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sich Reserven anzulegen. Der Wind hatte gedreht und in den nächsten Tagen würde wohl Regen zu ihrem treuen Begleiter werden.

      Brontes wich nie weit von Asylma und versuchte sie auf Trapp zu halten, damit sie nicht viel Zeit zum Nachdenken hatte.

      „Wir könnten aufbrechen, doch in einer Stunde wird es bereits dunkel werden“, meinte Legarus als sie alles zusammengetragen hatten. „Aber weit werden wir nicht kommen, also sollten wir die Nacht noch in der Hütte verbringen.“

      „Ich denke, eine solche Gelegenheit werden wir nicht noch oft haben“, bekräftigte Brontes Legarus' Aussage.

      „Es gibt vielerorts solcher Verstecke, aber sie werden von Abtrünnigen und Wilderen genutzt und ich möchte unser Glück nicht zu sehr herausfordern. Für den Moment sollten wir unbemerkt bleiben, auch wenn die wenigsten uns etwas tun würden – aber sie würden reden.“

      Asylma äußerte sich nicht, ließ sich nur vor dem kalten Kamin auf ein Stück Holz fallen auf der ihre Decke lag.

      Legarus und Brontes wechselten einen nachdenklichen Blick. Schließlich nickte der Schmied.

      „Asylma, komm, wir gehen nach draußen.“

      Das Mädchen gehorchte willenlos und stand auf. Brontes ging in den Wald hinein und suchte nach einem passenden Ast, während Asylma im folgte.

      „Dieser junge Baum sollte passen“, meinte Brontes zufrieden und tatenfreudig. Mit einer kleinen Axt bearbeitete er den jungen Stamm und ließ Asylma ihn dann von Seitentrieben säubern und auf ihre Körperlänge kürzen.

      „Hier ist noch einer“, gab Brontes kund, als er einen weiteren passenden Stamm ausfindet gemacht hatte.

      Asylma blieb zitternd stehen und ließ die Axt fallen. Ihr wurde bewusst, was der Schmied vorhatte.

      „Was ist los“, wollte Brontes erstaunt wissen, als er sah wie Asylmas Gesicht alle Farbe verlor. „Du brauchst keine Angst haben.“

      Asylmas Lippen zitterten nur, und sie blieb wie leblos stehen. Plötzlich rannen erneut Tränen hervor.

      „Es ist nicht das erste Mal, dass du trainierst?“

      Asylma schüttelte den Kopf und ließ den Blick sinken.

      „Dein Vater war auch ein Söldner?“

      Asylma antwortete nicht.

      „Er hat es dir beigebracht?“

      Ein schwaches Nicken war zu erkennen. „Er“, begann sie und verlor die Stimme. „Er kam eben erst zurück um auf dem Feld zu...“ Ihre Stimme versagte nun vollständig.

      „Vertrau mir, es wird dir gut tun, wenn du deine Wut aus dir lassen kannst.“ Er nahm ihr die Axt ab und stellte den zweiten Stab fertig. Asylma blieb stehen und versuchte erfolglos ihre Gefühle zu ordnen.

      Der Schmied stellte sich vor Asylma und forderte sie auf, Stellung einzunehmen. Sie bewegte sich, als wäre ihr Körper derjenige eines Fremden. Mehrmals schlug Brontes ihr mit dem ersten Hieb den Stab aus der Hand, bevor sie endlich beherzter zugriff. Tränen trübten ihr die Sicht, doch nach einer Weile kam ihre Wut hervor und schenkte ihren Schlägen mehr Kraft.

      Die Verfolger

      Der Boden unter ihnen wurde steiniger und die letzten großen Waldflächen lagen bereits hinter ihnen. Größere Städte suchte man hier auch vergebens und es wirkte eher wie ein vergessenes Stückchen Land. Über weite Strecken zogen sich lange Weiden, und von Zeit zu Zeit sahen sie in der Ferne eine Ansammlung von ein paar Bauernhöfe, wo einige wenige versuchten dem kargen Boden etwas abzutrotzen.

      Sie konnten es nicht überall vermeiden, gesehen zu werden, denn abseits der Wege zu reiten, würde nur noch mehr Aufsehen erregen. Beängstigend viele Soldaten zeigten Präsenz, und es war nicht immer ersichtlich, in welcher Mission sie unterwegs waren. Gleich zweimal in der vergangenen Woche mussten sie Reißaus nehmen, und sie konnten ihre Verfolger nur mit Mühe abschütteln. Es war offensichtlich, dass sie nach drei Reitern Ausschau hielten, doch trennen wollten sie sich auf keinen Fall. Und so blieb ihnen nur die Flucht nach vorne. Sie verlangten sich und den Rössern alles ab, mit dem Wissen, dass noch eine lange Reise vor ihnen lag.

      Nach einigen Tagen mit frühlingshaft schönes Wetter waren über Nacht erneut dunkle Wolken aufgezogen. Gegen Mittag brachen sie auf und die Luft kühlte sich rasch ab, während die fleißigen Bienen, die die ersten aufblühenden Mondviolen und Veilchen bestäubten, das Weite suchten. Sie hatten früh aufgesattelt, doch auch jetzt saßen sie nicht ab, sondern trieben ihre Pferde zur Eile an. Sie mussten den Vorsprung ausbauen. Die Reise war beschwerlich, der kalte Regen durchnässte ihre Kleider und das Wasser lief nur so an Reiter und Tier herunter. Doch zumindest würde der Regen helfen ihre Spuren zu tilgen.

      Asylma und Brontes sprachen viel miteinander, während Legarus schweigend nebenher ritt. Der Schleier, der ihn seit ewigen Zeiten umgab, spann weiterhin seine sich windenden Fäden, die jene vergessenen Geheimnisse festhielten, die ihn zu einem verfolgten Jäger machten.

      Brontes und Asylma tat es allerdings gut, jemanden gefunden zu haben, mit dem sie belanglos reden konnten. Brontes entpuppte sich als großartiger Erzähler. Er kannte Geschichten, Legenden und Mythen und ebenso wusste er viel über Pflanzen und Tiere. Er war aber verwundert, wie viel auch Asylma bereits wusste. Doch ein Grund dafür lernte Brontes nach und nach kennen. Asylma ließ sich schnell für alles begeistern, was sie noch nicht wusste. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, hinterfragte sie was Brontes und manchmal auch Legarus ihr erzählte. Dabei schöpfte sie aus einer schier unerschöpflichen Quelle neue Fragen, mit denen sie ihren Horizont erweitern wollte. Brontes ließ es sich nicht nehmen, den Wissensdurst mit ausschweifenden Erklärungen zu stillen. Dabei überraschte der Handwerker seine Gefährten mit einer unglaublichen Wortgewandtheit. Auch vermochte er Wahrheit und Legende so unzertrennlich mitein­ander zu verweben, dass sie nahtlos ineinander übergingen. So verging Kilometer für Kilometer, Tag für Tag, während sie allmählich in höhere Gebiete ritten und die Weiden immer mehr Felsen und trockenen Gebüschen weichen mussten. Das Wetter klarte glücklicherweise zusehends auf und es gab nur noch kurze Schauer. Die weite hellgrüne Ebene wechselte in ein spärlich bewaldetes Hochplateau, um schließlich in einer fruchtlosen steinigen Landschaft zu enden.

      Nun waren es auch nicht mehr unzählige umhersurrende Insekten, sondern vereinzelte Adler, die den Himmel für sich beanspruchten und stolz ihre Kreise enger zogen, um dann mit tödlicher Präzision ahnungslose Mäuse zu fangen.

      „Schau“, meldete sich Brontes zu Wort und zeigte auf einen dunklen Punkt unter der noch steigenden Mittagssonne. Es war ein kleiner unbedeutender Punkt am Himmel. Langsam wuchs er, während er auf sie zuflog. Er war beinahe über ihnen, bevor sie die Konturen eines mächtigen Steinadlers erkannten.

      Obwohl in großer Höhe seine Umrisse neben den letzten Wolkenresten klein und unbedeutend erschienen, erkannte Asylma dennoch die Kraft, die von diesem Tier ausging. Der König der Lüfte streckte seinen braun gefiederten Kopf nach unten, zog seine Flügel fest an den Körper und schnellte wie ein Pfeil gen Erde. Sein Sturzflug war kurz, sein Erscheinen überraschend und nur ein leises ersticktes Quieken erfuhr der erstarrten Maus bevor sie, vom Adler getragen, sich zu ihrer letzten Reise gen Himmel aufmachte.

      Sie ritten schweigend weiter.

      „Was hältst du davon?“, wandte sich Brontes nach einer Weile an Asylma.

      Asylma, die in ihren Gedanken woanders schweifte, brauchte etwas länger, bevor die Frage bei ihr ankam.

      „Wovon?“

      „Dass der Adler die Maus getötet hat!?“

      „Er musste sie töten. Das ist die Natur! Sonst hätte er verhungern müssen.“ Sie zögerte keine Sekunde.

      „Warum glaubst du, dass er Hunger hatte? Er hätte sie auch aus Spaß töten können. Nein?“

      „Nein, Tiere tun das nicht!“

      „Aber Menschen …?“

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