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Der Strohmann. Dietmar Füssel
Читать онлайн.Название Der Strohmann
Год выпуска 0
isbn 9783754177150
Автор произведения Dietmar Füssel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Doppelgänger erkundigt sich beim Personal des Motels nach der nächsten Werkstatt, kehrt zurück auf die Straße und setzt sich zu Fuß Richtung Werkstatt in Bewegung.
Sollte der Professor tatsächlich beschattet werden, so wird sich sein Verfolger natürlich an diesen Doppelgänger halten.
Der echte Professor aber verlässt fünf Minuten später das Lokal, steigt in sein Auto, drückt auf besagten Knopf, das Benzin rinnt wieder, er startet und fährt weiter – zum Bordell ‚Erotic Pigs’.
Dort packt er seine Staubsaugervertreterausrüstung aus, geht durch das Eingangsportal, verlangt die Chefin und sagt zu ihr:
‚Ich hätte da schöne Staubsauger zu verkaufen.’
Worauf sie antwortet:
‚Ich brauche leider keinen. Allerdings habe ich zufällig gerade einen Kunden im Haus, der mir erzählt hat, dass heute sein Staubsauger den Geist aufgegeben hat, weshalb er dringend einen neuen braucht. Er würde sich über Ihren Besuch bestimmt freuen. Zimmer soundso.’
Dieser Kunde bin natürlich ich.
Die Chefin des Hauses ist übrigens eine alte Freundin von mir. Außerdem schuldet sie mir noch einen Gefallen.“
„Kein übler Plan“, gab der Agent zu. „Die Sache hat nur einen kleinen Haken.“
„Und der wäre?“
„Der Professor hat weder Führerschein noch Auto.“
„Mist. Ist aber halb so schlimm. Dann soll er eben einen seiner Assistenten zu mir schicken. Wen ihr schickt, ist egal, Hauptsache, er kennt sich mit dieser Spezialausrüstung aus und wirkt wie ein Staubsaugervertreter.“
„Wird gemacht. Gibt es sonst noch was?“
„Allerdings. Wie können wir die Menschentraube vor meinem Laden davon überzeugen, dass Sie sich von mir gerade eine Abfuhr geholt haben?“
„Die wissen doch nicht, dass ich von der CIA bin.“
„Und ob die das wissen. Oder glauben Sie wirklich, dass die vielen Leute sich nur deshalb vor meinem Laden versammelt haben, um meine schöne Auslage zu bewundern?
Deshalb bin ich ja mit Ihnen ins Hinterzimmer gegangen.“
„Ja, aber wie ist das möglich?“, fragte der Agent unsicher. „Ich meine, ich habe mich doch strikt an die Verkleidungsvorschrift 42 B gehalten...“
„Kann es sein, dass Sie Ihre Ausbildung in dem Jahr absolviert haben, in dem der Kursus ‚Tarnen und Täuschen’ immer unmittelbar im Anschluss an die ‚praktischen Übungen in Whiskykunde’ abgehalten wurde?“
„Das ist richtig“, gab der Agent zu. „Aber woher wissen Sie das?“
„Ihre vollkommen unpassende Verkleidung hat es mir verraten“, erklärte Winston. „Offensichtlich ist Ihnen damals whiskybedingt vollkommen entgangen, dass es insgesamt nicht weniger als sechsundfünfzig verschiedene Verkleidungen gibt, die Agenten je nach Witterung zu tragen haben, und dass Verkleidungsvorschrift 42 B sich ausdrücklich nur auf regnerische Spätherbsttage bezieht.“
„Jetzt wird mir natürlich so manches klar“, sagte der Agent verlegen. „Aber woher wissen Sie als Außenstehender so genau über unsere Dienstvorschriften und Ausbildungsprogramme Bescheid?“
„Weil man als Detektiv dafür bezahlt wird, Dinge zu wissen, die nicht jeder weiß“, antwortete Winston. „Aber zurück zur Sache: Wie können wir die Schaulustigen da draußen davon überzeugen, dass ich nichts mit der CIA zu tun haben möchte?“
„Ich könnte ja so tun, als wäre ich nur als Kunde hierher gekommen“, schlug der Agent vor. „Indem ich Ihnen jetzt einen Fisch abkaufe.“
„Ich fürchte, dazu sind Sie schon zu lange hier. Außerdem hätte ich Sie in diesem Fall wohl kaum ins Hinterzimmer gebeten. Nein, ich denke, ich habe da eine bessere Idee.“
„Und die wäre?“
„Diese da“, antwortete Winston und schickte den Agenten mit einem präzisen Kinnhaken auf die Bretter, die das Hinterzimmer eines Fischgeschäfts bedeuteten.
„Was soll der Blödsinn?“, fragte der Agent, während er sich, am Boden sitzend, das Kinn rieb, das sich sofort unnatürlich zu verfärben begann.
„Wenn ich fest zuschlage, sind die Leute meistens zwischen einer halben und einer dreiviertel Stunde bewusstlos“, erklärte Winston. „Das wissen die Leute, weil ich für meine harten Schläge genauso berühmt bin wie Old Shatterhand.“
„Wer zum Teufel ist Old Shatterhand?“
„Also offenbar sogar noch berühmter. Jedenfalls ist die Beule auf Ihrem Kinn der beste Beweis dafür, dass Sie sich von mir eine schmerzhafte Abfuhr geholt haben.“
„Es tut wirklich ziemlich weh“, sagte der Agent. „Aber ich muss zugeben, dass diese Begründung ziemlich plausibel klingt. Und das Wichtigste ist, dass es mir gelungen ist, Sie zum Mitmachen zu überreden.“
„Eben.“
„Und was gedenken Sie jetzt zu unternehmen, Mr. Winston?“
„Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein, 003.“
„Natürlich. Aber wenn ich Ihnen vielleicht abschließend einen guten Rat geben dürfte...“
„Meinetwegen.“
„Also, ich an Ihrer Stelle würde eher nicht versuchen, mich in Chinchillas Organisation einzuschleichen. Weder mit Ihrem echten noch mit einem falschen Namen.“
„Keine Sorge, so etwas Hirnverbranntes würde ich niemals tun“, erwiderte Winston. „Schließlich bin ich nicht bei der CIA.“
***
6. Kapitel
Am übernächsten Tag um 19 Uhr 30 parkte Winston seinen uralten grünen VW Käfer vor dem Bordell ‚Erotic Pigs’ ein.
Alle Autos, die er vor diesem besessen hatte, waren übrigens ebenfalls grüne VW Käfer gewesen, obwohl er sich problemlos einen echten Luxusschlitten hätte leisten können.
Er hatte einfach eine sentimentale Schwäche dafür.
Lag es vielleicht daran, dass er den ersten grünen VW Käfer als Honorar für die Lösung seines allerersten Falles erhalten hatte?
Oder daran, dass er auf dem Rücksitz eines grünen VW Käfers das erste Mal Sex gehabt hatte – mit einer Zirkusakrobatin?
Oder lag es etwa daran, dass die grüne Farbe seines VW’s ihn an die Farbe des sturmgepeitschten Meeres in einem Dokumentarfilm über den Fischfang vor Neufundland erinnerte, den er als Kind einmal gesehen hatte?
Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.
Also genug von dem Scheiß.
Winston betrat das Bordell und blickte sich suchend um.
Auf einigen Stühlen des Eingangsbereichs saßen spärlich bekleidete Mädchen, die ihm verführerisch zulächelten, andere waren von vollständig bekleideten Männern – zukünftigen Kunden – besetzt, und einige waren natürlich auch frei wie der Wind. Oder wie die Vögel auf den Feldern. Oder wie Tommy – der aus der berühmten Rockoper - nach seiner Genesung.
Aber in erster Linie waren sie natürlich ganz gewöhnliche Stühle, auf denen zufällig gerade keiner saß.
Hinter einer mit schweinchenförmigen Skulpturen verzierten Theke stand eine vollschlanke Frau in mittleren Jahren, die ein geschmackvolles, um die Taille plissiertes blau-grün-violett geblümtes Kleid von Claiborne trug, das, um bei der