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der erste Leutnant aber sandte die Rechnung an meinen Vater, der sie bezahlte und ihm schriftlich für seine Bemühung dankte. Am selben Morgen sagte der erste Leutnant zu mir: »Nun, Herr Simpel, wir wollen Ihrem Hut und Degen den Glanz nehmen. Sie werden mit Mr. O'Brien ins Boot steigen, und darauf acht haben, daß keiner von der Mannschaft sich davon entferne und in den Tavernen sich betrinke.«

      Dies war das erstemal, daß ich mit einem Auftrage beordert wurde, und ich war stolz darauf, ein Offizier im Dienste zu sein. Ich legte meine volle Uniform an und stand schon eine Viertelstunde vorher im Gange bereit, ehe man den Matrosen mit der Pfeife das Zeichen gab. Wir wurden zu der Schiffswerft befohlen, um Vorrat einzunehmen. Als wir hier ankamen, war ich sehr erstaunt über die Haufen Schiffsbauholz, die Reihen von Lagerhäusern und die ungeheuren Anker, welche auf der Werft lagen. Es herrschte hier eine solche Regsamkeit, jedermann schien so beschäftigt, daß ich nicht alles auf einmal übersehen konnte. Nahe an der Stelle, wo das Boot landete, holte man eine große Fregatte aus dem sogenannten Bassin; der Anblick interessierte mich so sehr, daß ich leider sagen muß, ich vergaß ganz die Bootsmannschaft und meine Befehle, nach ihr zu schauen. Was mich am meisten überraschte, war, daß, obschon die beschäftigten Leute Matrosen schienen, ihre Sprache sehr von derjenigen abstach, an welche ich mich seit kurzem an Bord der Fregatte gewöhnt hatte. Anstatt zu fluchen und zu schwören, war jedermann sehr höflich:

      »Wollen Sie dem Steuerbordbugtau gefälligst einen Zug geben, Mr. Jones.«

      »Lösen Sie das Backbordtau, Mr. Jenkins, wenn Sie so gütig sein wollen.«

      »Auf die Seite, Gentlemen, auf die Seite mit dem Bug.«

      »Meine Empfehlung an Herrn Tomkins, und er möchte hinten den Aufhalt fahren lassen.«

      »Auf die Seite, Gentlemen, auf die Seite mit der Fregatte, wenn's gefällig ist.«

      »Ihr in dem Boote da, rudert zu Mr. Simmons; ich lasse ihn bitten, mir den Gefallen zu thun, sie aufzuhalten, wenn sie sich schwingt. Was giebts, Mr. Johnson?«

      »Ei da hat einer von den Midshipmaten eine glühend heiße Kartoffel durch die Sternluke geworfen, und unsern Offizier ins Auge getroffen.«

      »Melden Sie ihn dem Kommissär, Mr. Wiggins, und haben Sie die Güte, die Ankertaue in Ordnung zu bringen. Sagen Sie dem Mr. Simpkins mein Kompliment, und er möchte am Deckvorsprung fortwickeln. Auf die Seite mit dem Schiff! Gentlemen, auf die Seite, wenn's beliebt.«

      Ich fragte einen der Umstehenden, wer diese Leute wären, und er sagte mir, es seien Seemagazin-Gehilfen. Es schien mir in der That ebenso leicht zu sagen: »Wenn es ihnen gefällig ist«, als »der Teufel soll euch holen«; und jenes klang mir viel angenehmer. Während ich auf das Herausholen der Fregatte schaute, schlichen sich zwei Leute von der Bootsmannschaft hinweg, und waren bei meiner Zurückkunft nicht mehr zu sehen. Ich geriet in große Angst, denn ich sah ein, daß ich meine Pflicht vernachlässigt hatte, und zwar bei der ersten Gelegenheit, wo ich im Dienste verantwortlich war. Ich wußte nicht, was ich thun sollte. Ich rannte überall im Hafenmagazin auf und nieder, bis ich ganz außer Atem war, und fragte jedermann, dem ich begegnete, ob sie meine zwei Mann nicht gesehen hätten. Einige von ihnen sagten, sie hätten eine Masse Matrosen gesehen, aber kannten die meinigen nicht recht, einige lachten und hießen mich einen Gelbschnabel. Endlich traf ich einen Seekadetten, welcher mir sagte, er habe zwei meiner Beschreibung entsprechende Leute auf dem Dache der Londoner Postkutsche gesehen, und ich solle mich tummeln, wenn ich sie einholen wolle; aber auf weitere Fragen wollte er keine Antwort geben. Ich setzte meinen Gang durch den Hof fort, bis ich zwanzig oder dreißig Leute in grauen Jacken und Hosen antraf, an welche ich mich um Aufschluß wandte; sie sagten mir, sie hätten zwei Matrosen sich hinter Haufen von Schiffsbauholz verstecken sehen. Sie drängten sich um mich und schienen sehr besorgt, mir beizustehen, bis sie aufgefordert wurden, ein Kabeltau hinwegzutragen.

      Ich bemerkte, daß sie alle Nummern an ihren Jacken und einen oder zwei breite eiserne Ringe an ihren Beinen hatten. Obschon ich große Eile hatte, konnte ich doch nicht umhin, zu fragen, warum sie die Ringe trügen. Einer derselben erwiderte, dies seien Verdienstorden, welche sie wegen ihres guten Verhaltens bekommen hätten. Ich ging sehr trostlos weiter, als ich beim Umbiegen um eine Ecke zu meiner großen Freude meinen zwei Leuten begegnete, welche an ihre Hüte langten und sagten, sie hätten nach mir geschaut. Ich glaubte nicht, daß sie die Wahrheit sprachen, allein ich war so froh, sie wieder zu finden, daß ich sie nicht schmälte, sondern mit ihnen in das Boot hinabging, welches schon einige Zeit auf uns wartete. O'Brien, des Schiffsmeisters Gehilfe, hieß mich einen jungen Hauklotz, ein Wort, welches ich nie vorher gehört hatte.

      Nachdem wir an Bord gekommen waren, fragte der erste Leutnant O'Brien, warum er so lange ausgeblieben sei?

      Er antwortete: »Zwei von den Leuten hätten das Boot verlassen, und ich hätte sie wieder gefunden.«

      Der erste Leutnant schien mit mir zufrieden, und bemerkte, er habe schon vorher gesagt, daß ich kein Dummkopf sei; ich aber ging sehr vergnügt über mein gutes Glück hinunter, und fühlte mich O'Brien sehr verbunden, weil er nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Als ich meinen Hut und Degen abgelegt hatte, langte ich nach meinem Taschentuch, fand es aber nicht mehr in meiner Tasche, indem die Leute in den grauen Jacken es wahrscheinlich herausgenommen hatten, welche, wie ich im Gespräche mit meinen Kameraden erfuhr, wegen Diebstahls und Taschenfegens zu harter Arbeit verurteilte Verbrecher waren. Ein paar Tage nachher bekamen wir einen neuen Tischgenossen, Namens M'Foy. Ich befand mich eben auf dem Hinterdeck, als er an Bord kam und dem Kapitän einen Brief überreichte, wobei er zuerst fragte, ob er Kapitän Savage heiße. Er war ein blühend schöner, junger Mann, fast sechs Fuß hoch, mit rötlichen Haaren und von sehr gutem Aussehen. Da seine Laufbahn im Dienste sehr kurz war, so will ich auf einmal erzählen, was ich erst einige Zeit nachher erfuhr. Der Kapitän hatte ihn angenommen, aus Gefälligkeit gegen einen Kameraden, welcher sich aus dem Dienste zurückgezogen hatte und im schottischen Hochlande lebte. Die erste Nachricht, welche der Kapitän von der Ankunft des Herrn M'Foy erhielt, war aus einem Briefe, den des jungen Mannes Oheim an ihn schrieb. Derselbe belustigte ihn so sehr, daß er ihn dem ersten Leutnant zu lesen gab. Er lautete wie folgt:

      »Sir!

      Da unser sehr geschätzter gegenseitiger Freund, Kapitän M'Albine, mir durch einen Brief, datiert vom vierzehnten laufenden Monats, Ihre freundlichen Absichten in betreff meines Neffen Sholto M'Foy (für welche ich meinen besten Dank abstatte), mitgeteilt hat, so schreibe ich Ihnen, um Sie zu benachrichtigen, daß er nun auf dem Wege nach Ihrem Schiff »Diomede« ist, und, so Gott will, sechsundzwanzig Stunden nach Empfang dieses Briefes eintreffen wird.

      Weil ich von Leuten, welche einige Bekanntschaft mit dem königlichen Dienst besitzen, erfahren habe, daß seine Ausrüstung als Offizier etwas kostspielig sein wird, so habe ich es für angemessen erachtet, Sie in dieser Beziehung von jeder Angelegenheit zu befreien, und deshalb eine halbe englische Banknote zu zehn Pfund Sterling, Nummer dreitausendsiebenhundertzweiundvierzig eingeschlossen; die andere Hälfte derselben wird pflichtgemäß in einem frankierten Briefe folgen, welcher mir bis übermorgen versprochen ist. Ich bitte Sie, die nötigen Einkäufe zu machen, und den Überschuß, sollte welcher da sein, zu seiner Tischrechnung oder anderen Ausgaben zu verwenden, welche Sie für angemessen oder gerechtfertigt halten mögen.

      Ich muß Sie zugleich benachrichtigen, daß Sholto bei seinem Abgange von Glasgow zehn Schilling in der Tasche hatte: ich zweifle nicht, Sie werden nach der befriedigenden Verwendung derselben forschen, da es eine bedeutende Summe ist, welche dem Gutdünken eines jungen Menschen überlassen wurde, der nur vierzehn Jahre und fünf Monate zählt. Ich erwähne sein Alter, weil Sholto so groß ist, daß Sie durch sein Äußeres leicht getäuscht und verleitet werden könnten, seiner Klugheit in Sachen von ernster Natur zu viel zuzutrauen. Sollte er einmal neben seinem Solde, welcher, wie man mir sagt, bei den königlichen Offizieren eine sehr hübsche Summe ausmacht, einer weiteren Nachhilfe bedürfen, so bitte ich Sie, zu bemerken, daß ein Wechsel von Ihnen auf zehn Tage Sicht, in dem Betrage von fünf Sterling englisch, von der Firma Monteith M'Killop und Kompagnie zu Glasgow pflichtgemäß honoriert werden wird. Nebst vielem Danke für Ihre Freundlichkeit und in aller Achtung verbleibe ich, Sir,

      Ihr gehorsamster

      

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