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Gertrud. Luise Reinhardt
Читать онлайн.Название Gertrud
Год выпуска 0
isbn 9783754183656
Автор произведения Luise Reinhardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die duftige, herzerweiternde Frische eines Herbstmorgens lag auf der Flur, welche sich vor dem Schlosse Rittbergen ausbreitete, als eine Equipage mit der bezeichnenden Bedächtigkeit des achtzehnten Jahrhunderts durch die abgemäheten Kornfelder fuhr und bald darauf seine Insassen vor der gotisch gewölbten Haustür ab lieferte. Ein fröhliches Willkommen tönte ihnen entgegen, und man sah alsbald den jungen Schlossherrn mit ganz besonderm Eifer eine junge hübsche Dame vom Wagentritte hinabheben und voll ehrerbietiger Zärtlichkeit von dem Gesindepersonale begrüßen.
Nach dieser Dame, die Elvire von Uslar hieß und seit wenigen Wochen Herrn Reinhard Bünaus Braut war, entstieg ein kriegerisch aussehender Herr mit einem schmalen schwarzen Pflaster über der linken Wange bis zum Kopfe hinauf, der Karosse, und wendete sich sogleich hilfreich, um seiner lebhaft sprechenden und laut lachenden Frau und einem noch sehr jungen Fräulein, Gertrud von Spärkan, gleichfalls ritterliche Dienste zu weihen.
Während Rittbergen seine Braut unter leisen zärtlichen Worten in die Vorhalle geleitete und sich in dem glücklichen Lächeln des Mädchens sonnte, begrüßte Fräulein Margareth unter Erröten die Vorläufer der großen Festlichkeit, die in wenigen Tagen auf Schloss Rittbergen stattfinden sollte, und empfing mit Herzklopfen die Glückwünsche zu ihrer bevorstehenden Vermählung von den Ankommenden. Ja, es sollte Hochzeit auf Schloss Rittbergen sein – Margareth wollte das Vaterhaus und ihren Bruder verlassen, um nach einer sehr kurzen, stürmischen Werbung die Gattin des Grafen Levin von Brettow auf Brettowroda zu werden.
Man erwartete viele Gäste zu dieser Hochzeitsfeier. Man erwartete sie von nah und fern. Der militärisch aussehende Herr mit dem schwarzen Pflaster kam weit her. Es war der Oberst von Pröhl aus dem Sachsenlande, der im letzten Kriege sein Herz an eine allerliebste Preußin verloren und ihre Hand endlich nach verschiedenen Kapitulationen unter der Bedingung erworben hatte: als Ehegatte seiner lustigen Elisabeth nur französisch zu fluchen!
Im Anfange hatte sich die anmutige Frau von Pröhl wirklich das Ansehen gegeben, als wolle sie ernstlich dem ›Donnerwettern‹ ihres ehrenwerten Gemahls ein Ziel setzen, allein mit der Zeit war ihre Opposition gegen die kriegerische Koketterie des guten Obersten, der da glaubte, im Fluche stecke die Grundidee einer richtigen Courage, eingeschlafen und wurde jetzt nur noch als Neckerei von ihr benutzt. Zu ihrer Freude hatte der leidige Streit zwischen Preußen, Sachsen und Österreich gleich nach ihrer Vermählung mit einem Frieden ihres Vaterlandes aufgehört. – Die Siege ihres Königs, denen sie mit dem angeborenen Patriotismus einer echten Preußin enthusiastischen Beifall zollte, machten endlich diesem Kriege ein Ende, und beruhigten mit dem Friedensabschluss des Jahres 1745 ihr Gemüt so weit, dass sie wohlgemut von Preußen nach dem Sachsenlande übersiedelte. In der Schlacht bei Kesselsdorf hatte der Oberst aber einen so entstellenden Hieb über das Gesicht er halten, dass die junge Frau es nötig fand, ihm ein für alle Mal jeden künftigen Kriegsdienst zu untersagen und anzuordnen, dass er zur Verbergung der abscheulichen roten Narbe einen schmalen, höchst kleidbaren schwarzen Pflasterstreif trug. Alle Demonstrationen des würdigen Kriegsmannes, der sich schön mit einem blutroten Malzeichen der persönlichen Tapferkeit fand, halfen ihm nichts, und wenn sie auch endlich bisweilen zugab, dass er im Hause, also sozusagen im Negligee, unbepflastert erschien, so gehörte doch zum Galaanzuge und den gesellschaftlichenDehors das Pflaster ganz unvermeidlich, und wurde zuletzt dem Obersten so notwendig, wie einem Kahlkopfe die verschönernde Perücke.
Das Pröhl’sche Ehepaar blieb kinderlos. Um diesem Übelstande, aber mehr der entstehenden Langeweile, als dem sehnsüchtigen Bedürfnisse abzuhelfen, warf sich Frau Elisabeth zur Beschützerin und Erzieherin zweier jungen Damen auf, die ihrer Eltern beraubt, durch geschwisterliche Verwandtschaftsbande zu der Familie ihres Mannes gehörten. Elvire von Uslar war die ältere ihrer Pflege befohlenen, seit acht Jahren unter ihrer Obhut und ganz ohne Zweifel der Stolz ihrer noch jugendlichen Pflegemutter. Gertrud von Spärkan befand sich erst seit einigen Jahren bei ihr, und wurde ihr immer zeitweise entzogen, wenn der Vormund des holden Kindes, der großmächtige, stolze und oft misslaunige Feldmarschall von Spärkan in Dresden sich des jungen Mädchens einmal erinnerte und sie ›zu sich befahl‹.
Im Stillen ärgerte sich Frau von Pröhl entsetzlich über die Sultanlaunen des gnädigen Herrn Vormund, und hatte oft nicht übel Lust, durch Vorspiegelung von Krankheit ihre kleine hübsche Gertrud dem steifen Zwange des vormundschaftlichen Befehles zu entziehen, allein hier eröffnete sich ein Feld, wo sie mit all ihren Herrscherkünsten nichts gegen ihren Gemahl auszurichten vermochte.
In einer Anwandlung von Respekt und schuldiger Subordination stemmte sich der Oberst stets gegen solche Machinationen und forderte unbedingten Gehorsam, wenn die Karosse des allgewaltigen Feldmarschalls vom nahen Dresden vorfuhr, um das Fräulein Gertrud von Spärkan in die Arme ihres gnädigen Herrn Vetters und Vormunds zu holen. Die kecke, schelmische und dabei höchst entschlossene Miene der Frau von Pröhl bei solchen Gelegenheiten zeigte, dass sie sich mit Plänen trug, die den besorglichen Anordnungen des Feldmarschalls geradezu entgegen liefen. Er, das wusste sie, wollte die kleine Gertrud, die Erbin großer Reichtümer, vor der zu intimen Verbindung mit der preußisch gebliebenen Frau von Pröhl bewahren, obwohl er dem Aufenthalte derselben bei ihr nichts anhaben konnte, weil das Fräulein näher mit Pröhl, als mit ihm verwandt war, dessen Namen sie zwar trug, allein ohne anders, als durch weithergeholte Abstammung, zu seiner Familie zu zählen. Und Frau von Pröhl? Nun, das lag klar zu Tage, sie hatte gar nichts dagegen, wenn sich eines Tages ein hübscher preußischer Vetter in das hübsche reiche Sachsenkind verliebte und dasselbe trotz aller Feldmarschall-Taktik auf das Schloss seiner Ahnen entführte. Es herrschten also zwischen den Preußen- und Sachsenplänen immer noch die feindseligen Elemente vor, trotzdem der König von Preußen im guten Glauben lebte, ›Frieden geschlossen‹ zu haben. Es waren nur Kriege anderer Art, als sie der tapfere Friedrich zu führen pflegte.
Für den Augenblick war es der Frau von Pröhl gelungen, hinter dem Rücken des Feldmarschalls das Fräulein zu entführen, um sie teilhaft der großen, glänzenden Hochzeitsfeierlichkeiten werden zu lassen, die im Schlosse Rittbergen vorbereitet wurden.
Graf Levin Brettow gehörte zu den hervorragenden Persönlichkeiten seines Vaterlandes, und es ließ sich bei diesem Stande des Bräutigams und der glänzenden Lebensstellung der schönen Braut etwas Grandioses erwarten. Hierin sowohl, als in dem bräutlichen Verhältnisse ihrer Pflegetochter Elvire von Uslar zu Herrn Reinhard Bünau von Rittbergen, lagen die Entschuldigungsgründe seiner Hochzeitsreise, zu der allerdings der Feldmarschall gewiss niemals eine Einwilligung gegeben haben würde, wenn man ihn sonst befragt hätte. Frau von Pröhl kümmerte sich nicht um das Ungewitter, das sie mit ihren sehr geheim gehaltenen Plänen zu dieser Hochzeitsreise angerichtet hatte. Sie war auf Schloss Rittbergen angelangt, hatte lachend und voll mutwilliger Einfälle