. Nun war sie frei, genauso wie jene es waren, die sie

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